Michael Haitel im Interview

von | 28.09.2016 | Buchpranger

Wenn ich ein Buch auswählen sollte und ich alle möglichen Genres zur Verfügung hätte, würde immer ein Krimi gewinnen. Oder ein Thriller. Das heißt nicht, dass ich nicht immer noch gerne auch gute Science-Fiction lese, aber eigentlich sind meine Vorlieben viel einfacher umschrieben: Ein gutes Buch muss es sein.

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Der Verlag p.machinery ist ein sehr ambitionierter Kleinverlag für Primär- und Sekundärliteratur, unter der Federführung von Michael Haitel. Die Veröffentlichungen sind meist in den Genres Science-Fiction oder Fantasy beheimatet. Im Rahmen unserer Aktion, besonders die kleinen, aber feinen Verlage vorzustellen, darf ebendieser Verlag nicht fehlen und so hat sich Zwischenzeilenverstecker Marco einfach mal an den Chef persönlich gewandt.

BK: p.machinery – ein ungewöhnlicher Name für einen Verlag. Sicher ist es eine Frage, die dir oft gestellt wird, aber wie kam es zu ebendiesem?

MH: Ich finde den Namen nicht ungewöhnlich. Er bedeutet nichts anderes als “Propagandamaschinerie“ – kann es einen geileren Namen für einen Verlag geben?
Und wie er zustande kam, ist fast naheliegend, wenn man weiß, dass ich gebürtiger Düsseldorfer und langjähriger Fan elektronischer Musik bin. Stichwort: „Propaganda“. Die Düsseldorfer Band hat in ihrer ursprünglichen Besetzung in den 80ern schon Musik gemacht, die heute noch auf jedem Dancefloor rockt – und „P-Machinery“ war einer ihrer Titel. Daraus eine „Propagandamaschinerie“ zu machen war allerdings nicht einmal naheliegend – bevor ich 2003/2004 einen Verlag daraus machte, existierte unter diesem Namen eine kleine Computerfirma.

BK: Die zwei großen Hauptthemen bei p.machinery scheinen Science-Fiction und Fantasy zu sein. Deckt sich das mit deinen eigenen Genrevorlieben?

MH: Nein. Wenn ich ein Buch auswählen sollte und ich alle möglichen Genres zur Verfügung hätte, würde immer ein Krimi gewinnen. Oder ein Thriller. Das heißt nicht, dass ich nicht immer noch gerne auch gute Science-Fiction lese, aber eigentlich sind meine Vorlieben viel einfacher umschrieben: Ein gutes Buch muss es sein. Wenn es ein Liebesroman ist – voilà, dann eben ein Liebesroman.

BK: Außerdem finden viele Anthologien Platz im Programm. Ist das mittlerweile eine Art zweites Standbein?

MH: Eigentlich ist das mein Hauptstandbein. Ich mag Kurzgeschichten – jedenfalls immer lieber, als eine Schwarte oder eine Multilogie. Kurzgeschichten haben eine ganz eigene Technik, eine ganz eigene Fähigkeit, einen Leser – mich! – zu packen und zu faszinieren. Es ist toll, wenn ein Autor ein Universum ausarbeiten und mit Leben erfüllen kann – toller ist es, wenn man in einer Kurzgeschichte eine Andeutung von einem Universum bekommt und den Rest selber machen kann.

BK: Gibt es Genres oder Themen, die noch nicht im Verlag erschienen sind, die du aber gerne etablieren würdest?

MH: Ja. Neben den bislang zwar bestehenden, aber nicht sehr lebendigen Reihen „ErlebnisHunde“ und „ErlebnisMalta“ habe ich noch eine neue Reihe im Hinterkopf, die „Küstenkrimis“ heißen wird. Da werden sich genau solche Krimis finden, die man mit dem Namen verbindet: Krimis, die an Meeresküsten und auf Inseln spielen. Nordsee, Ostsee, Hamburg, aber auch Malta, Mallorca, Kanaren, Kapverden. Das Meer muss eine Rolle spielen. Ich weiß, dass solche Krimis bereits zuhauf erscheinen; ich bin Fan von Klaus-Peter Wolfs Ostfriesenkrimis. Aber das ist mir egal. Nicht zuletzt auch, weil es zum Beispiel noch keine richtigen Krimis gibt, die auf Malta spielen.

BK: Wie viel Zeit investierst du in den Verlag und wie machst du das mit dem eigentlichen Broterwerb?

MH: Ich bin in der glücklichen Lage, keinen Weg zur Arbeit zurücklegen zu müssen; das spart viel Zeit, die man für sinnvollere Dinge aufbringen kann. Da ich in dem Netzwerk lebe, das ich hauptberuflich unter meiner Fuchtel habe, habe ich keine festen Arbeitszeiten – aber auch die Möglichkeit, praktisch gleichzeitig hauptberuflich und für meinen Verlag aktiv zu sein. Ich kann also zwangsläufige Leerlaufzeiten im Hauptberuf privat nutzen und kann zu Zeiten, zu denen andere Leute längst Feierabend gemacht haben, ungestört noch hauptberufliche Dinge erledigen.

BK: Ich habe über deine Vorliebe für Malta, im Speziellen für Gozo, gelesen und kann diese absolut nachvollziehen, denn ich durfte beide Inseln ebenfalls kennenlernen. Was fasziniert dich an diesem Inselstaat?

MH: Malta war für mich Liebe auf den ersten Blick. Als ich 1994 erstmals dort war, hat es einfach nur „Klick“ gemacht.
Abgesehen davon, dass Malta für jemanden, der einigermaßen gut Englisch kann, das perfekte Reiseziel ist, sind die Inseln auch hochkonzentrierte Kultur pur. Das ist europäische Geschichte – begonnen mit den Megalithkulturen – in reinster Essenz.
Aber natürlich habe ich auch da Vorlieben. Die maltesischen Kirchen sind für mich die schönsten der Welt, sie sind schmuckvoll und elegant, ohne übertrieben pompös zu sein. Wer eine maltesische Kirche kennt und die Wieskirche hier in Oberbayern zum Beispiel, der weiß, was ich meine. Und die Malteser, immer noch zu weit mehr als neunzig Prozent Katholiken, pflegen einen ganz einzigartigen Umgang mit ihrer Religion und ihren Kirchen. Man muss es mal erlebt haben, wie die Kirchen auf Malta in der Woche vor Ostern hergerichtet werden – es ist unglaublich! Aber ich glaube, ich gerate ins Schwärmen …

BK: Wie sieht die Zukunft von Science-Fiction und Fantasy, deiner Meinung nach, aus?

MH: Es geht weiter. Es werden weiterhin dicke Schinken, Schwulstologien <hähä> geschrieben, viel Mist, natürlich – das ist einfach immer so-, aber auch viele gute Texte. Verlage werden gemeinsam mit Agenten und Autoren auch weiterhin versuchen, Science-Fiction als Genre zu verschweigen – „Thriller“ verkaufen sich halt besser, weil keiner was dazu tut, Science-Fiction ein vernünftiges Image zu geben –, und die moderne Tricktechnik wird auch weiterhin geile, geilste und allergeilste Filmstoffe auf die Leinwand bringen. Wer Science-Fiction und Fantasy totreden will, der soll das mal machen. Derweil können sich die Leute, die was Besseres zu tun haben, darum kümmern, was Besseres daraus zu machen.

BK: Horror hat sich ebenfalls als Reihe bei p.machinery etabliert. Sind hier weitere Bücher in Planung?

MH: Natürlich. Als nächste Titel stehen zwei Anthologien und ein Roman an. Die Anthologien sind die von Patrick Schön herausgegebenen „Schatten der Vergangenheit“, ein Projekt des derzeit eher brachliegenden Anthologieforums, und Corinna Griesbachs „Monster of the Week“. Und der Roman wird ein Horrorwestern von Torsten Scheib sein.

BK: Eine für mich besondere Thematik ist die Musik. Auch diese hast du innerhalb einiger Anthologien literarisch verarbeitet. Liegt dieses spezielle Genre in einer persönlichen Beziehung zur Musik begründet?

MH: Manchmal ja, manchmal nicht. Der eigentliche Auslöser war Karla Schmidts Anthologie „Hinterland“, die von David Bowies Musik inspirierte Geschichten präsentierte. Die Idee war damals vermutlich schon nicht mehr neu, aber auf jeden Fall gut.
Die bisherigen „Musikanthos“ haben unterschiedliche Ausgangspunkte. Die ersten beiden, „Die große Streifenlüge“ (Kate Bush) und „Enter Sandman“ (Metallica) basierten auf meinen eigenen Vorlieben. „Was geschah im Hotel California?“ war ein Projekt der „Geschichtenweber“ und basierte natürlich auf dem endlos berühmten Eagles-Titel. „Nebelmelodie“ war eine Idee der kürzlich und leider viel zu früh verstorbenen Tedine Sanss, basierend auf der Musik des Norwegers PelleK; ich selbst hatte bislang noch nicht mal die Gelegenheit, mir seine Musik anzuhören. Und „p.graffiti“, die Anthologie zum 10jährigen des Verlages, war auch wieder eine Anregung von mir.
Es wird noch mehr solcher Anthologien geben, deren Geschichten durch Musik inspiriert werden. Die Ausschreibung zu Spliffs Album „85555“ läuft ja noch bis 30.11.2016 – aber ich habe schon neue Ideen in petto.

BK: Zu guter Letzt die obligatorische Bücherstadt-Kurier-Frage: Wenn du ein Buch wärst, welches wärst du?

MH: American Psycho“ von Bret Easton Ellis.

BK: Vielen Dank und weiterhin frohes und erfolgreiches Schaffen!

Foto: privat

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