Eine Verfilmung mit vielen Schrecken

von | 09.06.2017 | #litkinder, Filme, Filmtheater, Specials

Die Kinderbuchverfilmung „Burg Schreckenstein“ möchte einem heutigen Publikum pädagogisch wertvolle Unterhaltung bieten. Dies gelingt nur bedingt und auch die Übertragung der alten Vorlage in die heutige Zeit funktioniert nicht immer. Erzähldetektivin Annette ist sich dennoch sicher: Sein Publikum wird der Film trotzdem finden.

2015 wagte sich Regisseur Ralf Huettner an die Verfilmung der Kinderbuchklassiker um die Jungs von „Burg Schreckenstein“. Der Film basiert auf der gleichnamigen Buchreihe von Oliver Hassencamp, die dieser zwischen 1959 und 1988 in insgesamt 27 Bänden veröffentlichte. Dabei möchte die Verfilmung den Geist der Bücher in die Gegenwart übertragen und ihrem Publikum nicht nur Unterhaltung bieten, sondern eine positive Botschaft vermitteln.

Von guten und schlechten Werten

Tatsächlich werden Werte wie Freundschaft und Solidarität recht gut vermittelt. Andere Werte bleiben jedoch auf der Strecke. So sind die Streiche, welche die Jungs um Hauptfigur Stephan und seinem besten Kumpel Dampfwalze den Mädchen vom benachbarten Internat spielen, zwar gelungen an die heutigen technischen Möglichkeiten angepasst. Von der ursprünglichen Schreckenstein-Definition, wonach nichts zerstört werden darf und auch das Opfer hinterher noch lachen können muss, ist jedoch nichts mehr zu spüren.

Wenn die Jungs Hühner erst in Säcke stecken, um sie dann im Informatiksaal des Mädcheninternats auszusetzen, zeugt dies bereits von einem unnötig leidvollen Umgang mit Tieren. Bekommen die Hühner, wenn auch nicht ganz beabsichtigt, noch scharfe Nüsse zu essen und davon Durchfall, ist die Situation nicht nur für die Schülerinnen am nächsten Morgen eklig, sondern ganz sicher kein Umgang mit Tieren, den ein Film propagieren sollte. Gleiches gilt für das Verhalten gegenüber der Katze von Schuldirektorin Frau Dr. Horn. Ganz sicher sollte die leichtsinnige Zerstörung teuren Schulequipments härtere Folgen als eine Standpauke vom Schuldirektor nach sich ziehen.

Übertragung der Vorlage nur teilweise gelungen

Auch die Darstellung der Figuren ist recht platt, vor allem die Erwachsenen scheinen kaum mehr als Schwachstellen in der Handlung zu überbrücken. Lediglich Hauptcharakter Stephan gewinnt an Tiefe, wenn er die Beziehung zu seinen Eltern reflektiert und erste eigene, erwachsene Entscheidungen trifft. Die Jungdarsteller machen ihre Sache jedoch sehr gut und zeigen sympathische Figuren, die ihrem jungen Publikum Projektionsfläche bieten. Leserinnen und Leser der Buchvorlage bemängeln derweil die Abweichungen vom Original: Wichtige Attribute wie die Fahrradbegeisterung von Dampfwalze werden nicht umgesetzt.

Generell wirkt die Anpassung an das alltägliche Erleben des heutigen Publikums eher gestellt und überambitioniert. Dies zeigt sich bereits zu Beginn während der Einführung der Hauptfigur. Zu vermeintlich coolen Hip Hop-Beats richtet Stephan mit seinem Skateboard auf den Bürgersteigen einer deutschen Großstadt Flurschaden an – natürlich ebenfalls ohne Konsequenzen und nur zur Belustigung der Zuschauer. An anderer Stelle funktioniert die Aktualisierung des Stoffes jedoch gut; etwa, wenn die Jungen eine Drohne ins Mädcheninternat steuern, um den Feind besser ausspionieren zu können. Positiv anzumerken ist in jedem Fall das Aufbrechen der Geschlechterrollen: Jungen wie Mädchen stehen sich bei ihren Streichen in puncto Einfallsreichtum und Selbstbewusstsein in nichts nach.

Fazit

Eine realistische Darstellung des Internatslebens vermag „Burg Schreckenstein“ sicher nicht zu liefern. Dies ist auch nicht der Anspruch des Films. Sehr wohl möchte er jedoch pädagogisch positive Werte vermitteln – und dies gelingt nur bedingt. Als Unterhaltungsfilm á la „Schloss Einstein“ mit Ritterelementen dürfte er ein junges Publikum aber unterhalten, wenn er hierbei auch nicht die erste Wahl sein sollte.

Illustration: Buchstaplerin Maike

Ein Beitrag zum Projekt #litkinder. Hier findet ihr alle Beiträge.

Burg Schreckenstein. Regie: Ralf Huettner. Drehbuch: Christian Limmer. Mit M. Magno, C. Nwokolo. Concorde Home Entertainment. Deutschland. 2016.

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