Leben in der Matrix? Nein, danke!

von | 26.02.2018 | #philosophiestadt, Filmtheater, Specials

Das Gefühl, das die Serie „Blackmirror“ bei vielen Zuschauern auslöst, ist Unruhe. Die technischen Gadgets, welche die Folgen zeigen, sind futuristisch, aber nahe an der Realität – beinahe zu nahe. Dabei war Technik bei „Star Treck“ und „Dr. Who“ vor dem Beginn des dritten Jahrtausends eigentlich ganz harmlos, überlegt Wortklauberin Erika.

Marty McFly hätte im Jahr 2017 die Zukunft erreichen sollen – und mit einem Augenzwinkern haben viele Fans darauf gewartet, dass rechtzeitig zu seinem Erscheinen noch ein Hoverboard erfunden würde. Stattdessen feierte Elon Musk die Ankündigung des Tesla Model 3. Seit Februar 2018 kreist ein E-Auto, in dem David Bowie’s „Space Oddities“ in Endlosschleife läuft, um die Erde. Kein Hoverboard – nicht einmal in Aussicht. Stattdessen eröffnet Amazon einen Supermarkt ohne Kasse und man fragt sich schon, wohin das alles führen soll. Vielleicht in eine der Welten von „Blackmirror“?

Dabei hat die Vision von Technik in der Sci-Fi-Welle der 1970er und -80er Jahre ganz harmlos begonnen. Hoverboards, fliegende Autos – im Prinzip war alles möglich, selbst ein TARDIS und ein intergalaktisches Multifunktionswerkzeug wie den Supersonic Screwdriver. Es waren noch Zeiten vor dem Internet, in denen man der Star Treck-Crew ein erstes Handy in die Hand drückte und in denen Douglas Adams sich die Geschichte rund um Arthur Dent ausdachte, der wegen einer intergalaktischen Autobahn sein Haus und seinen Planeten verlassen muss.

Und dann kamen die Neunziger

Und dann kamen die Neunziger, und plötzlich ist Technik nicht mehr dieses unmögliche, seltsame Gebilde in den Händen von Kapitän Kirk, sondern real. Plötzlich ist es möglich, innerhalb von sehr kurzer Zeit elektronische Post zu versenden und sich selbst zu inszenieren. Die Beziehung zur Technik verändert sich, und die Welt der Kommunikation beschleunigt sich – auch im Zusammenhang mit politischen Umbrüchen wie dem Fall der Mauer und dem Ende des Kalten Krieges. Die Welt verliert ihre klaren Konturen. Das veranschaulicht etwa Jean Beaudrillard mit „The Gulf War Did Not Take Place“, worin er über den Ersten Golfkrieg berichtet, der in den Studios von CNN produziert wurde.

Es wird klar: Technik ist plötzlich näher am Menschen. Das ist irgendwie unheimlich. Genau dieses Unheimliche greift etwa die „Matrix“-Reihe der Wachowskis (damals noch „Wachowski Brothers“) auf. Die Frage, ob die erlebte Realität tatsächlich existiert, rückt in den Vordergrund sowie die Frage, wie man dies denn erkennen sollte. Neo versucht, sich dem System zu widersetzen, und blickt hinter die grüne Mauer – in die Welt außerhalb der Matrix.

Die Matrix – ein Höhlengleichnis?

Der Blick hinter die von den Maschinen künstlich geschaffene Illusion gleicht Platons Höhlengleichnis. Am Anfang des siebten Buchs der Politeia lässt Platon Sokrates dieses Gleichnis erzählen, um die Notwendigkeit von philosophischer Bildung zu unterstreichen. Im Höhlengleichnis beschreibt Platon eine Höhle, in der Menschen leben, die ihr ganzes Leben dort verbracht haben. Sie sind so festgebunden, dass sie nur nach vorn blicken können. Den Ausgang hinter ihnen können sie nicht sehen, da er hinter ihnen liegt, nur die Wand der Höhle vor sich. Hinter ihnen brennt außerdem ein Feuer, vor dem Menschen unterschiedliche Gegenstände hin und her tragen. Die Gefangenen sehen nur die Schatten und halten diese für reale Lebewesen, die sich bewegen. Ähnlich verhält es sich mit der Matrix: Die Maschinen erschaffen eine Welt, die derjenigen gleicht, welche sich die Menschen aufgebaut haben. In diese Illusion werden die Menschen eingelullt.

Würde man eine der gefangenen Personen dazu zwingen, aufzustehen, würde sie an ihren Platz zurückkehren, weil sie vollkommen überfordert wäre. Deshalb ist es von großer Bedeutung – sowohl in der Höhle als auch in der Matrix, dass die Entscheidung, sich loszulösen und aufzustehen von der Person selbst kommt. Wohl auch deshalb hat Neo die Wahl zwischen der blauen und der roten Pille – Erkenntnis oder die Rückkehr in seine Welt.

Den Spiegel vorgehalten

Während sowohl „Matrix“ als auch „Blackmirror“ und „Ex Machina“ zum Sci-Fi-Genre zählen, stellen sie unterschiedliche Realitäten dar. „Matrix“ oder auch „Bladerunner“ verarbeiten futuristische Weltuntergangsphantasien, neuere Produktionen wie „Blackmirror“ und „Ex Machina“ bleiben näher am Heute. Wenngleich noch immer futuristisch, sind die darin dargestellten Entwicklungen gerade aufgrund ihrer Nähe zum Hier und Jetzt beunruhigend. Das Thema der künstlichen Intelligenz, die sich gegen ihren Schöpfer wendet, wie „Matrix“, „Ghost in the Shell“ und „Ex Machina“ aufgreifen, wird häufiger thematisiert als zuvor. Nicht zuletzt stellen sich durch die unzusammenhängenden Folgen von „Blackmirror“ Fragen der Ethik. Was macht einen Menschen menschlich? Wie eng hängen Körper und Geist zusammen?

  • Blackmirror. Charlie Brooker (Creator). Zeppotron. UK. (60 Min./Folge, 19 Folgen.) 2011-laufend. FSK-Freigabe unbekannt, Empfehlung ab 16.
  • Matrix. Lana & Lili Wachowski (Regie & Drehbuch). Mit K. Reeves, L. Fishburne. Warner. USA (135 Min.) 1999. FSK-16.
  • Zurück in die Zukunft [Back to the Future]. Robert Zemeckis (Regie & Drehbuch). Bob Gale (Drehbuch). Mit M. J. Fox, C. Lloyd, L. Thompson. Universal. USA. (116 Min.) 1985. FSK-0.
  • Ghost in the Shell [Kôkaku Kidôtai]. Mamoru Oshii (Regie). Shirow Masamune, Kazunori Itô (Drehbuch). Production I.G. Japan. (83 Min.) 1995. FSK-16.
  • Ex Machina. Alex Garland (Regie & Drehbuch). Mit A. Vikander, D. Gleeson. Universal. USA. (108 Min.) 2014. FSK-12.
  • The Gulf War Did Not Take Place. Jean Beaudrillard. Indiana University Press. 1995. / Französisch: La Guerre du Golfe n’a pas eu lieu. Galilée. 1991.
Ein Beitrag zum Special #philosophiestadt. Hier findet ihr alle Beiträge.

Titelbild: pexels.com, Bild: Worteweberin Annika

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