10 Fragen an Nordseiten

von | 02.09.2019 | 10 Fragen an ..., Buchpranger, Stadtgespräch

„Also dachten wir, dass es eine schöne Art der Brieffreundschaft wäre, einen Blog zu eröffnen.“

Die beiden Freundinnen Maike und Mareike bloggen seit Jahren über Literatur und das Leben an der Küste. Anfang 2019 haben sie ihren Blog von „Herzpotenzial“ in „Nordseiten“ umbenannt. Wie es dazu kam, wie die beiden neben dem Alltag noch Zeit fürs Bloggen finden und wie sich die Welt der Bloggerinnen und Blogger in den letzten Jahren verändert hat, haben sie Worteweberin Annika im Interview verraten.

1. Hallo ihr zwei! Mögt ihr euch und euren Blog „Nordseiten“ einmal kurz vorstellen?

Mareike: Nordseiten ist ein Freundschaftsprojekt, das mit Maike und mir gewachsen ist. Angefangen hat es während des Studiums mit verschiedenen Themen, doch seit etwa fünf Jahren schreiben wir so ziemlich ausschließlich über Bücher. Vom Kochbuch, über literarische Klassiker, über (vorwiegend weibliche) Gegenwartsliteratur bis hin zu Kinderbüchern schreiben wir über alles, was uns interessiert.

2. Erzählt doch mal, wie es dazu kam, dass ihr einen Blog gegründet habt.

Mareike: Wir haben uns während des Studiums in Göttingen kennengelernt. Dann zog Maike nach Kiel und wir sahen uns nur noch unregelmäßig. Doch jedes Mal hatten wir eine Menge Redebedarf über Bücher – haben nicht selten gleichzeitig das gleiche Buch gelesen. Also dachten wir, dass es eine schöne Art der Brieffreundschaft wäre, einen Blog zu eröffnen.

3. Wie hat sich die Welt des Buchbloggens in der langen Zeit verändert?

Mareike: Überraschend viel! Social Media spielt eine wesentlich größere Rolle. Bilder sind wichtiger geworden, „die“ Buchblogger-Szene also solche gibt es nicht mehr. Es gibt viele kleine Szenen, spezialisiertere Buchblogger. Gefühlt auch größeren Konkurrenzdruck und den stärkeren Wunsch, sich abzusetzen. Natürlich hat sich auch das Verhältnis zu Verlagen und Agenturen verändert. Als wir anfingen, da gab es nur wenige Möglichkeiten, mit Verlagen in Kontakt zu treten – man wusste aber auch gar nicht so recht, warum.

4. Welche Rolle spielen denn die sozialen Medien für euch als Bloggerinnen? Zeitfresser oder Bereicherung?

Mareike: Ich würde sagen, dass sie viel Aufmerksamkeit vom klassischen Blog wegziehen. Immer mehr findet auf Instagram statt. Die Qualität der Bilder, die manche regelrecht über Stunden inszenieren, ist fast genauso wichtig, wie die eigentlichen Rezensionen. Wir sind beide berufstätig und auch privat zeitlich eingespannt, da haushaltet man mehr mit seiner Zeit und überlegt sich genau, ob Facebook, Twitter und Co. für uns so wichtig sind. Die Erkenntnis der letzten Jahre: Nein, für den Blog bringt das kaum neue LeserInnen, es sind nur weitere Plattformen, auf denen man sich darstellt.

5. Was zeichnet für euch gute Bücher aus? Und was macht ihr mit schlechten? 

Mareike: Mit jedem Jahr verändert sich mein Geschmack und Plots, die mich vor zwei Jahren noch umhauen konnten, verlieren nach dem dritten, vierten Mal auch den Reiz. Es wird also langsam immer schwieriger, mich wirklich nachhaltig zu begeistern. Auch hat sich mein Bild auf männliches und weibliches Erzählen in den letzten Jahren sehr verändert. Ich bin kritischer geworden, was sehr konservative Darstellungen von Weiblichkeit oder klischeehafte Erzähltypen in Kinderbüchern betrifft. Ansonsten mag ich die Einteilung in gut und schlecht nicht. Es gibt überraschende, inspirierende Bücher und welche, die wenig Neues bringen. Beides kann je nach Situation passend sein.

Maike: Ob mir ein Buch gefällt oder nicht, weiß ich meistens erst am Ende. Klar, manche lese ich schnell und für andere brauche ich eine gefühlte Ewigkeit, aber auch das ist kein zwingender Hinweis auf die Qualität. Ich kann mich für viele Themen begeistern und lese die unterschiedlichsten Genres (und nicht alle finden auf dem Blog Eingang). Überall finden ErzählerInnen Wege, ihre Geschichten zu präsentieren. Da fällt es mir wirklich schwer, eine Unterscheidung von gut und schlecht zu finden, denn was bei mir funktioniert, finden andere vielleicht schon wieder grauenvoll.

6. Wie viel Zeit geht bei euch so für den Blog und alles ‚umzu‘ drauf? Wie vereinbart ihr das Bloggen mit dem Beruf und der Familie?

Mareike: Früher wesentlich mehr als heute, weil wir seit einiger Zeit wesentlich weniger bloggen. Früher waren es drei Artikel die Woche. Dafür gingen etliche Stunden in der Woche drauf. Jetzt nimmt die Bildproduktion (besonders auch bei Kinderbüchern mit schönen Illustrationen) viel mehr Zeit in Anspruch als früher. Ich kümmere mich inzwischen recht gebündelt um alle Blogthemen. Meist am Samstag, wenn das Goldkind mit Freunden draußen spielt oder abends, wenn ich mal nicht zu müde bin. Während des Studiums hatte ich sehr viel mehr Zeit für Experimente und auch, um nach rechts und links zu schauen: Was machen andere Blogger, welche Themen sind aktuell präsent? Heute bin ich froh, wenn ich mal durch Instagram scrollen kann. 😀 Aber so verändert sich das. Familie und natürlich auch Beruf gehen immer vor.

Maike: Vor allem der Beruf nimmt bei mir immer mehr Zeit in Anspruch. Ich pendle mit der Bahn zur Arbeit und habe so jeden Tag etwas über eineinhalb Stunden Lesezeit. Und meistens lese ich dann auch und versumpfe nicht am Smartphone. Die Blogarbeit findet bei mir nur am Wochenende statt, wenn ich mich einfach hinsetzen und auch mal mehrere Artikel tippen kann. Und da dann auch meistens das Licht am besten ist, versuche ich mich dann auch um Fotos zu kümmern – ganz ähnlich wie bei Mareike. Unter der Woche brauche ich meinen Feierabend, um Kraft für den nächsten Tag zu sammeln und verbringe die Zeit lieber abseits meines Schreibtisches.

7. Apropos Zeitmanagement: Wie groß sind eure SuB (Stapel ungelesener Bücher)?

Mareike: Ich weiß es nicht ganz genau, aber es müssten so um die 60 Bücher sein. Aber einmal im Jahr sortiere ich hier intensiv durch. Man muss nicht zwanghaft jedes Buch lesen, was man irgendwann mal mit nach Hause genommen hat.

Maike: Ich gebe mir von Anfang an Mühe, dass er so klein wie möglich ist und werde immer noch nervös, wenn er zweistellig ist – was mittlerweile fast durchgehend der Fall ist. Aktuell sind es aber nur knapp 15 Bücher und davon sind alleine fünf Exemplare Kochbücher.

8. Anfang des Jahres habt ihr eurem Blog ein neues Gesicht gegeben – aus „Herzpotenzial“ wurden die „Nordseiten“. Wie kam es dazu und was sind jetzt eure Pläne für die Zukunft?

Maike & Mareike: Der Blog entstand während des Studiums – teilweise als Beauty- und Lifestyleblog. Das war ok, damals. Doch heute wohnen wir beide im Norden, würden auch gern unser beider Wahlheimat (Hamburg und Schleswig-Holstein) stärker im Blog stattfinden lassen. Bisher hat die Zeit es aber noch nicht so zugelassen, wie wir uns das vorgestellt haben. Doch insgesamt fühlt sich Nordseiten erwachsener an als Herzpotenzial.

9. Keine leichte Frage, aber habt ihr drei Buchtipps für unsere Leserinnen und Leser? Was sind momentan eure Lieblinge? 

Mareike: Das finde ich immer sehr schwer, weil Geschmäcker so unterschiedlich sind und bestimmte Bücher in bestimmten Lebenslagen perfekt sind und in anderen gar nichts bewegen. Bücher, die mich in letzter Zeit sehr gegeistert haben: „Mildred Pierce“ von James M. Cain, weil es erstaunlich modern den Weg einer alleinerziehenden Frau während der Weltwirtschaftskrise erzählt, „Herkunft“ von Saša Stanišić, weil es ein so kluges, buntes und vor Erzählkunst fast berstendes Buch ist. Und eine ganz dringende Empfehlung ist Mackenzie Lees „Kick-Ass Women“. Das sind 52 grandiose Frauenbiografien, überraschend, divers, für ihre Zeit revolutionär und nie brav. Jede einzelne daraus habe ich gefeiert und musste oft dank des tollen Schreibstils sehr lachen.

Maike: Ich tue mich mit der Frage ähnlich schwer. Gerade hat mich aber Meike Winnemuth mit „Bin im Garten“ sehr begeistert und mir geholfen, meine eigene Dachterrasse noch einmal mit anderen Augen zu sehen. Wer auf der Suche nach einer guten Urlaubslektüre ist, sollte sich Melanie Metzenthins Roman „Im Lautlosen“ ansehen. Ein Zufallstreffer, den ich in meinem Sommerurlaub an einem Nachmittag eingeatmet habe. Und mein All-Time-Favourite: Ben Aaronovitch mit seiner „Die Flüsse von London“-Reihe. Jeder Band begeistert mich aufs Neue!

10. Jetzt noch unsere bücherstädtische Abschluss-Frage: Wenn ihr ein Buch wärt, welches wäre das dann jeweils?

Mareike: Zeitmanagment für den digitalen Nerd. Tanzen Sie auf vielen Hochzeiten und verlieren sie dabei gepflegt den Überblick.

Maike: Wieder mehr JA sagen. To-Do-Listen dreidimensional gestalten und trotzdem Zeit zum Lesen (und Leben) finden.

Foto: Nordseiten

 

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