10 Fragen an Ronja Waldgängerin

von | 29.03.2020 | 10 Fragen an ..., Buchpranger, Stadtgespräch

„Sich gegen die Krankheit zu stemmen und bewusst den Widerstand anzutreten, war auch der Grund zu schreiben. So konnte mir Jüngers Bild vom Waldgänger durch die schwere Zeit helfen.“

Auf „Notizen der Waldgängerin“ schreibt Ronja über Literatur – darunter Neuerscheinungen ebenso wie Klassiker zum Beispiel aus der DDR. Im Interview hat sie Worteweberin Annika verraten, wie sie auf den Namen für ihren Blog kam, wie schreiben durch schwere Zeiten helfen kann und wie bei ihr Blog und Studium zusammenhängen.

1. Magst du dich unseren Leserinnen und Lesern kurz vorstellen?

Sehr gerne! Ich bin Ronja, Studentin der Literaturwissenschaft und junge Mutter von einer wunderbaren Tochter. Ich lebe mit Mann, Kind und Hund nun wieder im schönen Frankenland, direkt bei Bamberg. Meinen Blog habe ich vor zwei Jahren eröffnet. Seitdem ist er, neben dem Lesen, zu meinem liebsten Hobby geworden, in das ich gerne und viel Zeit hineinstecke.

2. Wie entstand die Idee zu deinem Blog?

Nach einer schwierigen Zeit wollte ich das Schreiben wieder zurückentdecken. Ich konnte mich aber immer schon schwer überwinden, meine Gedanken aufzuschreiben. Gekaufte Notizbücher und Tagebücher blieben leer. Eine liebe Kollegin aus dem Buchladen sagte mir, dass sie durch ihren Blog regelmäßig zum Schreiben angeregt wird. Also eröffnete ich kurzerhand meinen eigenen Blog, schaute mich bei Instagram um und konnte mich so wirklich überwinden, regelmäßig zu veröffentlichen. Jetzt habe ich zwar immer noch einige Pausen, aber es ist mir viel leichter gefallen, meine Gedanken ohne große Selbstzweifel aufzuschreiben. Das ist wohl ein sehr unkonventioneller Grund für einen Blog, für mich war es aber die beste Entscheidung. Schreiben hilft einfach immer!

3. Und was hat es mit dem Namen deines Blogs auf sich?

Vor Jahren hat mich in Ernst Jüngers Essay „Der Waldgang“ der Gedanke fasziniert, sich gegen seine Urängste zu stemmen und als Waldgänger, als Widerständler, gegen diese anzugehen und sich seiner eigenen Freiheit bewusst zu werden, die nur existieren kann, wenn man selbst frei ist. Sich gegen die Krankheit zu stemmen und bewusst den Widerstand anzutreten, war auch der Grund zu schreiben. So konnte mir Jüngers Bild vom Waldgänger durch die schwere Zeit helfen. Seitdem veröffentliche ich unter Notizenderwaldgaengerin.blog.

4. Du hast Literaturwissenschaften studiert und besprichst auf deinem Blog ja auch viele Klassiker. Was fasziniert dich daran?

Ich habe eigentlich Kunstgeschichte und Geschichte studiert und habe mich dann durch den Blog der Literaturwissenschaft angenähert. Ich bin ein sehr subjektiver Leser und identifiziere mich sehr mit den Gedanken der Autoren. Die Schriften von Hannah Arendt, Virginia Woolf und gerade Christa Wolf haben mich besonders berührt, der unvoreingenommene Blick und das zwanglose Aussprechen von Gedanken in verschiedenen historischen Epochen fasziniert mich immer wieder. Das hat zu der Zeit kein Gegenwartswerk in dieser Intensität geschafft. Ich habe also automatisch mehr zu den älteren Werken gegriffen und dann meine Liebe für Klassiker entdeckt. Um den subjektiven Blick zu mildern, habe ich mich entschlossen, den Master in Literaturwissenschaften zu machen und festgestellt, welches Potenzial die oftmals als eingestaubt wahrgenommenen Werke besitzen.

5. Spielt dein Studium für dich beim Bloggen eine Rolle?

Eher spielt das Bloggen bei meinem Studium eine Rolle. Gerade auf Instagram finde ich immer wieder neue Autorinnen und Autoren, die ich für eine Hausarbeit vorher gar nicht auf dem Schirm gehabt hätte. Ich kann somit nicht nur neue Werke entdecken, sondern auch meine Gedanken vertiefen, die ich dann im Studium anwenden kann.

6. Was macht für dich ein richtig gutes Buch aus, kannst du das verallgemeinern?

Für mich muss ein sehr gutes Buch Gedanken enthalten, die mich nicht nur überraschen, sondern mich vor allem aus einer gedanklichen Komfortzone heben. Das kann ein Buch schaffen, indem es gewisse Themen anspricht, Gedanken in ungewöhnlicher und persönlicher Weise sichtbar macht und/oder dies in einer poetisch, ästhetischen Sprache transportieren kann.

7. „Literatur des Ostens“ heißt eine Kategorie auf deinem Blog. Was sollte ich an Literatur aus und über die DDR unbedingt entdecken, wenn ich es noch nicht kenne?

Mein erster Impuls wäre natürlich Christa Wolf. Aber das wäre viel zu kurz gegriffen und würde vor allem die weniger bekannten Autorinnen und Autoren in den Schatten stellen. Mir fallen hier spontan Franz Fühmann und Brigitte Reimann ein. Es gibt auch für mich noch so viele Werke zu entdecken. Christa Wolf war ein sehr guter Einstieg und hat mir erst die Welt und die Vergangenheit meiner Familie eröffnet.

8. Du bist Mama und auch zu diesem Thema findet man auf deinem Blog einige Tipps. Welche Bücher kannst du jungen Eltern besonders ans Herz legen?

Stellt man sich im Buchhandel vor die sogenannten Erziehungsratgeber, werden kommende und junge Eltern förmlich erschlagen von Tipps, die ihre Kinder und das Leben mit ihnen optimieren sollen. Durch Instagram bin ich in der Schwangerschaft schnell auf Bücher gestoßen, die sowohl bedürfnisorientiert als auch natürlich an das Thema Kinder herantreten. Ich habe für mich vor allem den Kösel Verlag entdeckt, der großartige Bücher von Autorinnen wie Nora Imlau und Nicola Schmidt herausgibt. Diese Autorinnen orientieren sich teilweise am dänischen Familientherapeuten und Autor Jesper Juul, der sowohl die autoritäre Erziehung als auch die antiautoritäre Erziehung beklagt, weil beide auf Kosten des Kindes geführt werden. Sein Bild vom vollwertigen, kompetenten Kind steht für mich im direkten Zusammenhang mit den Gedanken Maria Montessoris. Seine Bücher sind in jedem Fall zu empfehlen, aber ein Blick auf die Seite des Kösels Verlag würde ich jeder werdenden Familie raten.

9. Und erwarten uns auf „Notizen der Waldgängerin“ dann demnächst auch Kinderbuchrezensionen?

Auch wenn ich mich nun vermehrt mit Kinderbuchverlagen auseinandersetze und auch schon einige Bücher zugesendet bekommen habe, wird es bei Notizen der Waldgängerin keine Kinderbuchrezensionen geben. Gefällt mir ein Buch und/oder Verlag besonders, schreibe ich gewiss auch immer mal wieder ein paar Zeilen dazu. Aber es gibt so unglaublich viele und großartige Kinderbuchblogger, auf die ich dann doch lieber aufmerksam machen will. Um nur einige zu nennen, fallen mir sofort @unendlichvielseitig, @lesenslust und @mintundmalve ein.

10. Zum Abschluss darf natürlich die typisch bücherstädtische Frage nicht fehlen: Wenn du ein Buch wärest, welches wäre das?

Das ist schnell beantwortet: „Die Wellen“ von Virginia Woolf

Danke dir für das Interview!

Foto: privat

Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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