Liebe liegt in der Luft – der Weltuntergang auch

von | 11.06.2016 | Buchpranger, Graphic Novels, Comics, Manga

Ms_Marvel_3Ein Herz für nerdige Superheldinnen beweist Buchstaplerin Maike erneut, indem sie sich den neuen Sammelband um „Ms. Marvel“ vornimmt, der bei Panini erschienen ist.

Der Valentinstag verschont auch Kamala Khan alias Ms. Marvel nicht – aber wie es sich für eine nerdige Superheldin gehört, verläuft der Tag etwas anders. Niemand anderes als Loki mischt den vermeintlich romantischen Tanzabend auf. Nicht nur deshalb hat Kamala die Nase voll von Romantik. Weder ihr bester Freund Bruno noch der Gedanke an einen von ihren Eltern ausgewählten Zukünftigen können sie begeistern. Immerhin gilt es andere Inhumans in New Jersey zu bekämpfen, die ihre Kräfte missbrauchen. Doch dann steht Kamran in ihrem Wohnzimmer: Pakistani, gebildet, gutaussehend, kurzum der perfekte Schwiegersohn – und er teilt selbst Kamalas nerdigste Interessen. Zu perfekt, um wahr zu sein?

Doch es bleibt nicht viel Zeit für die erste Liebe und den ersten Liebeskummer – ein Planet rast auf die Erde zu und droht alles zu zerstören. Noch dazu haben die bösen Inhumans Kamalas Bruder entführt. Wie kann Kamala die Menschen, die ihr am wichtigsten sind, beschützen, wenn im wahrsten Sinne des Wortes die Welt untergeht? Natürlich mit der Hilfe von ihrem Idol Captain Marvel – doch ist das genug?

Spagat zwischen Tradition, Nerdkultur und amerikanischem Teenagerleben

Dieser Sammelband verhandelt wie gewohnt sehr locker und mit Augenzwinkern Kamalas Spagat zwischen Tradition, Nerdkultur und amerikanischem Teenagerleben. Doch während zuvor gesamtgesellschaftliche Probleme der Jugend von heute im Fokus standen, setzt „Der Ernst des Lebens“ darauf, Kamalas Gefühlsleben zu beleuchten. Die erste Hälfte ist dabei die Schwächere, was an dem Zusammenspiel von Inhalt und Artwork liegen mag.

Während Miyazawas Zeichnungen zwar in ihrer Anlehnung an Manga-Ästhetik sehr schön und gerade Kampfszenen sehr dynamisch sind, scheint etwas zu fehlen. Dieses Etwas ist schnell identifiziert: Miyazawas Kapitel wirken viel zu glattgebügelt und die Figuren unnötig aufgehübscht, was im Vergleich zu den gewohnten kritzelig-detaillierten Zeichnungen von Alphona mit ihrem hintergründigen Witz verblasst. Und diese Plattheit korrespondiert mit dem Plot, der ab dem zweiten Kapitel etabliert wird: Kamalas Schwärmerei für Mr. Perfect Kamran im Einklang mit Brunos unerwiderten Liebe für die beste Freundin wirken wie eine beliebige Dreiecksgeschichte.

Überhaupt kommt Kamalas Verliebtheit sehr plötzlich und scheint nicht zu der Heroin aus den vorangegangenen Bänden zu passen, die wiederholt bewiesen hat, dass sie misstrauisch gegenüber dem ist, was zu gut scheint, um wahr zu sein. Umso plakativer ist dann auch die überraschende Wende, die der Aufhänger für Kamalas Liebeskummer wird.

Charakteristische Zeichnungen und amüsante Details

Erst mit den Kapiteln „Endzeit“ übernimmt wieder Alphona das Artwork und gleicht mit den charakteristischen Zeichnungen und amüsanten Details die ermüdende Liebesgeschichte sowie den Ernst aus, den die Apokalypse so mit sich bringt. Im Angesicht des drohenden Weltuntergangs legt Kamala ihre Unsicherheiten ab und besinnt sich darauf, was das wichtigste ist – für sie und für andere. Ergreifende Konfrontationen mit Freunden und Familie lassen dabei nicht auf sich warten, aber es wird nicht so sehr auf die Tränendrüse gedrückt, wie man vermuten könnte.

Alles in allem ein recht realistischer Umgang damit, was man an seinem letzten Tag auf der Welt machen würde. Man kann daher nur spekulieren, ob Panini aufgrund dieser qualitativen Zweiteilung in einem dicken Band die Handlungsbögen zusammengeführt hat, die im Original auf zwei Bände verteilt gewesen sind.

Fragen bleiben offen

Was bei „Der Ernst des Lebens“ auffällt, ist, dass der Plot stärker mit anderen Handlungen und Events des Marvel-Universums verflochten scheint, als es bei anderen Reihen der Fall ist. Das geht nie so weit, dass man nicht mehr mitkommt, aber ohne Wissen um die Inhuman-Reihe, das Axis Crossover und Secret Wars Event, bei dem tatsächlich das Marvel-Universum untergeht, bleiben zwangsläufig Fragen offen. Das ist einerseits schade für diejenigen, die andere Reihen nicht verfolgen und kann zu Lesefrust führen, den auch Recherche zu den offenen Fragen (Was geschieht mit Königin Medusa? Warum ist Loki Agent von Asgard? Warum stürzt ein Planet auf Manhattan???) nicht besänftigen kann. Andererseits sind so Cameo-Auftritte anderer Figuren möglich, die zu einem großen Gesamtbild beitragen und die fiktionale Welt bereichern.
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Nicht mehr ganz so stimmig und aus sich selbst heraus verständlich wie die vorherigen Bände – aber immer noch unterhaltend und intelligent. G. Willow Wilsons Ms. Marvel zeigt, dass man auch dem Ernst des Lebens mit geekigem Charme und Unsicherheiten entgegentreten kann.

Ms. Marvel 3: Der Ernst des Lebens. G. Willow Wilson. Zeichnungen: Elmo Bondoc, Takeshi Miyazawa, Adrian Alphona. Übersetzung: Carolin Hidalgo. Panini Comics. 2016.

 

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