Apollo, Akne und Haikus des Grauens

von | 21.12.2017 | Buchpranger, Kinder- und Jugendbücher

Kaum zu glauben, aber wahr: Buchstaplerin Maike hat noch nie ein Buch von Rick Riordan gelesen. Jetzt holt sie das mit dem ersten Band der Reihe „Die Abenteuer des Apollo“ nach. Die Story ist definitiv spannend gestrickt, aber manchmal fühlt sich Maike etwas verloren, weil ihr das Vorwissen fehlt.

Feingeist Sonnengott:
Der Boden der Tatsachen
hält Akne bereit.

Apollo, wer kennt ihn nicht? Gott der Sonne, der Dichtkunst, der Musik, und so gutaussehend. Na ja, bisher … Jetzt ist er sterblich, schrecklich normal und auf sich allein gestellt, bis Göttervater Zeus ihm verzeiht. Da kommt Apollo die rotzfreche Straßengöre und Halbgöttin Meg gerade recht: Wenn er ihr dient, wird er vielleicht wieder göttlich. Camp Half-Blood nimmt die beiden auf, aber rosig sieht es nicht für ihn aus. Das ihm geweihte Orakel von Delphi ist außer Betrieb und ein Feind will dafür sorgen, dass kein Held je wieder eine Prophezeiung erhält. Die Sache wird persönlich, als die halbgöttlichen Kinder des Ex-Gotts entführt werden …

Ein Gott als Fleischsack
und gefallener Fatzke:
Mitleid? Manchmal schon.

Der Einstieg ins Buch ist ein harter: Apollo stürzt vom Himmel und muss sich sofort als Mensch zurechtfinden. Als Ich-Erzähler versucht er, seine Vergangenheit und Zukunft im schönsten Licht darzustellen. Mit anderen Worten: Apollo ist arrogant, von sich selbst eingenommen und prahlerisch. Riordan gelingt hierbei eine Gratwanderung. Der Protagonist ist nie so großspurig, dass es vollkommen unsympathisch ist. Diesem Eindruck hilft sein wortwörtlicher tiefer Fall nach. Das erzwungene Dasein als sterblicher Teenager läutert ihn. Apollo beginnt, seine göttliche Allmacht zu vergessen und stattdessen aus seiner Vergangenheit zu lernen. Sein Gewissen und Zaudern macht ihn im Laufe des Romans immer liebenswerter.

Unser Held ist bi,
sein Sidekick ne Rotznase.
Cool, gefällt mir sehr.

Auch ohne vorher etwas von Rick Riordan gelesen zu haben, beeindruckt mich die Konstruktion der Figuren. Haupt- und Nebenfiguren wirken divers und vielschichtig. So beschäftigen Apollo unter seiner glänzenden Fassade zunehmend Fehler und Verluste der Vergangenheit. Ganz getreu der griechischen Mythologie trauert er seinen beiden großen Lieben nach – einer Frau und einem Mann. Und ohne zu viel vorwegzunehmen: Gerade dieser menschliche Zug ermöglicht ihm mehr als eine Heldentat. Da Apollo selbst der Erzähler seiner eigenen Geschichte ist, wirkt Meg wie sein niedlicher Sidekick, aber tatsächlich ist die Zwölfjährige seine Herrin. Sie ist unberechenbar, unkonventionell und wächst den Leser*innen gerade deshalb nach einer gewissen Zeit ans Herz. Dass Riordan durch diese Konstellation auf eine potenzielle Romanze verzichtet, macht den Roman erfrischend und lenkt den Fokus auf andere Konflikte. Jugendgerechte Wendungen und nicht allzu durchsichtige Zuschreibungen von Gut und Böse fesseln lange. Die einzelnen Kapitel leitet Riordan derweil mit Haikus ein: eine kleine Verbeugung vor dem Gott der Dichtkunst und ein großes Augenzwinkern, weil Apollo einfach keine schönen Verse gelingen wollen.

Percy Wer? Kein Plan.
Muss ich den wirklich kennen?
Tja, besser wär’s wohl.

Wahrscheinlich ist es größtenteils meine Schuld, dass ich mich in diesem Roman nicht immer zurechtfinde. Zwar gibt „Das verborgene Orakel“ sich alle Mühe, grobe Handlungspunkte aus der „Percy Jackson“ – und „Helden des Olymp“-Reihe nachzuliefern, um die Ereignisse in einen sinnvollen Kontext zu stellen. Doch trotz allem bleibt das Gefühl, dass diese im selben Universum angesiedelte Trilogie nicht perfekt als eigenständige Reihe funktioniert. Running Gags und Anspielungen bleiben auf der Strecke. So habe ich erst jetzt herausgefunden, dass Apollo schon lange die schlechte Angewohnheit hat, mit grottenschlechten Haikus um sich zu werfen.
Alles in allem ein gelungener Auftakt zu einer neuen Trilogie – aber erst Riordan-Veteran*innen werden das Buch in seiner Gänze zu schätzen wissen. Ich persönlich habe übrigens mittlerweile mit den Vorgängern begonnen …

Lies „Percy Jackson“,
„Apollo“ spoilert dich sonst
nachträglich. Nicht nett.

Die Abenteuer des Apollo (Band 1): Das verborgene Orakel. Rick Riordan. Übersetzung: Gabriele Haefs. Carlsen. 2017.

Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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