Lesen auf Portugiesisch

von | 04.05.2016 | Buchpranger

Literatur im Urlaub Worteweberin Annika hat für drei Wochen die Bücherstadt hinter sich gelassen, und stattdessen die Algarve im Süden Portugals erkundet. Was sie dort über Bücher und das Lesen herausgefunden hat, berichtet sie hier.

Anfang März geht es los: Ich steige morgens ins Flugzeug nach Lissabon, im Gepäck reichlich Lektüre, um die nächsten drei Wochen zu überstehen. Fünf Romane, drei davon für ein Seminar im nächsten Semester. Abends komme ich schließlich in der Nähe von Lagoa an, in einer gemütlichen Ferienwohnung mit Blick aufs Meer. Die Lektüre ist da schon ein bisschen in Vergessenheit geraten, immerhin gibt es hier viel zu entdecken!

Die Ruine des Dichters

So mache ich mich auf, die Algarve zu erkunden. Aber ganz lässt mich das geschriebene Wort dabei nicht los. Im kleinen Bergdorf Alte laufe ich an einem Schild vorbei, hier steht das Geburtshaus des Poeten Cândido Guerreiro. Seinen Namen trägt hier auch eine Schule und eine Straße, einige Verse aus seinen Gedichten stehen an einem Amphitheater in der Nähe. Anscheinend ist der hier richtig bekannt! Im Internet kann ich trotzdem nichts über ihn herausfinden, jedenfalls solange ich kein Portugiesisch lerne. Das Dach des Geburtshauses von Guerreiro ist halb eingestürzt, innen im Hof wachsen kleinere und größere Pflanzen und eine hat sich sogar bis auf die Treppe vorgewagt, die wohl in den ersten Stock führt. Es riecht muffig. Wie gemütlich.
Aber die Leute hier haben wahrscheinlich einfach andere Sorgen, als alte Häuser herzurichten. Vielleicht auch andere als zu lesen?

Etwas zu lesen

Eine Buchhandlung entdecke ich in den drei Wochen jedenfalls nirgendwo. Das kann daran liegen, dass die Städtchen hier ziemlich klein sind. Fußgängerzonen wie in Deutschland gibt es eher nicht. Im Supermarkt finde ich einige Romane, neben Zeitschriften und Malbüchern. Die Autoren kenne ich nicht, nur von Nora Roberts habe ich schon einmal gehört und bringe sie mit schmalzigen Schnulzen in Verbindung. Auf dem Cover ist das Meer abgebildet und alles wirkt sehr idyllisch. Das kommt also hin.
Überhaupt kenne ich keine portugiesischen Schriftsteller, stelle ich fest. Nur Paolo Coelho, aber der ist aus Brasilien. Auf wikipedia entdecke ich eine Liste, aber von den Namen habe ich noch nie etwas gehört: José Saramago hat sogar den Literaturnobelpreis gewonnen, António Lobo Antunes ist laut Internet zumindest Anwärter darauf, und Goncalo M. Tavares soll sogar in Deutschland sehr bekannt sein. Geschrieben wird in Portugal also doch. Ich habe es nur noch nicht gelesen. Aber vielleicht lässt sich die Bildungslücke bald schließen.

Ferienhausbibliothek zum Verlieben?

In der Ferienwohnung gibt es unter dem Fernseher sogar eine kleine Bibliothek. Wie das Fernsehprogramm, so ist auch das Leseprogramm hier komplett auf Deutsch. Die Genres sind recht gemischt: Historienromane stehen neben Liebesgeschichten, Reiseführern und Krimis. „Inseln der Liebe – 3 Erfolgsromane für nur € 4,95!“ zum Beispiel sieht aus wie die Groschenromane, die man am Bahnhof kaufen kann. Die Geschichte „Der Playboy von Tobago“ darin macht mich fast schon neugierig, aber bis dahin hat der oder die LeserIn es gar nicht mehr geschafft, denn…
In Kapitel fünf von „Du bist eine einzige Versuchung“ klemmt eine Postkarte aus Lissabon als Lesezeichen. So groß war die Versuchung dann wohl doch nicht. „Duft der Leidenschaft“ steht nur einige Zentimeter weiter, ein weiteres Kuriosum, auf dem Cover umarmen sich eine blonde Frau und ein muskulöser Mann, natürlich nackt, aber durch wehende Tücher von den Augen der Betrachter verborgen. Allein das ist schon ein Klischee, und auch die paar Sätze, die ich darin aufschnappe, bringen mich zum Schmunzeln.
Irgendwer hatte hier eine extrem romantische Ader. Zum Glück ist die Auswahl größer. Im „Lexikon der populären Irrtümer“ lerne ich, dass das Ei des Kolumbus eigentlich gar nicht auf seinem Mist gewachsen ist, an welchem Wochentag Aktienkurse eigentlich fallen und dass Einstein seinen Nobelpreis gar nicht für die Relativitätstheorie bekam. Woher die Bücher hier kommen, kann ich jedoch nur erraten. Vielleicht haben ehemalige Gäste sie hier gelassen? Doch warum? So richtig begeistert mich in dieser Bibliothek jedenfalls keines der Bücher, aber das muss ja auch nicht sein. Eine schöne Idee ist es trotzdem.

Schließlich geht es zurück nach Deutschland, von den fünf Büchern aus meinem Koffer habe ich immerhin drei gelesen. Die sind jetzt voller Sand und erinnern mich hoffentlich immer an einen wunderschönen Urlaub. Literaturtechnisch ist Portugal leider weiterhin ein weißer Fleck auf meiner Landkarte geblieben – noch.

Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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