„Spielst du auf deinem Spielplatz?“

von | 23.08.2015 | Belletristik, Buchpranger

Was wollen wir eigentlich im Leben erreichen? Welchen Sinn sehen wir in den Dingen, denen wir tagtäglich nachgehen? John Streleckys Buch „Wiedersehen im Café am Rande der Welt“ erschien pünktlich vor Urlaubsbeginn, als wollte es dem einen oder anderen Zweifler einen Schubs in Richtung Lebensfreude geben. Ein Buch über den Mut, das Leben zu leben, das man leben will. – Von Zeichensetzerin Alexa

Ich gebe zu, anfangs sehr skeptisch gewesen zu sein, nicht zuletzt wegen des Untertitels „Eine inspirierende Reise zum eigenen Selbst“. Aber ein Blick ins Buch gab mir das Gefühl, dass es sich hierbei um eine kurzweilige Urlaubslektüre handeln könnte. Die kurzen Kapitel von nur wenigen Seiten und die Illustrationen von Root Leeb erweckten den Eindruck einer lockerleichten Lektüre. Eine, die man mit zum Strand oder in den Garten nimmt, um bis zum Sonnenuntergang zu lesen. Dies mag eine kitschige Vorstellung sein, genauso wie die ersten Seiten des Buches kitschig klingen, aber hinter all dem stecken viele tiefsinnige Gedanken.

Zugegeben, die Dialoge wirken sehr gestellt und alles andere als realistisch. So würden „normale“ Menschen wohl kaum miteinander sprechen, wenn sie sich zum ersten Mal begegnen, und auch die Art wie ein siebenjähriges Mädchen argumentiert, entspricht sicherlich nicht der Realität. Schnell entsteht der Eindruck, dass der Autor seine Theorien und Gedanken loswerden will und dafür fiktive Charaktere als Vermittler braucht. Wenn man sich diesem Aspekt aber bewusst wird, beginnt man das Buch auf einer anderen Ebene zu lesen.

Ein Café, das dein Leben verändern wird

Es beginnt alles in einem Café am Rande der Welt. „Warum am Rande der Welt?“ wird man sich vermutlich fragen. Auch die Protagonistin Jessica, die zufällig an diesen Ort gelangt war, ist überrascht über die eigenartige Atmosphäre. Als sei dieser Ort der Erde fern, weit weg vom Trubel des Alltags. Vor allem für sie, die das Gefühl hat, nur für ihren Job zu leben, ist das Café wie eine rettende Insel inmitten des weiten Ozeans. Erzählt wird im unregelmäßigen Wechsel aus ihrer Sicht (Sie-Form) und der des Ich-Erzählers. Bei diesem handelt es sich um John, der früher einmal ein gestresster Manager war – bis er das Café gefunden hat.

Als Jessica das Café betritt, weiß er, in welcher Lage sie sich befindet und kann verstehen, wie sie sich fühlt. So wie er einst, muss nun auch sie Antworten auf drei Fragen finden: „Warum bist du hier? Spielst du auf deinem Spielplatz? Hast du MPS? (Multiple Persönlichkeitsstärke)“ Eigenartig erscheint Jessica die Situation, der Ort, die Menschen. Alles um sie herum ist so anders als in ihrer normalen Welt. Aber bald entschließt sie sich, die Reise „zum eigenen Selbst“ anzutreten. Die Gespräche mit den Menschen, die sich hier befinden, helfen ihr, den richtigen Weg zu finden.

Das Universum sieht zu

Menschen reden gerne – über die Arbeit, die Kinder, ihre Wünsche, ihre Lebensziele. Aber selten setzen sie ihre Vorhaben in die Tat um. Auch wenn einem klar ist, wie sinnlos es ist, sich über die Arbeit zu ärgern, ohne etwas dagegen zu tun: meckern scheint die gängige Lösung zu sein für alles. Doch das Universum sieht zu. Es sieht, dass wir viele Stunden im Büro verbringen und glaubt, dass es uns Spaß macht, denn sonst würden wir nicht so viel Zeit mit dieser Arbeit verbringen – und schickt uns weitere Arbeit in diesem Bereich. Dabei ist das Universum gar nicht böse gestimmt. Es passt sich nur unserem Verhalten an. Sobald wir eine Tätigkeit finden, die uns wirklich Spaß macht, in einem Tätigkeitsfeld, in dem wir gerne Zeit verbringen, belohnt uns das Universum auch hier wieder mit mehr Arbeit in diesem Bereich. Dies zu bestimmen liegt in unserer Hand.

Big Five for Live

Was ist denn nun der Sinn des Lebens? Diese Frage zu beantworten ist gar nicht so einfach. Das weiß auch der Autor und bietet deshalb eine Lösung an: wenn man diese große Frage nicht beantworten kann, dann zerteile man sie in fünf Teile. Welche fünf Dinge sind einem im Leben so wichtig, dass sie das Leben lebenswert machen? Was will man erreichen? Was will man unbedingt im Leben gemacht haben? Die Antworten darauf bieten uns Ziele im Leben, eine Richtung, die wir einschlagen können und etwas Hoffnung, wenn uns der Alltag wieder packt. Eins dieser fünf Dinge könnte sein: Reisen. Wenn man unbedingt reisen will, dann arbeitet man darauf hin und man weiß, wofür man das macht. Aber auch hier gilt wieder: Nur reden bringt nichts, man muss auch machen!

Man lebt nur ein Mal

Neben diesen Theorien werden auch noch viele weitere Gedanken geäußert. Nicht selten habe ich mich dabei gefragt, inwieweit das realistisch bzw. umsetzbar ist. Kann ich tatsächlich von jetzt auf gleich meine Tasche packen und losziehen, nur weil ich reisen will? Bin ich bereit, andere Dinge dafür zu opfern? Man muss die Ansätze, die hier beschrieben werden, nicht genauso umsetzen. Aber man kann sich davon inspirieren lassen. Und so werde ich mich nun den drei Fragen widmen und meinen „Big Five for Live“, um meine Kraft in Dinge zu stecken, die mir etwas bringen. Denn vor allem hat mir dieses Buch in Erinnerung gerufen: Man lebt nur ein Mal.

Wiedersehen im Café am Rande der Welt. John Strelecky. Illustration: Root Leeb. Übersetzung: Bettina Lemke. dtv. 2015.

[tds_note]„Wiedersehen im Café am Rande der Welt“ ist die Fortsetzung von „Das Café am Rande der Welt“. Der zweite Teil kann allerdings auch gelesen werden, wenn man den ersten nicht kennt. Der Autor lebt in Florida und veranstaltet Workshops und hält Vorträge, die Menschen dabei helfen sollen, den Sinn des Lebens zu finden. Auch in Deutschland: jsandfriends.com. Weitere Informationen und eine Leseprobe gibt es hier.[/tds_note]

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