„Es war einmal ein Mann, der war sehr groß, riesengroß.“

von | 23.06.2017 | #litkinder, Bilderbücher, Buchpranger, Specials

Groß – klein, oben – unten, Himmel – Erde: Das Bilderbuch „Mein riesengroßer Papa“ spielt mit Gegensätzen. Es zeigt auf eine ästhetisch ansprechende Art, wie unterschiedlich die Sichtweisen von Erwachsenen und Kindern sein können – und dass man die jeweils andere annehmen kann. – Von Zeichensetzerin Alexa

„Es war einmal ein Mann, der war sehr groß, riesengroß.“ Und zwar so groß, dass er über die Baumspitzen hinausblicken konnte. Schon immer hat er sich gewünscht, selbst einmal Papa zu sein, und als er es dann ist, erlebt er eine riesengroße Überraschung – oder eher eine winzigkleine: Denn seine Tochter ist so klein, dass man sie kaum erblicken kann. Seine anfängliche Enttäuschung – denn er hat sich schon ausgemalt, was er alles mit seinem riesengroßen Kind unternehmen würde – ist schnell verflogen. Er setzt das Mädchen auf seine Schulter und will ihm „viele lustige Sachen beibringen“.
Doch das ist gar nicht so einfach: Was für den großen Mann alltäglich ist, begegnet dem Kind als Hindernis. Weit oben sind Zweige, welche die Wange des Mädchens zerkratzen, ein Apfel fällt auf seinen Kopf und eine Wolke verfängt sich in seinem Haar. Da ist der Papa so traurig, dass er seine Tochter wieder absetzt. Diese hat dann aber eine andere Idee, wie sie trotzdem gemeinsam etwas erleben können. Von da an wechselt die Perspektive – und der Papa sieht Dinge, die er zuvor nicht wahrgenommen hat.

Oben – unten, groß – klein

„Mein riesengroßer Papa“ veranschaulicht nicht nur die unterschiedliche Körpergröße von einer erwachsenen Person und einem Kind, sondern auch deren Perspektive, aus denen sie ihre Welt wahrnehmen. Der große Mann richtet seinen Blick vorwiegend nach oben, das Kind ist aufgrund seiner Größe der Erde näher und nimmt andere Dinge wahr. Indem Vater und Kind trotz ihres Größenunterschiedes versuchen, die jeweils andere Sichtweise einzunehmen, lernen sie, Kompromisse einzugehen. Auf diese Weise können sie dann doch noch gemeinsam Dinge erleben, die ihnen Spaß machen.

Am Ende ist der Papa sehr glücklich darüber, eine so kleine Tochter zu haben. Diese Tatsache lässt darüber hinwegsehen, dass er am Anfang noch über die Körpergröße „ein wenig enttäuscht“ war. Und auch der erste Eindruck, es ginge ihm nur darum, seine Interessen beziehungsweise Wünsche durch das Kind zu verwirklichen, flacht im Laufe der Geschichte ab. Es wird deutlich, dass nicht nur die Erwachsenen den Kindern etwas beibringen können, sondern auch die Kinder den Erwachsenen. Auf nur wenigen Seiten entwickeln sich die Protagonisten weiter und verändern ihre Sichtweisen. Den Lesern wird mit auf den Weg gegeben: Es kommt nicht immer alles so, wie man es sich vorstellt – aber man kann die Sicht darauf verändern, Kompromisse eingehen und genauso viel Freude haben.

Gestaltung und Farben

Die Gestaltung des Bilderbuches passt hervorragend zum Inhalt: Collagen verleihen den Bildern Tiefe und Perspektive und hier und da kann man an Bildelementen fortgeführte Linien sehen, wo eigentlich keine wären. So wird sichtbar gemacht, was eigentlich nicht sichtbar ist. Dies kann symbolisch betrachtet werden: Das Mädchen zeigt ihrem Vater Dinge, die zuvor unsichtbar für ihn waren. Der Illustrator macht sichtbar, was hinter einem Baum oder einem Stein versteckt wäre.

Die Illustrationen sind trotz detailvoller Bildelemente klar und nicht überladen, sodass sowohl das Gesamtbild als auch Details wahrgenommen werden können. Dabei spielen auch Farben eine tragende Rolle: Anders als man es aus vielen Bilderbüchern kennt, werden hier keine knalligen Farben verwendet, sondern in wenigen, unterschiedlichen Nuancen eingesetzt. Dadurch wirken die Illustrationen ruhig und der Blick wird auf die farbig hervorstechenden Elemente gelenkt. Einzig die Farbwahl der Kleidung des Mädchens stört das Gesamtbild in einer Geschichte, die mit Rollenklischees brechen will.

„Mein riesengroßer Papa“ ist ästhetisch ansprechend gestaltet und bietet darüber hinaus eine Geschichte, die sowohl Erwachsene als auch Kinder ab 4 Jahren auf eine kleine Entdeckungsreise einlädt.

Ein Beitrag zum Projekt #litkinder. Hier findet ihr alle Beiträge.

Mein riesengroßer Papa. Cathy Hors. Illustrationen: Samuel Ribeyron. Übersetzung: Anna Taube. Mixtvision. 2013. BK-Altersempfehlung: ab 4 Jahre.

Illustration: Buchstaplerin Maike

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