Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wär‘…

von | 22.05.2016 | Belletristik, Buchpranger

Vielleicht hätte Eva den Jurastudenten Jim nie kennengelernt, wenn da nicht dieser rostige Nagel auf dem Fahrradweg gelegen hätte. Oder? In ihrem Romandebüt „Drei mal wir“ erzählt Laura Barnett drei komplett unterschiedliche Versionen der Geschichte der beiden Engländer Jim und Eva. Mit ihnen hat Worteweberin Annika die verschlungenen Pfade des „Wenn“ betreten.

Barnett_978-3-499-40659-6_30-9-15.inddEs ist 1958, als Eva in Cambridge mit dem Fahrrad über einen Nagel fährt und Jim ihr hilft, den Platten zu flicken. Oder auch, als Eva dem Nagel gerade noch ausweichen kann und einfach an Jim vorbei fährt. Oder, als sie beim Ausweichen im Graben landet und sich von Jim aufhelfen lässt. Drei Augenblicke, die jeweils den Anfang für einen möglichen Weg im Leben der beiden Studenten bilden. Es sind Wege, die sie miteinander, oder ohne den anderen beschreiten, auf denen sie andere Dinge erreichen und mehr oder weniger glücklich sind. Ob es in all diesen möglichen Leben trotzdem eine Konstante gibt?

Es ist „[…] jenes schummrige Grenzland, wo ein Weg eingeschlagen und ein anderer verpasst wird“ (S.34), in das sich die Leser von „Drei mal wir“ mit Jim und Eva begeben. Dort erleben die beiden nicht die rosige, romantische Liebe, sondern das Leben, mit allem, was dazu gehören kann: Verlust, verpasste Chancen, Erfolg im Beruf, Ruhm, Krankheit… Mal lieben sie sich, mal finden sie andere Partner oder betrügen einander. Das stimmt nachdenklich und wirft einen realistischen, am Ende auch optimistischen Blick auf die Liebe und ihre Chance, gegen das „Wenn“ zu bestehen. Anders als bei vielen anderen Unterhaltungsromanen können die Leser aus diesem Roman nicht nur ein gutes Gefühl und angenehme Stunden mitnehmen, sondern auch eine Einsicht über das Leben. Sprachlich ist „Drei mal wir“ klar und unauffällig, was angesichts der ungewöhnlichen Erzählweise aber nur guttut.

Jede Version der Geschichte ist durch eine andere Farbe gekennzeichnet, die sich sowohl in der Überschrift als auch in den Blumenornamenten am unteren Seitenrand findet. In die drei Teile wird außerdem jeweils mit einer floral gestalteten Seite eingeleitet. Dadurch ist das Buch ein echter Hingucker. Zudem helfen die Farben bei der Orientierung innerhalb der Geschichten, die man trotzdem zwischendurch verlieren kann. Insbesondere geschieht das zu Anfang, wenn man sich noch nicht in die Handlungen eingefunden hat, oder später, wenn jeweils Kinder und Enkel mit verschiedenen Namen auftauchen. Da sich die Lebenswege aber sehr stark unterscheiden, können die Leser den Überblick schnell zurückgewinnen.

Insgesamt ist Laura Barnetts Roman „Drei mal wir“ zu empfehlen, da er durch eine eigentlich gewöhnliche, aber außergewöhnlich erzählte Geschichte besticht und das „Grenzland“ der Entscheidungen und Zufälle nicht nur Spaß macht, sondern auch erstaunt und nachdenklich stimmt.

Drei mal wir. Laura Barnett. Aus dem Englischen von Judith Schwaab. Kindler. 2016.

 

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