Zwischen Normalität und Wahnsinn – Abgründe der menschlichen Psyche

von | 06.04.2018 | Belletristik, Buchpranger

Die Psychologin Sarah Marten führt ein intensives Leben und ist damit zufrieden. Doch alles ändert sich, als ihre schwer körperlich und geistig behinderte Schwester Rebekka auf mysteriöse Weise in ihrem Wohnheim verschwindet und immer mehr unheimliche und unerklärliche Dinge passieren. Buchschatzmeisterin Rosi wagt sich „in den Grenzbereich zwischen Normalität und Wahnsinn“ und schaut in die Abgründe der menschlichen Psyche.

Der Psycho-Thriller „Schockfrost“ des Autoren-Duos Petra Ivanov und Mitra Devi beginnt im Prolog mit einer Rückblende. Eine junge Frau in einem weißen Sommerkleid hat sich erhängt. Die Leiche wird von ihrer jüngeren Schwester Lisa gefunden, die daraufhin in Depressionen verfällt und schließlich in einer psychiatrischen Klinik stationär behandelt wird. Hier ist ein Behandlungsansatz das Schreiben eines Tagebuchs. Lisa beschreibt darin ihren Gefühlszustand: „Schockfrost“.

Immer wieder kehrt die Handlung des Thrillers zu Lisa zurück. Stück für Stück enthüllen sich den Lesern dabei wichtige Informationen, um die Gesamthandlung des Romans zu erhellen und verstehbar zu machen.

Mysteriös und verstörend

Der Haupterzählstrang handelt jedoch von Sarah und den mysteriösen Ereignissen in ihrem Leben. Als erstes ist Rebekka in ihrem Wohnheim verschwunden, als Sarah sie wie üblich zum Wochenende abholen will. Zwar wird Rebekka nach einiger Aufregung wiedergefunden, doch es kommt zu Streitigkeiten zwischen Sarah und der Heimleitung. Sie beschuldigt Sarah letztendlich, Rebekka an den Heim-Wochenenden zu misshandeln, denn an jedem Montag entdecken die Pflegekräfte neue Hämatome an ihrem Körper. Verzweifelt und hilflos versucht Sarah, sich gegen diese Vorwürfe zu wehren, doch es gelingt ihr nicht, diese zu entkräften.

Als wäre das noch nicht genug, ist da noch ihr Ex-Mann Kaspar, ebenfalls ein Psychiater und in einer Klinik tätig, der ihr das Leben schwer macht, indem er ihr immer wieder berufliche Inkompetenz vorwirft. Doch ausgerechnet Kaspar überweist einen seiner Patienten an Sarah: Georg Schwartz, den Drachentöter.

Georg Schwartz leidet an Schizophrenie und glaubt sich von allen anderen Menschen bedroht. Nur bei Sarah sieht er das anders: Sie ist eine von den Guten und er glaubt erkannt zu haben, dass sie in großer Gefahr ist. Immer wieder warnt er sie vor den Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung, doch Sarah nimmt ihn nicht ernst. Also muss er sie beschützen und verfolgt und beobachtet die Menschen in ihrem Umfeld. Dabei macht er Entdeckungen, die den Lesern wesentliche Erkenntnisse zum Verstehen der Handlung liefern.

Hochspannung und Action

Eines Tages hat Sarah dann zu Hause einen Unfall und fällt die Treppe hinunter. Von da an plagen sie Kopfschmerzen, Sehstörungen und Gedächtnislücken. Immer tiefer gerät sie in den unheimlichen Strudel der Ereignisse, die von nun an ihr Leben beherrschen. Das Verhältnis zu ihrem Sohn Dave wird immer schlechter. Dave hat sich in eine Internet-Bekanntschaft verliebt, die anscheinend als einzige seine chaotische, pubertierende Gefühlswelt versteht.

Bei dem Versuch, sie in „echt“ zu treffen, gerät Dave mit einer Gruppe junger Leute in eine prekäre Situation, die ihn erpressbar macht. Ein Unbekannter zwingt ihn, aus der Praxis seiner Mutter Psychopharmaka zu stehlen und Rebekka aus dem Wohnheim zu entführen und mitten in der Dunkelheit im Wald auszusetzen. Dave fühlt sich daraufhin nicht gut, rasant verschlechtert sich in der Folge sein allgemeiner Gesundheitszustand. Seine Eltern stehen vor einem Rätsel. Die Ärzte können keine Krankheitsursache finden.

Sarah ist selbst immer weiter angeschlagen. Sie weiß bald nicht mehr, wem sie noch trauen kann. Ein schrecklicher Zustand! Als Dave dann auch noch urplötzlich verschwindet, muss sie handeln. Mit Hilfe einer früheren Studienfreundin findet sie die Ursache für seine Krankheitssymptome heraus: Dave wurde systematisch vergiftet. Und ein Sicherheitsfachmann entdeckt eine versteckte Kamera in Sarahs Praxisräumen. Wer ist für all das verantwortlich? In Sarah kommt ein entsetzlicher Verdacht hoch. Kann das wirklich stimmen?

Rasant nimmt der Thriller im letzten Drittel noch einmal an Fahrt auf und führt die Leser mit Hochspannung und Action zur Auflösung dieses schockierenden Falls.

Prädikat: Sehr empfehlenswert

„Schockfrost“ ist mehr als ein Thriller. Im Mittelpunkt der Story steht die Psychologin Sarah Marten, in deren Leben auf einmal unheimliche und mysteriöse Dinge geschehen, die der Titelfigur den Boden unter den Füßen wegziehen. Sarahs Beziehungen zu den verschiedenen, sehr schön skizzierten Charakteren der Handlung werden erzählt und langsam aufgeschlüsselt. Dabei zeigt sich den Lesern nach und nach, wie verstrickt und verwoben alles und alle miteinander sind. Und wie weit in die Vergangenheit alles zurückreicht, was heute im Hier und Jetzt geschieht.

„Schockfrost“ ist ein sehr gelungener und spannender Psychothriller, der Höchstspannung von der ersten bis zur letzten Seite garantiert. Beim Lesen erleben die Leser die Ereignisse hautnah mit und spüren in ihrem Inneren, wie Sarah sich gerade fühlt. Besonders schön ist das letzte Drittel des Buches, in dem die Handlung noch einmal rasant an Fahrt aufnimmt. Alles in allem ein sehr empfehlenswertes Buch!

Schockfrost. Petra Ivanov & Mitra Devi. Unionsverlag. 2017.

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