Tränen im Schnee

von | 01.03.2018 | Filme, Filmtheater

Mit seinem neuen Film „Wind River“ skizziert Regisseur Taylor Sheridan, der auch das Drehbuch geschrieben hat, eine Szenerie aus Hoffnungslosigkeit und skrupelloser Ungerechtigkeit innerhalb der amerikanischen Indianerreservate. Geschichtenerzähler Adrian und Geschichtenzeichnerin Celina haben sich diesen Thriller im Kino angeschaut.

Während der Suche nach einer Pumamutter und ihren beiden Jungen, welche Nutzvieh gerissen haben, stößt der Jäger Cory Lambert, gespielt von Jeremy Renner („Marvel’s The Avengers“, „Arrival“), im „Wind River“-Indianerreservat im Schnee auf die Leiche der indigenen, 18-jährigen Natalie. Todesursache: Ertrunken an ihrem eigenen Blut, da die Kälte ihre Lungen zum Platzen gebracht hat. Das Seltsamste ist jedoch, dass sie keine Schuhe trägt und mehrere Meilen vom nächsten Haus entfernt liegt.
Für die Ermittlungen entsendet das FBI die junge und noch recht unerfahrene Agentin Jane Banner, gemimt von Elizabeth Olsen („Marvel’s The Avengers“), welche unvorbereitet in den Fall stolpert. Ihr zur Seite steht das Sheriff-Department, welches für dieses Reservat zuständig ist.

Da Banner ebenso wie Lambert und die Polizisten alles Weiße sind, werden sie von den Reservatsindianern als Außenseiter angesehen und dementsprechend behandelt, was die Ermittlungen ziemlich erschwert. Nur Cory, welcher ehemals mit einer indigenen Reservatsbewohnerin verheiratet war, mit der er einen Sohn und eine Tochter hat, scheint eine Verbindung zu den Indianern zu haben. Mithilfe von Corys Jagdkenntnissen und Jane Banners FBI-Marke kommen die beiden auf die Spur eines grausamen Verbrechens.

Eine Geschichte, die unter die Haut geht

Zusammen mit dem grandiosen Filmen „Sicario“ und „Hell or Highwater“ komplettiert sich mit „Wind River“ die von Sheridan erdachte American-Frontier-Trilogie. Die drei voneinander unabhängigen Filme beschäftigen sich mit den Grenzgebieten der USA und den dort herrschenden Problemen und Missständen.

In „Wind River“ etwa wird die Lage der amerikanischen Ureinwohner dargestellt und ihr Leben in den Reservaten. Es wird immer wieder auf die Themen Drogen, Alkohol und Perspektivlosigkeit sowie fehlende Handlungsfreiheit innerhalb der Reservatsgrenzen eingegangen und verdeutlicht, wie wenig Respekt den Stämmen der indigenen Bevölkerung Nordamerikas entgegengebracht wird.

Eine sich ergänzende Besetzung

Jeremy Renner transportiert in seiner Rolle des Jägers Cory Lambert gleichermaßen die Mentalität eines mitfühlenden Familienmenschen und die eines einsamen Wolfes. Er bewegt sich zwischen den Grenzen der weißen amerikanischen Bevölkerung und der indigenen. Auch Elizabeth Olsen kann in ihrer Rolle als unerfahrene FBI-Agentin überzeugen. Jane Banner ist stetig damit beschäftigt der Verantwortung gerecht zu werden, welche ihr ihre Marke auferlegt. Gleichzeitig gerät sie immer wieder in Situationen, die sie hart an ihre nervlichen Grenzen bringen.

Neben Renner und Olsen liefert auch der indigene Schauspieler Gil Birmingham („Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen“, „Hell or Highwater“) eine glaubhaft emotionale Rolle als Natalies Vater Matin Hanson ab. Seine Familie verkörpert viele der Probleme, welche der Film aufzuzeigen versucht. Der Vater, welcher an den alten aussterbenden Traditionen festhält, der Sohn, der aus Perspektivlosigkeit den Drogen verfallen ist, die Tochter, die einer grausamen Gewalttat zum Opfer fällt, sowie die Mutter, welche das ganzen Elend nur noch mit selbstverletzendem Verhalten ertragen kann.

Eine Atmosphäre von eiskalter Schönheit

Sheridan schafft es mit dem Zusammenspiel von Bildern und Musik beziehungsweise Geräuschen die Hoffnungs- sowie Trostlosigkeit dieses Ortes ausdrucksstark zu transportieren. In manchen Momenten hört man nur die Stille der Natur, das Knacken des Schnees unter den Füßen oder sehr minimal unterlegte Musik, die etwa von Nick Cave beigesteuert wurde. Wo bei den Kameraaufnahmen der unberührten Natur noch eine angenehme Ruhe mitschwingt, kommt eine Schwere auf, wenn es um die heruntergekommenen und beinahe gettoisierten Reservatsdörfer geht.

Ein Funken Kritik

Für kurze Verwirrung sorgt eine überraschende Rückblende, auf welche der Film ansonsten verzichtet. Zwar ist der Übergang von der Gegenwart in die Vergangenheit fließend, trotzdem sorgt dies für einen Moment der Orientierungslosigkeit. Zudem erscheint diese Rückblende etwas fehl am Platz: Der Inhalt dieses Szenenwechsels wurde anschließend erneut in kurzen Sätzen dargestellt, sodass dieser Rückblick den Film um mehrere nicht notwendige Minuten verlängerte.

Fazit

Mit fantastischen sowie emotionalen Bildern und einer authentischen Besetzung zeigt „Wind River“, auf der Grundlage eines Thrillers, das Leben innerhalb der amerikanischen Indianerreservate auf. Trotz des schweren Themas hat man nie das Gefühl, Sheridan würde mit seiner Geschichte mit einem schuldzuweisenden Finger auf einen zeigen. Stattdessen geht man mit offeneren Augen aus dem Kino und wird zum Nachdenken angeregt. Seltsamerweise ist der Film in Berlin, trotz der recht bekannten Besetzung, nur in vereinzelten, zum Teil recht kleinen Kinos zu sehen.

Wind River. Regie und Drehbuch: Taylor Sheridan. Darsteller: Jeremy Renner, Elizabeth Olsen, Gil Birmingham u.a. Wild Bunch Germany. 2017.

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