Das ominöse Paket

von | 02.05.2016 | Kreativlabor

An diesem Montagmorgen ging es hektisch zu. Auf dem Exerzierplatz wuselten die Soldaten wild umher, stopften Taschen mit Proviant und sonstigen Nützlichkeiten in die Bäuche der riesigen Reisebusse. Nach etwa 10 Minuten Hin- und Hergewusel und -gestopfe saß schließlich jedermann und jederfrau in einem Bus. Die Reise ging los!
Nacheinander passierten die drei Reisebusse das Tor der Spuckerl Kaserne in Richtung Landeshauptstadt. Die Rekruten in den Bussen grinsten frech durch die Fensterscheiben hinaus und waren froh, dem Alltagsmief der Spuckerl Kaserne zu entfliehen. Die zurückbleibenden Vertreter der Wachmannschaft grinsten nicht minder breit und waren froh, so manchen Unteroffizier fürs erste los zu sein.
Ruckelnd schloss sich das Eingangstor wieder und es wurde still in der Spuckerl Kaserne. Oberwachtmeister Jursič lächelte sein Kampfsau-Lächeln und steckte leger die Hände in die Hosentaschen. Kein Hauptmann, kein Oberleutnant, kein Spieß und auch kein Zg-Kdo. Sturmfreie Bude, sozusagen. Vergnügt pfeifend schlenderte der Herr Oberwachtmeister in sein Büro zurück. Der heute als UvT und gleichzeitig auch als OvT eingeteilte Jursič ließ sich gemächlich auf seinem Schreibtischsessel nieder. Dann zückte er genüsslich grinsend seine Playstation-Portable.
Er war grade so schön richtig in Fahrt gekommen, da wurde unvermittelt die Tür aufgerissen, sodass der Jursič die Konzentration und auch ein spieltechnisches Leben verlor. Im Türrahmen stand ein ziemlich blass und irritiert wirkendes Individuum der Wachmannschaft.
„Herr Oberwachtmeister, Herr Oberwachtmeister!“, krächzte der Gefreite mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen. „Do is ein Paket kumman!“
„Und?“ wollte der Jursič mürrisch wissen.
„Des tuat so komisch. Tickn tuats! Wia wann`s a Bombn war!“
Jetzt sprang der Jursič wie elektrisiert von seinem Sessel auf. Es wurde hektisch in der fast menschenleeren Spuckerl Kaserne. Bald schon zerrte ein angespannt wirkender UovT/OvT Jursič den hüstelnden Rekrut End aus seinem Krankenbett. Weil nämlich jenes ominös tickende Paket an den Rekrut End adressiert war. Der Krankgeschriebene ließ sich durch die Hektik der anderen aber nicht beirren. Todesmutig wie ein Zombie schlurfte er in Richtung Kasernentor, hinein in die belagerten Räumlichkeiten der Wachmannschaft.
Die Kameraden schrien ihm noch mahnend hinterher: „Net einigehn! Do drin is a Bombn! De reißt da den Schädl weg!“. Aber ohne mit der Wimper zu zucken betrat der Grippe-Zombie End das Wachzimmer. Neugierig hob er das ominös tickende Paket auf, schüttelte es, horchte. Und dann zerfetzt Rekrut End freudestrahlend die Verpackung.
Mit wildem Geschrei hatte sich indes der Rest der Wachmannschaft, Oberwachtmeister Jursič inklusive, in Sicherheit gebracht. Weil`s aber kein lautstarkes Krachen gab, streckte man alsbald schon fragend die Nasen zurück ins Wachzimmer. Nichts war geschehen. Nur der Rekrut End strahlte wie ein frisch lackiertes Schaukelpferd.
„Geil“, verkündete er und streckte den anderen triumphierend seine Beute entgegen. „A Wecker! Hot mia mei Freindin gschickt, dos i net wieda vaschlof und Strof kriag!“

Christine Prinz
Ein Bei­trag zum Pro­jekt “100 Bil­der – 100 Ge­schich­ten” – Bild Nr. 20.

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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