Iny Lorentz

von | 04.04.2013 | Buchpranger, Im Interview, Stadtgespräch

„Wir haben festgestellt, dass wir bessere Geschichten miteinander schreiben können.“

Sie sind die Schöpfer der Wanderhure und zahlreicher weiterer historischen Romane – das Autorenduo INY LORENTZ. Dahinter verbirgt sich das deutsche Schriftstellerehepaar Iny Klocke und Elmar Wohlrath, gemeinsam haben sie sich den Fragen von Bücherstädterin Alexa gestellt und gezeigt, wie schnell sich eine Urlaubsreise in Recherche wandelt.

Bücherstadt Kurier (BK): Iny und Elmar, bitte stellen Sie sich doch kurz unseren Lesern vor.

Iny Lorentz (IL): Wir wohnen in einem Ort in der Nähe von München, schreiben seit sehr vielen Jahren und veröffentlichen seit 2003 als „Iny Lorentz“ historische Romane. Unser bekanntester Roman ist „Die Wanderhure“, der 2009 verfilmt und 2010 bei Sat1 gesendet wurde. Außer historischen Romanen schreiben wir auch Thriller und Fantasy. 2007 haben wir unsere Arbeit aufgegeben und leben seitdem als freie Schriftsteller. Außerdem sind wir seit über 30 Jahren verheiratet und haben uns über unserem Interesse am Schreiben kennengelernt.

BK: Wie kamen Sie zum Schreiben und zur ersten Veröffentlichung?

Iny: Ich hatte schon mit zwölf Jahren Interesse am Schreiben und mich in Anekdoten aus unserer Hundezucht ausgetobt. Später bin ich in einen Fantasy-Club eingetreten, der dreimal im Jahr dicke Fanzines herausgebracht hat und habe darin ein paar Kurzgeschichten untergebracht. Die haben einem Clubmitglied so gefallen, dass er von mir eine Kurzgeschichte für eine Heyne-Anthologie haben wollte, die 1982 veröffentlicht wurde. Da Elmar und ich inzwischen ein Paar waren, haben wir weitere Möglichkeiten zum Schreiben gesucht und in Folge etliche Kurzgeschichten zumeist in Publikumsverlagen veröffentlicht. Dabei haben wir festgestellt, dass wir bessere Geschichten miteinander schreiben können.

Elmar: Ich habe mir bereits als kleiner Junge eigene Geschichten ausgedacht und mit etwa zwölf Jahren begonnen, diese niederzuschreiben. Mit fünfzehn wurde ich Mitglied in einem Science-Fiction-Fanclub und konnte in unserem Clubfanzin erste Kurzgeschichten veröffentlichen. Nach dem Ende unseres SF-Clubs trat ich in einen Fantasy-Club ein und fand dort ebenfalls die Möglichkeit, Kurzgeschichten, aber auch längere Texte zu schreiben. Die erste professionelle Veröffentlichung folgte 1983 in einer SF-Anthologie des Goldmann-Verlags.

BK: Was machen Sie, bevor Sie anfangen zu schreiben? Brauchen Sie eine gemütliche Atmosphäre, bestimmte Rituale? Und wo schreiben Sie am liebsten?

IL: Am Wichtigsten ist für uns, in Ruhe schreiben zu können. Störungen, sei es durch Telefon oder die Türklingel, mögen wir gar nicht. Direkte Rituale gibt es bei uns nicht, es sei denn, man sieht das Speichern des geschriebenen Textes auf verschiedene USB-Sticks und SD-Karten nach jedem Arbeitstag als solches an. Unsere liebsten Plätze zum Schreiben sind unsere Arbeitszimmer, sowie unser Wohnwagen auf einem nicht allzu turbulenten Campingplatz im Grünen.

BK: Woher nehmen Sie Ihre Inspiration? Wie entstehen erste Ideen und können alle umgesetzt werden?

IL: Ideen zu finden ist für uns nicht schwer. Wir finden sie in Zeitungen, Zeitschriften, Sachbüchern und eigentlich überall. Diese Ideen müssen aber ausgeformt und in die Zeit und den Ort eingegliedert werden, in den sie passen. Das ist für uns die wichtigste Arbeit. Eine gute Idee ist noch längst kein guter Roman. Da gibt es viel zu tun. Aber gerade das ist das Schöne am Schreiben, zu sehen, wie ein Gedanke Gestalt annimmt und zu einem Roman wird, der im Kopf Bilder entstehen lässt.

BK: Wie viel recherchieren Sie für ein Buch?

IL: Wir recherchieren für jeden Roman so lange, bis wir den historischen Hintergrund, die Schauplätze des Romans und das gesellschaftliche Umfeld mit unseren eigenen Ideen zu einem spannenden und stimmigen Roman verbinden können. Dies geschieht durch Sachbücher, Biographien, Bildbände, Chroniken und DVDs sowie – wenn möglich – durch Recherche vor Ort.

BK: Wie läuft die Zusammenarbeit ab? Sind Sie sich beim Schreiben oft einig? Wie kann man sich das gemeinsame Schreiben an einem Buch vorstellen?

IL: Wir erarbeiten unsere Geschichte gemeinsam in langen Gesprächen. Sind wir bei einer Szene nicht einer Meinung, diskutieren wir solange, bis wir eine dritte und zumeist weitaus bessere Lösung finden. Streit gibt es hier nie, da wir beide wissen, dass jeder von uns das optimale Ergebnis erzielen will. Sobald unsere Überlegungen und die entsprechenden Recherchen zu einem gewissen Punkt gelangt sind, schreibt Elmar die Rohschrift des Romans. Hier ist Iny voll einbezogen, denn sie liest jedes Kapitel nach. Sobald der Rohtext fertig ist, überarbeitet Elmar ihn nach Inys Kritik. Anschließend übernimmt Iny den Text und schleift ihn in fünf Arbeitsgängen so zurecht, dass er unseren Ansprüchen genügt. Elmar liest die einzelnen Schritte nach und gibt nun seinerseits Kommentare ab. Um den Text nicht nur am Computerbildschirm zu lesen, wird er während Inys Arbeit einmal ausgedruckt und auf dem Papier korrigiert. Dies gibt uns ein besseres Gefühl für die Wirkung des Romans.

BK: Sie haben unter vielen verschiedenen Pseudonymen veröffentlicht, darunter Sandra Melli (Stern der Göttin), Mara Volkers (Die Reliquie) und Eric Maron (Die Fürstin). Wie kam es dazu, unter anderen Namen zu veröffentlichen? Und wie entstanden diese?

IL: Bis auf Eric Maron gehören die verschiedenen Pseudonyme zu unterschiedlichen Genres. Der Grund liegt darin, dass wir den Leserinnen und Leser nicht unter einem Namen alles Mögliche servieren wollen. Wer Iny Lorentz liest, erwartet historische Romane und keinen Thriller oder Fantasy. Eine Ausnahme sind die beiden unter Eric Maron erschienenen Romane. Diese wurden von uns als ganz normale Iny-Lorentz-Romane geschrieben, aber von Verlagsseite unter einem anderen Namen veröffentlicht.

BK: „Die Wanderhure“ wurde mit Alexandra Neldel in der Hauptrolle verfilmt und erhielt als erfolgreichster Deutscher Fernsehfilm des Jahres 2010 den Preis Diva. Wie war es für Sie, die eigenen Ideen auf dem Bildschirm zu sehen? Waren Sie zufrieden mit der Umsetzung?

IL: Wir waren von der Umsetzung begeistert. Alexandra Neldel war die ideale Besetzung für die Marie und brachte alles, was diese für uns ausmacht, zum Tragen. Nicht weniger passend war Bert Tischendorf als Michel, der zuerst, wie es zur Rolle gehörte, ein wenig unsicher auftrat, aber im Lauf des Films immer mehr an innerer Festigkeit gewann. Im Film waren auch so viele wunderschöne Kleinigkeiten, die das Ansehen für uns zum Genuss machten. Alle, von der Requisite angefangen bis hin zum Regisseur, den Schauspielern und den Produzenten haben einen ausgezeichneten Job gemacht.

BK: Im Oktober 2012 erschien Ihr neuer Roman „Feuertochter“. Bitte beschreiben Sie unseren Lesern kurz, worum es in dem Buch geht.

IL: „Feuertochter“ spielt im ausgehenden 16. Jahrhundert in Irland vor dem Hintergrund des großen Aufstands Hugh O’Neills, des Earls of Tyrone, gegen die englische Krone. In diesem Roman zeigen wir durch unsere Heldin Ciara Ni Corra das verzweifelte Bemühen eines kleinen irischen Clans, sich seine Heimat zu erhalten.

BK: Als Handlungsort Ihres Romans wählten Sie Irland – weshalb ausgerechnet dieses Land?

IL: Es war Zufall. Wir hatten eine Irlandreise geplant und beschäftigten uns im Vorfeld ein wenig mit der Insel und ihrer Geschichte. Kurz vor unserer Abreise sagte Elmar eines Morgens: „Ich habe eine Idee für einen Irland-Roman!“ So wurde aus einer Urlaubs- eine Recherchereise.

BK: Wie auch in Ihren anderen Büchern ist in diesem eine Frau die Heldin und muss sich immer wieder behaupten. Woran liegt es, dass stets eine Frau die Hauptrolle spielt?

IL: Anhand des Schicksals von Frauen lassen sich die gesellschaftlichen Verhältnisse jener Zeiten am besten darstellen, da Frauen weitaus mehr Einschränkungen unterworfen waren als Männer.

BK: Wenn Sie an die Frauenemanzipation der heutigen Zeit denken, sehen Sie da Schwierigkeiten? Sind Frau und Mann heutzutage wirklich gleichgestellt?

IL: Hier gibt es ein auf und ab, bei dem man scharf aufpassen muss, dass das Pendel nicht zu sehr zu Verhältnissen ausschlägt, die man eigentlich bereits vergangen glaubte. Doch auch so schleppt die heutige Gesellschaft in unserem Land noch sehr stark das Erbe patriarchalischer Zeiten mit sich herum. In anderen Weltgegenden ist die Situation nur erschütternd zu nennen.

BK: Sind bereits neue Projekte geplant? Und wann können die Leser mit dem nächsten Roman rechnen?

IL: Im Mai beginnt mit „Das goldene Ufer“ eine vierteilige Reihe über eine Auswandererfamilie in Amerika. Hier bildet die Figur des Walther Fichtners die tragende Säule. Zwar kommen auch hier starke Frauen vor, aber ihr Schicksal ist an Walther gebunden. Im Herbst erscheint dann ein Roman, der im 16. Jahrhundert in Deutschland spielt.

BK: Zu guter Letzt kommen wir noch zu unseren zwei Bücherstadt Kurier-Spezialfragen: Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Buch – welches wären Sie?

Iny: Ein Buch, das vielen Menschen Freude beim Lesen bereitet.

Elmar: Am liebsten ein gutes Schulbuch für Leseanfänger, mit dem diese Freude am Lesen gewinnen.

Danke, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben.

http://inys-und-elmars-romane.de

Foto © Finepic, München

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