Erwachsen werden? PFUI!

von | 09.01.2017 | Buchpranger, Graphic Novels, Comics, Manga

Buchstaplerin Maike hat es sich nicht nehmen lassen, sich das Best Of von Sarah Andersons selbstironischen Comicstrips in gedruckter Form vorzuknöpfen. „Erwachsen werd ich (vielleicht) später” (riva) hält den jungen Erwachsenen von heute einen Spiegel vor und zeigt, dass das Leben voller Schrecken, Unsicherheit, Erwartungen steckt. Einziges Gegenmittel: Sarkasmus und Schlabberpullis.

Endlich ist der Schulabschluss geschafft! Jetzt kommen die großen Dinge: Toller Job, Sozialleben, erfüllende Beziehung, vorbildlich geführter Haushalt, und dabei sieht man immer perfekt gestylt aus und ist total gechillt. Für wen das allein beim Lesen nach Überforderung klingt: Willkommen im Club! In einem Comic pro Seite und in nie mehr als sechs Panels fängt Sarah Anderson Beobachtungen und Kommentare zur modernen Welt ein. Sarkastisch und gleichzeitig weise entblößt Anderson den Alltag als Folterkammer für introvertierte Menschen, von Gesellschaftsstandards verunsicherte junge Frauen und frischgebackene Erwachsene.

Es braucht weder viele Worte noch raffinierte Zeichnungen, um zu beweisen, dass es verdammt schwer ist, das eigene Leben in den Griff zu bekommen. Indem alle Witze auf Kosten von Comic-Sarah mit ihren Wuschelhaaren und Glubschaugen gemacht werden, wirken die Schwarz-Weiß-Strips authentisch und umso witziger. Es macht Spaß, sich zwischen ihrer Selbstsabotage und der Ungerechtigkeit der Welt wiederzuentdecken.

Eine Kostprobe? Die Ungerechtigkeit, dass alle anderen viel besser sind, als man selbst – und das, obwohl man gerade erst so toll die Wohnung geputzt hat, anstatt das wichtige Referat vorzubereiten. Die Ungerechtigkeit, dass das hartverdiente Geld total schnell weg ist, wenn man es für unnützes Zeug ausgibt. Die Ungerechtigkeit, dass Mädchen sich nicht Achsel- und Beinhaare sprießen lassen dürfen, obwohl das total flauschig ist. Und dann kommen auch noch die Tücken der sozialen Medien, die nahende Periode und der größte Horror von allen hinzu: andere Menschen! Uff. Erstmal mit dem Lieblingspulli auf dem Sofa entspannen.

„Entschuldige mich kurz, ich habe nur mal eben eine kleine Selbstwert-, Sinn- und Schaffenskrise.”

Bekannt sind Sarah Andersons Comicstrips schon längst aus dem Internet. Unter dem Namen „Sarah’s Scribbles” veröffentlicht die junge Zeichnerin ihre Arbeit in diversen sozialen Medien. „Erwachsen werd ich (vielleicht) später” ist nur eine Auswahl der besten Strips, denen aber allen gelingt, den Zeitgeist einzufangen. Es sind nicht nur die Leiden der jungen Introvertierten (nach außen lächeln, nach innen schreiend an der Welt verzweifeln), die den Charme des Buchs ausmachen. Schlussendlich ist jeder Comicstrip mal mehr, mal weniger subtiler Kommentar auf eine moderne Gesellschaft, in der niemand so recht seinen Platz zu finden glaubt. Da ist es durchaus möglich, sich gleichzeitig uralt und kindisch, intellektuell und dumm, obercool und tollpatschig zu fühlen.

Längst kein Geheimtipp mehr: Sarah Andersons Comics sind das weiseste und witzigste, das den Weg ins Bücherregal finden kann. Aber Achtung: Sinnkrise beim Lesen nicht ausgeschlossen!

Erwachsen werd ich (vielleicht) später. Sarah Anderson (Text und Illustration). Aus dem amerikanischen Englisch von Manfred Allié. Riva. 2016.

 

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