„Sam und der Zauberbaum“ ist ein Bilderbuch über die Natur in der Stadt und den Mut zur Veränderung. Worteweberin Annika hat mit Sam den Dschungel in die Stadt geholt und einige Fragen zurückbehalten.
Sam lebt in einer grauen Stadt – doch zum Glück erzählt sein Opa ihm regelmäßig Geschichten von seinen Reisen in ferne Länder. Der Dschungel ist besonders interessant, findet Sam. Von dort hat Opa sogar Samen mitgebracht. Zaubersamen! Im Nu schlägt einer davon im Keller Wurzeln und – schwupps! – schon durchstößt die Baumkrone das Dach. Am Morgen warten nicht nur Sams irritierte Mutter und der begeisterte Opa auf ihn, auch neue tierische Freunde aus dem Dschungel ziehen ein. Allerdings finden nicht alle in der Stadt den Baum so toll.
Warum?
Kleine Kinder fragen unglaublich gerne nach dem Warum. Eine Bilderbuchgeschichte sollte solchen Fragen also unbedingt standhalten. Damit meine ich nicht, dass sie nicht von Zauberbäumen und Dschungeltieren in der Stadt erzählen sollte. Der Grundgedanke dieser Geschichte und die Magie, die darin steckt, gefallen mir sehr gut. Und: Beides hat mein Sohn beim Vorlesen nicht einmal hinterfragt.
„Sam und der Zauberbaum“ liefert jedoch auf viele Fragen keine Antworten, die mit der Logik der Geschichte zusammenhängen (Vorsicht Spoiler): Warum verstößt der Baum im Haus gegen die Regeln? Warum verstößt es am Ende der Geschichte nicht gegen die Regeln, wenn in allen Häusern Bäume wachsen? Vor allem: Warum müssen die Bäume überhaupt in den Häusern wachsen und nicht auf der Straße oder auf Plätzen? Beim Vorlesen gerate ich hier sehr schnell ins Schlingern und merke: Ich habe keine Ahnung! Das Buch liefert mir keine Antworten. Diese Prämissen wirken unausgegoren. Da hilft es auch nichts, dass der Text in kurzen Sätzen und einfach formuliert ist.
Sam und sein Opa
Schade! Denn abgesehen davon macht Jess McGeachin in diesem Bilderbuch vieles richtig gut: Die Illustrationen sind ansprechend flächig und ohne zu viele Details gestaltet. Besonders gut gefallen mir die Bilder, die das Wachsen und Fällen des Baums im Haus als Abfolge in mehreren Panels zeigen. Außerdem sind die dargestellten Figuren divers, wirken sympathisch und ihre Emotionen sind dank klarer Mimik leicht abzulesen.
Vor allem die Opa-Enkel-Geschichte ist gelungen. Der Vater lebt nicht in der Familie, aber der Großvater ist eine wunderbare Figur, die Sam unterstützt und immer an seiner Seite ist. Auf einer doppelseitigen Illustration sitzen Sam und der Opa auf dem Hausdach, papageienumschwirrt, in ihrem Rücken der Baum, und blicken in den Sonnenuntergang. Diese rührende, toll gemachte Zeichnung bildet das Herz der Bilderbuchgeschichte.
„Sam und der Zauberbaum“ wird für meinen Sohn und mich kein Lieblingsbuch, auch wenn wir es gerne gelesen haben – und währenddessen viel überlegen und miteinander sprechen konnten. Doch zu präsent bleibt am Ende das Gefühl, dass da etwas nicht ganz passt…
Sam und der Zauberbaum. Jess McGeachin. Übersetzung: Nina Scheweling. Gabriel Verlag. 2023.
0 Kommentare