Die Entscheidung über Leben und Tod

von | 19.02.2018 | #philosophiestadt, Filme, Filmtheater, Specials

„Wir würden leben. Kurz – ja, nicht perfekt – natürlich, dumm – manchmal, aber das wäre uns egal. Denn so sind wir geschaffen. Und wenn die Zeit zum Sterben gekommen ist, werden wir nicht davon laufen. Wir erwarten sie.“ Bücherstädterin Natalie hat sich „The Philosophers – Wer überlebt?“ angesehen.

In der Philosophie werden Moral, Wertvorstellungen, Methoden und Erkenntnisse oft in Form von Gedankenexperimenten wiedergegeben, um eine Vorstellung von der eigentlichen Theorie erfassen zu können. Der Weichenstellerfall oder auch das Höhlengleichnis, das einem Gedankenexperiment gleicht, sind beliebte Beispiele, die sich unter anderem mit moralischen Dilemmata und der Frage nach Realität und Erkenntnis beschäftigen.

In „The Philosophers – Wer überlebt?“ wird genau ein solches Gedankenexperiment am letzten Schultag der Philosophieklasse einer Hochbegabtenschule in Jakarta durchgeführt. Obwohl sich die Klasse zuerst weigert, am letzten Tag produktiv zu sein, schafft es ihr Lehrer, Mr. Zimit, sie davon zu überzeugen, sich doch auf das Experiment einzulassen. Die 20 Schüler und ihr Lehrer erleben ein Szenario, in welchem die Erde durch eine atomare Katastrophe zerstört wird. In ihrer unmittelbaren Nähe befindet sich ein hochmoderner und sicherer Bunker, der für 10 Personen ausgestattet ist. Für ein Jahr reichen Sauerstoff und Lebensmittel. Außerdem lässt sich die Tür erst nach Ablauf des einen Jahres öffnen.

Durch Zufall zugeteilte Berufe, anhand von Zettelziehen, sollen entscheiden, wer später für die Nachwelt und das Überleben der Menschheit von größerem Nutzen ist. Einige Entscheidungen ergeben sich schnell und einfach, wie zum Beispiel, dass eine Opernsängerin nicht für eine spätere Neubevölkerung hilfreich sein wird – ganz im Gegensatz zu einem Bauingenieur. Während die Dagebliebenen leider der atomaren Strahlung erliegen müssen, müssen die 10 Auserwählten mit den Tücken des Experiments fertig werden.

Der Film spielt nicht nur allein mit der Moral und dem Dilemma, Personen anhand ihrer Berufe, fachlichen Qualitäten und besonderen Fähigkeiten als wichtiger zu erachten und somit mit dem Anrecht, überleben zu dürfen bzw. zu müssen, auszuwählen. Er beschäftigt sich auch mit der Beziehung der Schüler zu ihrem Lehrer. Drei Figuren sind hier sehr zentral: Der Lehrer Mr. Zimit, der sich im Laufe des Filmes zynisch, aggressiv, unberechenbar und als unmoralisch erweist, Einserschülerin Petra, die klug, menschlich und gelassen Entscheidungen trifft, und Petras fester Freund James, der immer wieder zum Angriffsziel von Mr. Zimit wird.

Insgesamt dreimal durchläuft die Klasse das Experiment. Jedes Mal unter anderen Prämissen. Bei jedem Durchlauf wird klar, dass es nicht an der Wahl der Schüler für den Bunker liegt oder deren Handeln, sondern dass der Störfaktor ihr Lehrer ist, der das Experiment für seine eigenen Zwecke missbraucht. Nach dem ersten Durchlauf des Experiments wird deutlich, dass die lockere und gute Beziehung zu Mr. Zimit nun anfängt zu brechen. Zum Ende steht die Klasse sogar geeint hinter Petra, symbolisch mit Tischen eingekreist, gegen Mr. Zimit.

Es wird hier nicht nur mit philosophischen Prinzipien gespielt, sondern auch deutlich, dass sich der Wert eines Menschen nicht durch Äußerlichkeiten schätzen lässt. Jeder Mensch ist gleichwertig, was Mr. Zimit selbst zum Ende hin nicht klar wird. Allerdings ist die Geschichte tiefer als nur die Beziehung einer Klasse zu ihrem Lehrer. Einzelpersonen stechen immer wieder heraus und geben dem Film Tiefe. Ein etwas unerwarteter Twist zum Ende deckt viele Vermutungen auf und lässt noch einmal in den Charakter von Mr. Zimit einblicken. Ein interessanter Film, der Klischees vereint, Stereotypen bestätigt und doch unerwartete Momente bietet.

The Philosophers – Wer überlebt? Drehbuch: William Yeh. Regie: John Huddles. Darsteller: James D’Arcy, Sophie Lowe, Rhys Wakefield, u.a. Phase 4 Films. USA. 2013. FSK 12.

Ein Beitrag zum Special #philosophiestadt. Hier findet ihr alle Beiträge.
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