Weihnachtstipps: Sechs Bilderbuchschätze für Kinder

von | 17.12.2017 | Bilderbücher, Buchpranger

Zwischen Weihnachtsvorbereitungen, alltäglichem Trubel und Lichterketten hat Zeichensetzerin Alexa eine Truhe voll Ruhe und Bilderbuchschätze entdeckt. Sechs dieser Schätze hat sie für euch ins Schaufenster des bücherstädtischen Buchladens gestellt – kommt herein, wärmt euch am Kamin auf und stöbert ein wenig!

Helfen und teilen: Die Sache mit den Tigerstreifen

Jasmin Schäfer hat mit ihrem Bilderbuch „Die Sache mit den Tigerstreifen“ ein farbenfrohes Bilderbuch über das Teilen und Helfen gestaltet. Im Mittelpunkt steht der Tiger, der sich eines Morgens auf den Weg macht. Unterwegs begegnet er unterschiedlichen Tieren, die seine Hilfe benötigen. Zunächst versucht der Tiger, einem Hund dabei zu helfen, den Ball vom Baum herunterzuholen. Doch Steine hochzuwerfen, zu klettern, eine Räuberleiter zu machen und den Baum zu schütteln bringt nichts. Erst als der Tiger einige Tigerstreifen vom Fell verliert, schafft er es, eine Leiter zu bauen und den Ball vom Baum zu holen. Der Tiger geht weiter und hilft auf ähnliche Weise noch anderen Tieren: Mit seinen Streifen repariert er zum Beispiel das Dach der Käferfamilie und das Boot der Giraffe.

Am Ende des Tages kehrt der Tiger wieder nach Hause zurück und muss feststellen, dass alle seine Streifen verschwunden sind. Darauf kann er die ganze Nacht nicht schlafen. Doch am nächsten Morgen findet er ein Paket vor seiner Tür…

„Die Sache mit den Tigerstreifen“ ist eine Geschichte, die Freude bereitet, weil sie zeigt, dass gute Taten Gutes hervorbringen können. Was man anderen gibt, kehrt am Ende zu einem selbst zurück – und dies kann viel schöner sein als das, was man zuvor hatte. Nicht zuletzt ist Teilen und Helfen ein wunderbarer Anlass, Freundschaften zu knüpfen. Diese Aussagen und die freundliche Gestaltung des Bilderbuches machen „Die Sache mit den Tigersteifen“ zu einem lesens- und verschenkenswerten Bilderbuch!

Teilen und reimen: Seht mal her, da sitzt ein Bär!

„Seht mal her, / da sitzt ein Bär / auf meinem Stuhl, / so dick und schwer, / und lässt für mich / kein Plätzchen mehr. / Wir beide mögen / uns nicht sehr, / mit einem Stuhl / für Maus und Bär.“

Im Gegensatz zum Tiger im Bilderbuch „Die Sache mit den Tigerstreifen“ fällt es der Maus und dem Bären in „Seht mal her, da sitzt ein Bär!“ von Ross Collins nicht so leicht, den einzigen vorhandenen Stuhl zu teilen. Was auch die Maus versucht – den Bären mit Blicken „wie ein Speer“ anstarren, mit einer Birne vom Stuhl weglocken, kreuz und quer springen und viel mehr – der Bär bewegt sich nicht vom Fleck. Bis die Maus aufgibt und davongeht. Dass aber auch dies Teil eines Plans ist, erfährt der Bär recht bald…

„Seht mal her, da sitzt ein Bär!“ ist ein lustiges, in Reimen verfasstes Bilderbuch zum Thema Teilen. Vor allem auf den letzten Seiten veranschaulicht es, dass etwas erst dann wirklich interessant ist, wenn es auch andere haben wollen. Das Phänomen löst sich auf, sobald die Maus beschließt, davonzugehen. Plötzlich hat auch der Bär keine Lust mehr, auf dem Stuhl zu sitzen. „Seht mal her, da sitzt ein Bär!“ bietet jedenfalls ausreichend Diskussionsstoff für Kinder: Warum will der Bär nicht teilen? Weshalb überlegt sich die Maus diesen Plan? Und wie könnten die beiden das Problem mit dem Stuhl lösen? Ein schönes Buch zum Diskutieren!

Reimen und träumen: Nachts, wenn alles schläft…

„Nachts, wenn alles schläft, / rauscht der Wind in den Bäumen. / Dann geh ich auf Reisen / in meinen Träumen.“

Wer großen Wert auf hochwertig gestaltete Bilderbücher legt, sollte einen Blick in Britta Teckentrups „Nachts, wenn alles schläft…“ werfen. Die Haptik sowie Ästhetik des Bilderbuches vermitteln das Gefühl, etwas Wertvolles in den Händen zu halten. Layout und künstlerische Technik tragen einen wichtigen Teil dazu bei, dass die Bilder anspruchsvoll erscheinen: sich überlappende Bildelemente, verschiedene Grundmuster und Techniken, die an Druck und Collage erinnern. Die Farben sind hierbei überwiegend dunkel und somit zur Thematik passend gesetzt. Es geht um ein Mädchen, das davon träumt, kleine Abenteuer mit ihrem Freund, dem Löwen, zu erleben: durch die Nacht zu fliegen, mit dem Wal zu tanzen, tief ins Meer zu tauchen. Eine schöne, ansprechend gestaltete Geschichte!

Träumen und erfinden: Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben

Weihnachtszeit ist für mich auch immer Märchenzeit. Im Stile eines Märchens ist das wunderschöne Bilderbuch „Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben“ von Pamela Zagarenski gestaltet. Es erzählt auf eine beeindruckende Weise von einem Mädchen, das ein Buch ausleiht, unterwegs aber alle Buchstaben verliert. Wie aber soll es das Buch lesen, wenn die Buchstaben fehlen? Da flüstert eine Stimme: „Liebes Kind, sei nicht enttäuscht. Du kannst dir die Wörter doch ausdenken.“ Und das tut das Mädchen dann auch. Nach und nach entsteht aus den Bildern im Buch ihre eigene Geschichte, die von magischen Wesen erzählt. Der Text ist hierbei so gestaltet, dass man als LeserIn ermutigt wird, das jeweilige Kapitel weiterzuerzählen: „Das war zwar ein wunderbarer Anblick, aber wir mussten schnell etwas unternehmen, damit …“

Mit „Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben“ kann man viel Zeit verbringen, denn sowohl die Geschichte(n) als auch Illustrationen laden dazu ein, in einer Welt voller Magie zu versinken. Viele Details und anregende Motive, die mit den unterschiedlichsten Farbtönen und Formen spielen, animieren zum Verweilen und regen die eigene Fantasie an. Denn längst nicht alles, was man sieht, findet sich auch im Text wieder. Besonders schön finde ich die motivierende Aussage:

„Es gibt keine Regeln, kein Richtig oder Falsch in deiner Vorstellung – Fantasie ist einfach.“

Erfunden oder lebendig: Leos wundersame Reise

Zagarenskis „Leos wundersame Reise“ ist – ebenso wie „Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben“ – ein ästhetisch beeindruckendes Buch. Jede Seite ist ein Kunstwerk für sich! Auch dieses Buch animiert zum längeren Betrachten der Illustrationen, zum Weiterspinnen der Geschichte und Entdecken von nicht beschriebenen Details. Vor allem die Doppelseiten, welche gänzlich ohne Text gestaltet sind, setzen voraus, dass die BetrachterInnen mitdenken und die Handlung anhand der Bilder verstehen.

Inhaltlich geht es um das Kuscheltier Leo als Bezugsgegenstand des Jungen Henry. Dieser liebt seinen Leo sehr und mag sich seit seinem zweiten Geburtstag, als er ihn geschenkt bekommen hat, nicht mehr von ihm trennen. Dass für Henry die Welt untergeht, als Leo nach einem Spaziergang im Wald nicht mehr aufzufinden ist, können seine Schwester und seine Eltern nicht ganz nachvollziehen. Denn Leo ist, ihrer Ansicht nach, nicht wirklich „lebendig“. Für Henry aber ist Leo „genauso lebendig wie seine Mutter, sein Vater und seine Schwester. So wirklich wie ein Baum, eine Wolke, die Sonne, der Mond, die Sterne und der Wind.“

„Leos wundersame Reise“ spricht wichtige Themen an: Zum einen geht es darum, dass der Wert eines Gegenstandes subjektiv ist. Für Henry ist sein Leo von größter Bedeutung, für seine Eltern ist dieser nur ein ersetzbares Kuscheltier. Zum anderen wird die Lebendigkeit thematisiert. Ab wann ist jemand oder etwas lebendig? Und wie lebendig ist Fantasie? Kuscheltiere als Bezugsgegenstände haben für Kinder eine hohe Bedeutung – dieses Bilderbuch nimmt das Thema ernst und macht die Problematik des Unverständnisses sichtbar. Ein Buch, dem ich viele Leserinnen und Leser wünsche!

Lebendige und fantastische Reise: Armstrong

Wer Torben Kuhlmanns Werke („Lindbergh“, „Maulwurfstadt“, „Armstrong“) noch nicht kennt, sollte dies schleunigst nachholen! Ob als liebevoll gestaltetes Bilderbuch oder als spannendes Hörspiel – es lohnt sich, in die unterschiedlichen Welten einzutauchen und das Betrachten der stimmungsvollen Illustrationen ebenso wie das Lauschen der Vorleserstimme zu genießen. Die beiden Hörspiele können als Ergänzung zum jeweiligen Buch betrachtet werden. Und erst der Medienwechsel einer bereits bekannten Welt macht die Geschichte wirklich abwechslungsreich. Während man bei der Bildbetrachtung das Tempo selbst bestimmt, geht es in den Hörspielen so richtig spannend zu!

Mit welchem Werk man beginnt, ist dabei ganz egal. Jedes einzelne von ihnen macht neugierig auf das nächste: Wem das Bilderbuch gefallen hat, der wird auch gerne zum dazugehörigen Hörspiel greifen. Wer das Hörspiel toll findet, freut sich mit Sicherheit auch über das Bilderbuch. Kuhlmanns Werke haben Sammelcharakter. Man möchte sie alle haben! Glücklicherweise kann ich auch für alle eine Empfehlung aussprechen. Das neueste Hörspiel zu „Armstrong“ hat übrigens kürzlich den diesjährigen Kinderhörbuchpreis BEO in der Kategorie „4 – 6 Jahre“ gewonnen. Kein Wunder! Der Jury-Begründung kann ich mich nur anschließen:

„Die geglückte Mischung aus mannigfachen Stimmen, atmosphärischen Geräuschen und der passenden Musik verbindet die einzelnen Szenen plastisch zu einem die Phantasie anregenden Gesamtkunstwerk, das jungen und älteren Hörern gleichermaßen Spaß macht.“ (www.torben-kuhlmann.com)

Die Sache mit den Tigerstreifen. Jasmin Schäfer. Atlantis. 2016.
Seht mal her, da sitzt ein Bär! Ross Collins. Übersetzung: Ebi Naumann. Orell Füssli. 2017.
Nachts, wenn alles schläft… Britta Teckentrup. Prestel. 2016.
Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben. Pamela Zagarenski. Gundula Müller-Wallraf. Knesebeck. 2016.
Leos wundersame Reise. Pamela Zagarenski. Übersetzung: Gundula Müller-Wallraf. Knesebeck. 2017.
Armstrong. Torben Kuhlmann. Inszenierte Lesung mit Musik mit Bastian Pastewka. Der Hörverlag. 2016.

 

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