21 für 21

von | 25.12.2021 | Belletristik, Buchpranger

Zu Beginn des Jahres hat sich Fabelforscher Christian eine Liste mit Büchern angelegt, die er dieses Jahr lesen wollte – die ultimative 21-für-21-Challenge!

Angefangen hat alles im Dezember 2019, als Worteweberin Annika mich dazu überredete, mir für 2020 eine Liste mit 20 Büchern zu überlegen, die ich dann das Jahr über lesen könnte – die 20-für-20-Challenge war geboren. Nun muss ich leider zugeben, dass das ganze Unterfangen von Anfang an alles andere als rund lief und als dann im Sommer auch noch unser Sohn geboren wurde, war es mit dem Abarbeiten der Liste völlig vorbei. Aber ein Fabelforscher wäre kein Fabelforscher, würde er den Versuch nicht wiederholen. Ganz wie in der Wissenschaft: einmal ist keinmal, zweimal ist Zufall und dreimal gibt noch keine schöne Statistik!

Für 2021 wollte ich den Versuch also wiederholen, diesmal natürlich mit 21 Büchern, 20 für 21 klingt ja irgendwie doof. Also wuselte ich durch die Wohnung auf der Suche nach Büchern der Kategorie „Würde ich gerne mal lesen, aber nicht gerade jetzt“. Um nicht Gefahr zu laufen, wieder mit Pauken und Trompeten unterzugehen, besorgte ich mir auch noch ein paar Exemplare der Marke „Sowas wie dich les ich zum Frühstück“ und „Oh mein Gott, darauf hab ich schon so lange gewartet“ (*hüstel „Die Kinder des Wüstenplaneten“ *hüstel) aus dem öffentlichen Bücherschrank oder beim lokalen Buchhändler meines Vertrauens.

Kurz vor Silvester war es dann soweit, die Liste war fertig. Ich türmte alles aufeinander und siehe da, der Stapel ging mir beinahe bis zur Hüfte – ob ich mich nicht doch ein wenig übernommen hatte?

Für alle, die den Kopf nicht drehen möchten/können, hier die komplette 21-für-21-Liste:

  • „Faktotum“ (Charles Bukowski)
  • „Das Erbe der Elfen“ (Andrzej Sapkowski)
  • „Die Kinder des Wüstenplaneten“ (Frank Herbert)
  • „Der Fremde“ (Albert Camus)
  • „Im Westen nichts Neues“ (Erich Maria Remarque)
  • „Kon-Tiki“ (Thor Heyerdahl)
  • „Mord in Mesopotamien” (Agatha Christie)
  • „Mit offenen Karten“ (Agatha Christie)
  • „Fata Morgana“ (Agatha Christie)
  • „Der Ball spielende Hund“ (Agatha Christie)
  • „Das Geheimnis der Goldmine“ (Agatha Christie)
  • „Der letzte Joker“ (Agatha Christie)
  • „Die Farm der Tiere“ (George Orwell)
  • „Der Verdacht“ (Friedrich Dürrenmatt)
  • „Das gelbe M“ (Edgar P. Jacobs)
  • „Blade Runner” (Philip K. Dick)
  • „Der Münchner im Himmel“ (Ludwig Thoma)
  • „Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“ (Thomas Meyer)
  • „Atlas der unentdeckten Länder“ (Dennis Gastmann)
  • „Der Name der Rose“ (Umberto Eco)
  • „Insel der verlorenen Erinnerung“ (Yoko Ogawa)

Um das ganze hier nicht ausarten zu lassen, werde ich nur ganz kurz auf die einzelnen Titel eingehen.

„Faktotum“

Henry Chinaski ist wieder da! Nach seinem grandiosen Auftritt in „Der Mann mit der Ledertasche“ kann man ihm hier abseits seines Lebens als Postangestellter folgen, wie er im Vollrausch einen Job nach dem anderen vermasselt und dabei sich und seinem Traum, Schriftsteller zu werden, treu bleibt. Bukowski vom Feinsten.

„Das Erbe der Elfen“

Das erste Buch aus der Reihe, auf der die „Witcher“-Computerspiele und die entsprechende Netflix-Serie basieren. In meiner unendlichen Weisheit bin ich in die Videospielreihe mit „Witcher III“ eingestiegen und verstand von der Story nur eines: Bahnhof! Um Abhilfe zu schaffen, nahm ich also das Buch zur Hand und fand es durchaus spannend und unterhaltsam – der zweite Band liegt schon bereit. Als ich dann auch noch gesehen habe, dass alle fünf Bände im Regal ein pornöses Rückenmotiv bilden, hat mir mein kleiner Nerd im Ohr deutlich zu verstehen gegeben: Diese fünf Bücher sind ein Must-have.

„Die Kinder des Wüstenplaneten“

Der dritte Teil des Buchzyklus‘ rund um den Wüstenplaneten. Nicht ganz so gut wie „Der Wüstenplanet“, aber besser als „Der Herr des Wüstenplaneten“. Trotz seiner knapp 600 Seiten war dieser Listenpunkt in wenigen Tagen abgehakt. Für die nächste Challenge ist der vierte Band auf jeden Fall gesetzt. Das Spice muss fließen!

„Der Fremde“

Ein Buch, das auf vielen „Sollte man mal gelesen haben“-Listen weit vorne steht. Mein Fazit: Sollte man mal gelesen haben.

„Im Westen nichts Neues“

Ich hatte mir das Buch irgendwie anders vorgestellt: düsterer, altmodischer, schwerer zu lesen. Was ich dann in Händen hielt, las sich spannend und war so fesselnd, dass ich kaum aufhören wollte zu lesen. Die atmosphärisch dichten Schilderungen des Geschehens an der Westfront im ersten Weltkrieg haben mich tatsächlich tief bewegt und die Charaktere sind mir derart ans Herz gewachsen, dass ich mehrmals ein paar Tränen vergießen musste.

„Kon-Tiki“

Nicht einfach eine sachliche Schilderung des Ablaufs der Kon-Tiki-Expedition, die auf einem Balsafloß von Südamerika nach Polynesien führte, sondern eine spannende Abenteuergeschichte, die mich voll in ihren Bann gezogen hat.

„Mord in Mesopotamien“, „Mit offenen Karten“, „Fata Morgana“, „Der Ball spielende Hund“, „Das Geheimnis der Goldmine“, „Der letzte Joker“

Um nicht in die gleiche Falle zu tappen wie letztes Jahr, habe ich für 2021 auch ein paar Bücher auf die Liste genommen, die ich ohnehin gelesen hätte. Also durften Hercule Poirot, Miss Marple und Superintendent Battle gleich mehrmals ran. Worauf ich besonders stolz bin: In „Der Ball spielende Hund“ habe ich zum ersten Mal auf das richtige Pferd gesetzt und den Fall korrekt gelöst (wenn auch nicht so detailliert und logisch wie Poirot). Ansonsten gibt es nicht viel zu den sechs Büchern zu sagen; wer Agatha Christie mag, wird auch diese Bücher mögen. Für mich die perfekte literarische Unterhaltung für zwischendurch.

„Die Farm der Tiere“

Russland ist ein englischer Bauernhof, der Bauer die herrschende Klasse, Lenin ist ein Schwein, Stalin auch, Pferde sind die Arbeiter und Hunde die Geheimpolizei. So oder so ähnlich könnte man die Ausgangslage der Geschichte vereinfacht zusammenfassen (die Namen sind selbstverständlich geändert). Kurzweilige und satirische Allegorie auf den Kommunismus und seine zunehmenden Abartigkeiten.

„Der Verdacht“

Nach „Der Richter und sein Henker“ der zweite Fall von Kommissar Bärlach. Im Krankenhaus erfährt Bärlach von dem Verdacht, der Chefarzt einer nahen Privatklinik könnte ein ehemaliger KZ-Arzt sein, der seine unmenschlichen und sadistischen Experimente an seinen schwerreichen Patienten fortführt. Kurzerhand lässt er sich in besagte Klinik verlegen, um Ermittlungen anzustellen. Typisch für Dürrenmatt kein Allerweltskrimi.

„Das gelbe M“

Der dritte Band der „Blake und Mortimer“-Reihe von Edgar P. Jacobs. In meinen Augen nicht ganz so stark wie die Vorgänger, insbesondere „Der Kampf um die Welt“, aber trotzdem absolut lesenswert. Zu den Rezensionen zu weiteren Titeln der Reihe geht es hier und hier.

„Blade Runner“

Die Romanvorlage aus der Feder von Philip K. Dick zum gleichnamigen Kinofilm von Ridley Scott. Beide handeln vom Replikanten jagenden Blade Runner Rick Deckard, das Buch geht jedoch in vielen Dingen weiter und ist vielschichtiger als der Film. Beide sind aber lesens- und sehenswert.

„Der Münchner im Himmel“

Kurze Geschichten aus der bayrischen Provinz und dem Zentrum des Bayerntums auf Erden: München (oder Minga, wie der waschechte Bajuware es nennt). Wer keine bayrische Mundart lesen kann oder keinen – nennen wir ihn rustikalen – Humor versteht, der sollte sich hier lieber zurückhalten. Für alle anderen: Viel Spaß beim Schmunzeln!

„Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“

Entgegen meiner sonst üblichen Vorgehensweise habe ich hier erst den Film gesehen und bin dadurch überhaupt erst auf das Buch aufmerksam geworden. Humorvoll schildert Thomas Meyer die kleinen und immer größer werdenden Alltagsprobleme des jungen Juden Motti Wolkenbruch auf seinem Weg in die Arme der titelgebenden Schickse. Das Buch hat mich nicht nur wunderbar unterhalten, sondern mir auch vor Augen geführt, wie wenig ich eigentlich über das Leben und die Bräuche unserer jüdischen Mitbürger:innen weiß. Für mich eine Einladung, mehr in dieser Richtung zu lesen.

„Atlas der unentdeckten Länder“

Auf das Buch aufmerksam geworden bin ich bei einer Lesung des Autors Denis Gastmann. Mit vielen kurzen Anekdoten und Bildern von seinen Reisen und sehr humorvoll hat er uns durch den Abend geführt, sodass ich gar nicht anders konnte, als das Buch lesen zu wollen. Fazit: ein tolles Buch für alle, die sich auch abseits der großen Touristenziele für die weite Welt interessieren. Probleme werden dennoch kritisch beleuchtet und am Ende kommt auch die Melancholie nicht zu kurz.

„Der Name der Rose“

Ich bin ja kein Masochist, ABER: Das Buch war von vorne bis hinten eine Qual – und ich habe es genossen! Ein Protagonist halluziniert Seitenweise vor dem Kirchenportal und ständig unterhält sich irgendwer mit irgendwem auf Latein, sodass man die meiste Zeit nach der Übersetzung im Anhang blättert. (Ich habe zwar das große Latinum, aber eine 4,5 als Endnote zeugt nicht gerade von profundem Wissen.) „Laaaangweilig!“, möchte man dem Autor zurufen und doch hat mich das Buch mit seiner Geschichte und seinen Geheimnissen gefesselt. Wer sich übrigens erst den Film anschauen möchte, um zu sehen, ob er oder sie das Buch lesen will, sollte das besser lassen: Der Film ist im Vergleich zum Buch einfach nur schlecht.

„Insel der verlorenen Erinnerung“

Auf einer namenlosen Insel gehört es zum Alltag der Menschen, dass Dinge plötzlich verschwinden und sich bis auf wenige Menschen niemand mehr an deren bloße Existenz erinnern kann. Die es doch können, werden von der Erinnerungspolizei gejagt. Zu meinem Buchtipp anlässlich des Indibookdays geht es hier.


Und damit kommen wir zum Ende der 21-für-21-Liste. Als ich vor knapp einem Jahr die Liste fertig zusammengestellt hatte, war ich noch ein bisschen skeptisch, ob es diesmal wohl klappen würde. Nun kann ich stolz sagen: Ja, es hat geklappt – auf ins neue Jahr und damit auf zur 22-für-22-Challenge!

An der aktuellen Liste ist mir aufgefallen, dass ich (abgesehen von Agatha Christie) fast ausschließlich Werke männlicher Autoren gelesen habe. Nachdem ich mich ein wenig mit dem Thema der Ungleichbehandlung von Autorinnen in Besprechungen, Lesekanons und der allgemeinen Wahrnehmung beschäftigt habe, möchte ich für 2022 vermehrt Werke von Frauen lesen. Wie sich das in meiner 22-für-22-Liste niederschlägt, habe ich bisher noch nicht entschieden – einfach mehr Frauen, 50:50 oder ausschließlich Autorinnen?

Es bleibt spannend, aber bis 2022 sind ja noch ein paar Tage Zeit. Wenn alles klappt, melde ich mich dann in einem Jahr mit neuen Leseerfahrungen zurück.

Christian Hohe

Christian Hohe

Christian ist als Ressortleiter des Filmtheaters in der Bücherstadt am liebsten im Kino zu finden. In der richtigen Welt erforscht er keine Fabeln, sondern die Meere.

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