Unterholz

von | 07.10.2013 | Belletristik, Buchpranger

Es ist ein Genuss, neben den abstrusen Figuren, von Ideen skurrilster Art zu lesen.

*Klick* amazon.de; Cover © FISCHER Scherz

Der Schauplatz des neuen Alpenkrimis von Jörg Maurer ist eine idyllische, schwer zugängliche Alm, unweit vom Kurort und dem Loisachtal, inmitten von Zugspitze, Waxenstein und Hochblassen. Ein perfekter Ort für einen perfekten Mord, für ein undurchsichtiges Seminar und reichlich Unterholz.
„Unterholz“ ist nicht nur Titel, sondern auch der rote Faden. Jedes Kapitel beginnt mit einer erneuten Begriffserklärung oder literarisch-geografischen Verortung: Von Richard Wagner (Siegfried jagt den Drachen im Unterholz) über beliebte Witze asiatischer Comedians (Untelhorz) bis hin zur Feng-Shui-Beratung: (Umarme die Büsche des Unterholzes).

Unter einem Alpenkrimi könnte man sich nun eine harmlose Provinz-Polizei-Geschichte vorstellen, nicht jedoch, wenn sie aus der Feder von Jörg Maurer stammt. Für die skurrilste Fantasie unter den Krimiautoren bekannt, weiß er: „Gerade hinter den Geranien lauert das Grauen“. So findet auf der Alm in Garmisch-Partenkirchen auch kein gewöhnliches Seminar für Manager oder Tanztherapeuten statt, sondern es trifft sich die Crème de la Crème der Ausknipser, die oberste Liga der Profikiller und Auftragsmörder, aus Paris, Tunesien, Italien, Russland, Indien etc. Grandios! Und es werden absonderliche Vorträge abgehalten, z. B. über „Optographie“, die Wissenschaft der Fixierung des letzten Bildes, das ein Lebewesen vor dem Tod sieht. Diese gibt es wirklich, ist aber leider für forensische Analysen unbrauchbar.

Natürlich sind die Teilnehmer undercover vor Ort, nur der Bürgermeister weiß Bescheid. Es hätte nun auch niemand von außerhalb etwas über das kuriose Seminar auf der abgeschiedenen Alm erfahren, wäre nicht gleich am zweiten Tag eine Kursteilnehmerin ermordet aufgefunden worden. Dass es sich bei der Toten um die „Äbtissin“ handelt, eine branchenberühmte Killerin und Meisterin des Spurenverwischens, ahnt das Bestatterpärchen. Allerdings dürfen gerade diese beiden keinen noch so kleinen Verdacht auf sich lenken: Sie haben sich wegen Entsorgens von Leichen für die italienische Mafia ein Berufsverbot eingehandelt … Und während die Spannung mit jedem Kapitel steigt, haben wir überhaupt keine Ahnung, wer der Mörder sein könnte.

Den wunderbar eleganten Humor des Autors, der selbst aus Garmisch-Partenkirchen stammt, erkennt man an den Details: von der Mordinszenierung bis hin zur Schilderung der Tat aus der Sicht der Mordwaffe: Ein Klappspaten der Marke Gartenfreund, die der Mörder nach Gebrauch fein säuberlich putzt und wieder in der Originalverpackung ins Kaufhausregal stellt. Eine herrliche Idee!
Es ist ein Genuss, neben den abstrusen Figuren, von Ideen skurrilster Art zu lesen. Maurers Kult-Ermittler Hubertus Jennerwein lässt sich auch in diesem Buch nicht abschrecken. Es sei diesmal sein abgründigster Fall. Und am Ende frage ich mich, ob der Name zufällig gewählt sei. Ob überhaupt irgendwas zufällig ist im Roman. „In bestimmten Gegenden in den Karpaten ist es Brauch, im Wald Münzen ins Unterholz zu werfen. Einem alten Volksglauben nach hat man pro Münze eine Lüge frei.“

Im September 2013 ist Jörg Maurer mit dem Radio-Bremen-Krimipreis ausgezeichnet worden. Die Begründung der Jury: „Es handelt sich bei den Alpenkrimis nicht um bloße Regionalkrimis, sondern es ist große deutsche Unterhaltungsliteratur.“

Carla

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