„Vortreffliche Frauen“: Wie man (k)eine alte Jungfer bleibt

von | 19.05.2020 | Belletristik, Buchpranger

Über 30 und noch kein Ring am Finger? Die Protagonistin Mildred in Barbara Pyms „Vortreffliche Frauen“ führt in den 1940er Jahren ein Leben als alte Jungfer – zwischen Einsamkeit und Unabhängigkeit hin- und hergerissen. Worteweberin Annika hat ihr Gesellschaft geleistet.

Als „vortreffliche Frauen“ beziehungsweise „excellent women“ bezeichnete man in den 1940er Jahren unverheiratete Frauen über 30, die sich der gemeinnützigen Arbeit in der Kirchengemeinde oder anderen Organisationen widmeten. Mildred Lathbury ist eine von ihnen: tugendhaft, farblos, bodenständig und auf dem besten Wege, etwas verschroben zu werden. Vormittags arbeitet sie in einer Organisation für verarmte Damen, nachmittags hilfts sie in der nahegelegenen Kirchengemeinde. Als mit den Napiers neue, unkonventionelle Nachbarn in die Wohnung unter Mildred ziehen, wird ihr Alltag nach und nach auf den Kopf gestellt.

Helena Napier ist Anthropologin, hält rein gar nichts von Hausarbeit und hat noch nicht einmal Topflappen. Ihr Ehemann Rockingham, ein echter Charmeur, lässt sich umso lieber von Mildred auf einen Nachmittagstee einladen. Doch er ist nicht der einzige Mann in Mildreds Dunstkreis: Durch die Napiers lernt sie den Anthropologen Everard Bone kennen, und auch der Gemeindepfarrer Julian Malory ist noch unverheiratet. Während sie im Umfeld eine Verlobung und eine Trennung beobachtet (und zwischen die Fronten gezogen wird), ist Mildred weiterhin alleine. Wird sie noch einen Ehemann finden? Und möchte sie sich überhaupt verheiraten, oder hat das Leben allein nicht auch seine Vorteile?

Barbara Pym beobachtet in „Vortreffliche Frauen“ sehr genau und mit einem ironischen Ton die Gesellschaft der späten 1940er Jahre. Mildreds Alltagssorgen über die Angemessenheit von Baked Beans in der Dose oder einem schlichten Kleid ohne Strumpfhosen wirken, wenn man sie liest, nichtig und laden zum Schmunzeln ein. Doch durch ihre Rolle als vortreffliche Frau werden auch viele gesellschaftlich relevante Themen diskutiert, die uns heute oft nicht mehr beschäftigen: Brauchen Frauen einen Ehemann? Wie darf man wohnen, wenn man alleinstehend ist? Und welche Lippenstiftfarbe ist bitte für eine alte Jungfer noch angemessen? Auch heute noch regen diese Fragen aber dazu an, über die damalige Rolle der Frau nachzudenken.

Barbara Pyms Roman von 1952 kommt wie ein Reigen der kleinen und größeren persönlichen Verwicklungen daher und erinnert wohl auch dadurch an Romane von Jane Austen, die deutlich früher erschienen. Pym lebte von 1913 bis 1980 und veröffentlichte insgesamt dreizehn Romane. In einigen der späteren Werke erfahren neugierige Leserinnen und Leser sogar grob, wie es nach dem Ende von „Vortreffliche Frauen“ für Mildred weiterging. Leider sind die anderen Romane von Barbara Pym jedoch bis jetzt noch nicht ins Deutsche übersetzt worden.

Vortreffliche Frauen. Barbara Pym. Aus dem Englischen von Sabine Roth. DuMont. 2019.

 

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