379 Seiten Langeweile

von | 05.09.2014 | Belletristik, Buchpranger

„Schreib den ersten Satz so, dass der Leser unbedingt auch den zweiten lesen will“, sagte der amerikanische Schriftsteller William Cuthbert Faulkner einst. Als ich in der Buchhandlung nach dem Buch „Teufelsmord“ von Tanja Noy griff, habe ich nicht nur den ersten und zweiten Satz gelesen, sondern die komplette erste Seite. Das hörte sich vielversprechend an, dachte ich und kaufte mir das Buch. Ein Reinfall, wie sich später herausstellte.

Worum es geht

Die Handlung beginnt in der Vergangenheit. Es ist August 1987, an einem Samstag, kurz nach Mitternacht. Der Leser wird mitten ins Geschehen geworfen. Eine Frau, deren Namen wir nicht kennen, wird gerade von irgendjemandem verfolgt. Die Situation wird spannend geschildert, macht neugierig auf den weiteren Verlauf. Einen Tag später wird die Frau tot aufgefunden, in ihren Bauch ist ein Pentagramm geritzt. Es fallen Begriffe wie Serienmörder und Teufelsmord, aber so richtig scheint keiner eine Ahnung zu haben. Wittenrode aber ist eine kleine Stadt und es spricht sich schnell etwas herum. Die Schlagzeilen sorgen für Unruhe und Aufregung und der Tourismus, auf den die Bewohner angewiesen sind, bleibt aus. Also muss so schnell wie möglich der Schuldige gefunden werden. Und tatsächlich – nur wenige Tage später hat die Polizei ihn gefasst: Bruno Kalis. Etwa ein halbes Jahr später nimmt er sich das Leben, bis zum Ende abstreitend, die Tat begangen zu haben.

20 Jahre später taucht in Wittenrode eine nach gleichem Muster zugerichtete Leiche auf. Eine Frau namens Kerstin gesteht die Tat und bringt sich anschließend um. Da es sich hierbei um eine Jugendfreundin handelt, nimmt Julia Wagner an der Beerdigung teil und trifft sich mit zwei weiteren Freunden aus Kindertagen. An dieser Stelle verspricht der Klappentext: „Von der Unschuld ihrer Freundin überzeugt, beginnt Julia eigene Nachforschungen in einer verschworenen Dorfgemeinschaft, derer sie nie ein Teil war und die alle und alles von „draußen“ als Bedrohung betrachtet. Während ihrer lebensgefährlichen Suche nach Antworten macht sie sich mächtige Feinde und erfährt dabei unfassbare Dinge über ihre eigene Vergangenheit.“ Diese Beschreibung jedoch ist irreführend. Denn tatsächlich ist Julia eine sehr lange Zeit, bis zur Hälfte des Buches etwa, nicht überzeugt von der Unschuld ihrer Freundin. Mit der Distanz einer Polizeikommissarin legt sie die Fakten auf den Tisch und beharrt immer wieder darauf, Kerstin hätte die Tat doch gestanden.

Schein-Spannung

Auch wenn der Leser viel über Julia erfährt – ihre Erinnerungen, Gedanken, Taten – bleibt sie einem doch bis zum Ende fremd, an manchen Stellen sogar unsympathisch. Ihre Sturheit bringt weder den Beteiligten etwas noch treibt sie die Handlung voran. Oft muss man ganze Kapitel mit langatmigen, sich wiederholenden Diskussionen lesen, sodass man als Leser die Protagonistin am liebsten an den Schultern gepackt und geschüttelt hätte. Mit Satzlangen Kapitelüberschriften wird versucht Spannung aufzubauen, nur sind sie nicht immer passend gewählt. An einigen Stellen wird auf die Überschrift gleich im ersten Satz des Kapitels eingegangen, einige Kapitelüberschriften klingen albern („Keine Ahnung, was das soll“), bei anderen weiß ich selbst nicht, was das eigentlich soll („Längst ins Dach gefahren.“).
Trotz allem habe ich mich durch das Buch gekämpft, allein aus der Neugier heraus, warum im Klappentext steht: „Während ihrer lebensgefährlichen Suche nach Antworten macht sie sich mächtige Feinde und erfährt dabei unfassbare Dinge über ihre eigene Vergangenheit.“ Nur leider erfährt es der Leser nicht. Oder zumindest nichts, was wirklich von Bedeutung, atemraubend, spannend gewesen wäre. Während Julia Nachforschungen anstellt, stößt sie auf Hinweise, die man als Leser direkt verbindet. Schon bald ahnt man, wer der Teufelsmörder ist. Der weitere Verlauf der Geschichte dient nur dazu, den Leser mit falschen Hinweisen in die Irre zu führen. Der Ausgang des Buches erklärt sich allerdings durch die Tatsache, dass im Dezember der zweite Teil („Todesruhe“) erscheint.

Sprache

Die Sprache der Autorin ist sehr umgangssprachlich. Einen individuellen Sprachgebrauch haben die Protagonisten nicht. Alle fluchen, alle nutzen Sprichwörter und Redewendungen. Die Dialoge wirken nicht ausgebaut, sondern „wie man halt spricht und so“. Über solche Stellen stolpert man immer wieder im Buch. Auch wenn hier scheinbar versucht wurde, die Protagonisten durch ihre Sprache authentisch wirken zu lassen, verliert das Buch dadurch an literarischer Qualität.

Fazit

Wie oft haben wir es schon gelesen oder gesehen: verschworene Dorfgemeinschaften, Serienmörder, blutige Morde mit ekelerregenden Beschreibungen… 380 Seiten voller Dialoge, angedeuteter Gefühle, Gewalt, Verschwörungen und flacher Action. Neu ist die Idee nicht, schlimm ist das aber auch nicht. Es scheitert lediglich an der Umsetzung.

Alexa

Teufelsmord, Tanja Noy, MIRA Taschenbuch, 2014

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