Weit weg und ganz nah

von | 25.09.2014 | Belletristik, Buchpranger

„Weit weg und ganz nah“ ist der dritte Roman der britischen Schriftstellerin Jojo Moyes. Erschienen ist er 2014 im Rowohlt-Verlag. Ein lesenswertes Buch, findet Bücherstädterin Janna.

Zunächst werden zwei Geschichten erzählt. Zum einen die der jungen und alleinerziehenden Mutter Jess und zum anderen die von Ed Nicholls. Jess, eine alleinerziehende Mutter lebt zusammen mit ihrer mathematisch hochbegabten Tochter Tanzie und ihrem Stiefsohn Nicky in einem kleinen Haus. Aufgrund fehlender Ausbildung muss sie sich durchs Leben kämpfen, Putzaufträge annehmen und einem Job in einer Bar nachgehen. Das Gegenteil dieser Familie ist Ed, ein wohlhabender IT-Unternehmer, gegen den aufgrund Insiderhandels ermittelt wird. Er soll wichtige Daten und Fakten, die hätten unter Verschluss bleiben müssen, an Dritte herausgegeben haben.

Am Anfang der Geschichte erfährt der Leser, dass Jess eine Putzstelle bei Ed hat und ihr ein Bündel Geldscheine in die Hände fällt. Nun muss sie überlegen, was richtig und was falsch ist und wofür sie sich letztendlich entscheidet. Mit diesem Geld kann sie ihrer Tochter Tanzie schließlich die Matheolympiade in Schottland ermöglichen. Doch als sie in der Nacht aufbrechen, kommen sie nicht weit, denn ihr Auto bleibt am Straßenrand liegen. Und ausgerechnet Ed Nicholls, dessen Geldbündel nun bei Jess ist, bietet der Familie eine Mitfahrgelegenheit an.

Am Anfang mag man vielleicht denken: „Wer steigt mit seinen Kindern zu einem fremden Menschen ins Auto ein?!“ Aber nach und nach versteht man viele Entscheidungen der alleinerziehenden Mutter Jess. So ergeben auch manche Entscheidungen von den einzelnen Charakteren Sinn, wie zum Beispiel die Situation, in der Jess ein Geldbündel von Ed Nicholls findet und es einsteckt, auch wenn es mit ihrer Moralvorstellung nicht vereinbar ist.

Jess wusste, was sie tun sollte. Natürlich wusste sie das. Dieses Geld gehörte ihr nicht. Es war eine Lektion, die sie ihren Kindern täglich einhämmerte. Ihr dürft nicht stehlen. Man nimmt nicht, was einem nicht gehört. Tu das Richtige, und am Ende wirst du dafür belohnt. Tu das Richtige. (Seite 92)

Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet. Sie wurden interessant gestaltet und jeder einzelne Protagonist hat Persönlichkeit und Charakter. Da ist die chaotische Jess, die mit ihren Jobs versucht, ihre Kinder zu ernähren. Sie bleibt stark, obwohl ihr Mann sie verlassen hat und keinen Unterhalt zahlt. Jess ist eine Frau, die sogar bei Minustemperaturen Flip-Flops trägt. Jess ist eine Frau mit vielen Problemen.

Dann ist da Ed, der trotz seines vielen Geldes bodenständig geblieben ist. Er ist sehr intelligent und Inhaber der Firma Mayfly. Doch trotz seiner hohen Intelligenz begeht er einen folgeschweren Fehler. Dennoch wirkt er im Laufe des Romans immer sympathischer und wächst nicht nur Jess ans Herz.

Die süße zehnjährige Tanzie, deren voller Name Constanza lautet, ist ein Mathegenie und bekommt die wahrscheinlich größte Chance ihres Lebens. Sie soll bei einer Matheolympiade mitmachen, bei der es ein hohes Preisgeld gibt. Der 16-Jährige Nicholas, mit seinen schwarzen Klamotten und seinem Eyeliner-Strich, ist für die anderen Kinder und Jugendlichen in der Siedlung ein Opfer. So verkriecht dieser sich lieber in seinem Zimmer und kommt dort den größten Teil des Tages nicht mehr heraus.

Die Geschichte wird aus verschiedenen Sichtweisen der vier Hauptprotagonisten erzählt. Diese sind in keiner bestimmten Reihenfolge festgelegt und der Schreibstil passt sich dem Charakter des jeweils Erzählenden an. Allerdings denkt die zehnjährige Tanzie zum Beispiel in vielen Teilen des Romans sehr mathematisch, auch wenn sie für den Leser doch ein Kind bleibt.

Sechsundzwanzig Autos passten auf den Parkplatz von St. Anne’s. Zwei Reihen mit jeweils dreizehn glänzenden Offroadern standen einander gegenüber, und wenn einer von seinem Platz glitt, um den nächsten in die Lücke zu lassen, parkten sie mit einem durchschnittlichen Winkel von 41 Grad aus und ein. (Seite 25)

Jojo Moyes hat einen unglaublich guten Roman geschaffen, der für so ziemlich alle, die es gerne romantischer mögen, etwas ist. Es dauert etwas, bis die Geschichte in Fahrt kommt, aber es lohnt sich dran zu bleiben. Denn in diesem Roman sind viele Momente des Schmunzelns eingearbeitet. Durch die verschiedenen Sichtweisen können viele sich mit einem oder vielleicht auch mehreren Charakteren identifizieren. So bleibt das Buch auch abwechslungsreich. Besonders erwähnenswert ist, dass die Autorin immer wieder Parallelen zwischen „arm“ und „reich“ geschaffen hat.

Weit weg und ganz nah. Jojo Moyes. Übersetzung: Karolina Fell. Rowohlt. 2014.

 

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