Wenn die Vergangenheit eines anderen nach dir ruft

von | 20.11.2016 | Belletristik, Buchpranger

Ein Herrscher, der ganze Machtgefüge zerspringen lässt. Kriegerfreunde, die sich auf ihre eigene Seite stellen und damit zwischen die Fronten geraten. Intrigen, die von denen gesponnen werden, die es sich gar nicht leisten können. Mächte, die entfesselt werden, die zu stark sind, um sie zu kontrollieren. Und ein Held, der am Ende eines findet: Sich selbst. Was wie das Strickmuster eines mittelmäßigen Fantasy-Romans klingt, ist der fulminanter und grandioser Dreiteiler „Kampf der großen Häuser“ von Autor Mark Barnes. Bücherbändigerin Elisabeth hat sich des Meisterwerks angenommen und ist in einer innovativen und großartigen Welt versunken.

Corajidin aus dem Hause Erebus fühlt sich zu Großem bestimmt, obwohl er todkrank ist. Vorsehungen zeigenihm und seiner Familie eine große Zukunft. Wenn ihm da nicht andere im Weg stehen würden. Zusammen mit seinen Kindern, der Kriegssängerin Mari, dem Witwenmacher Belamandris und dem magisch begabten Kasraman schmiedet er Pläne, die ihn unausweichlich über Grenzen hinwegtreten lässt, die man besser nicht überschreitet.

Sein Gegner: Niemand. Die großen Herrscherhäuser leben nach einem bestimmten Verhaltenskodex – ein Ehrenkodex – nebeneinander und schöpfen keinen Verdacht. Lediglich einer, Indris, das Drachenauge aus dem Hause Nasarat, erkennt die wahren Begehrlichkeiten Corajidins. Doch ihm läge nichts ferner, als sich in Politik und Machtgebilde einzumischen. Indris will von der Welt in Ruhe gelassen werden, hat er doch schon so vieles geopfert. Aus verborgenen Machenschaften entsteht ein handfester Bürgerkrieg. Dieser droht sich auszuweiten, sodass Indris schließlich – wenn auch etwas unfreiwillig – durch den Gelehrten-Orden der „Seq“, dem er früher angehört hatte, in die Machenschaften gezogen wird. Nun kann er nicht anders, als die zu retten, die ihm wichtig sind.

Das Reich Shrian und seine Bewohner

Mit „Echos der Vergangenheit“, „Das schwarze Herz“ und „Die Säulen aus Sand“ macht sich Mark Barnes durch eine außerordentliche Fantasy-Reihe bekannt. Das Setting: Eine frei erschaffene Welt, die Wüste und Orient mehr gleicht, als den oft typischen nordisch oder mittelalterlich angehauchten Fantasy-Welten. Die Wesen: ebenfalls neu und spannend. Es gibt zwar auch Menschen in Mark Barnes´ Reichen von Shrian, diese haben aber in der Trilogie keine große Bedeutung. Seethe, Tau-se, Aván. Hier haben Elben und Zwerge keinen Platz. Zudem erhalten die handelnden Figuren so viel Tiefe, Stärken und Schwächen, dass es dem Leser nicht möglich ist, ohne bestimmte Sympathie oder Antipathie an ihnen vorbei zu kommen. Dies ermöglicht dem Autor gleichzeitig aber auch, ein ziemlich weit ausladendes Konstrukt von handelnden Personen zu erschaffen, ohne dass sich diese ähneln oder den Leser überfordern.

Die Magie in Shrian, dem Reich, in welchem das Abenteuer spielt, heißt Disenthropie, die erschaffenen technischen Möglichkeiten erinnern an Steampunk. Die Funktionsweise dieser Art von Magie ist genial durchdacht und beschrieben, sie kommt nicht „einfach so“. In Mark Barnes‘ Trilogie wird nichts dem Zufall überlassen, es gibt keine unbedachten Beschreibungen oder Entstehungen aus dem Nichts. Alles hat seine Geschichte. Die Welt, in der sich der Leser bewegt, basiert auf einem stark durchdachten Fundament und treibt seine Blüten mit dem Fortschreiten der Handlung.

Philosophische Tiefe und fantastische Weite

Der Schreibstil des Werks kann nur als mitreißend, spannend und lückenlos niveauvoll bezeichnet werden. Langatmige Passagen gibt es im gesamten Werk nicht, den Lesefluss unterbricht man als Leser nur selbst, indem man das Buch zur Seite legt – was zugegebenermaßen schwer fällt. Mark Barnes bedient sich einer ausführlichen, aber nicht überladenen Art, seine Welt zu beschreiben. Dabei verwendet er viele, fast schon philosophisch anmutende Vergleiche. Auch die Gespräche zwischen den Gelehrten sind gespickt mit philosophischer Tiefe zu den Fragen, denen sich der Held Indris stellen muss. Der Leser erkennt zweifelsohne die große Leidenschaft, mit welcher dieses Werk durchdacht und schließlich geschrieben wurde.

Die Trilogie rund um das Reich Shrian von Mark Barnes ist ein großartiges Werk, das meiner persönlichen Meinung nach eines der besten Fantasy-Reihen ist, die mir jemals in die Finger gekommen sind. Durchdachte Ideen, spannende Schreibweise und philosophische Hintergründe machen aus dem Abenteuer etwas ganz Besonderes, das wohl nicht in jedem Fantasy-Regal zu finden ist, dort aber nicht fehlen dürfte.

Allerdings muss an dieser Stelle auch die großartige Arbeit der Übersetzerin Waltraud Horbas gelobt werden, die einen grandiosen Erzählstil auf so tolle Art ins Deutsche transportieren konnte, sodass die Magie des Buches nicht in der Übersetzung verloren geht. „Kampf der großen Häuser“ sei uneingeschränkt jedem Fantasy-Freund ans Herz gelegt.

Der Kampf der großen Häuser – Echos der Vergangenheit (Band 1, 2014), Das schwarze Herz (Band 2, 2014), Die Säulen aus Sand (Band 3, 2015). Mark Barnes. Übersetzung: Waltraud Horbas. blanvalet.

 

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