Von A wie Abhängigkeit bis Z wie Zucchini

von | 14.10.2019 | Belletristik, Buchpranger

Mit „Der Große Garten“ stand Lola Randl auf der Longlist für den diesjährigen Deutschen Buchpreis. Da Worteweberin Annika gerade unter die Kleingärtner gegangen ist, kam der Roman, der sich stellenweise wie eine Gebrauchsanweisung fürs Gärtnern (und Leben) liest, gerade richtig.

„Der Große Garten“ spielt in einem kleinen Dorf in der Uckermark und in seinen Gärten. Dieser Gartenstreifzug ist erfrischend nüchtern und entlarvend. In einfachen Sätzen und kurzen Kapiteln erklärt die Ich-Erzählerin sich und den Leserinnen und Lesern die Welt von A wie Abhängigkeit bis Z wie Zucchini. Sie erzählt von den „neuen Menschen“, die mit kleinen Rucksäcken bepackt aufs Land strömen, um veganen Kuchen zu essen und ihr Glück zu finden und von dem, was dort auf einen wartet: ein Mann zum Beispiel, der zum Steuernsparen lieber eine GmbH gründet als zu heiraten, oder ein Liebhaber in der Midlife-Crisis, von dem bald alle im Dorf wissen.

Ein Garten ist immer ein Kampf

Ja, das Privatleben der Erzählerin ist nicht ganz unkompliziert, immerhin gibt es auch noch einen Psychoanalytiker, der sie auf der Couch nicht analysiert, sondern auszieht, eine Therapeutin, die da auch nichts mehr retten kann, zwei Kinder, die Nachbarn, die Japaner, die gärtnernde Mutter… Zwar weiß die Erzählerin sich irgendwie zu helfen, doch ist ihre Logik dabei überraschend:

„Damit der Mann versteht, wie praktisch es ist, wenn der Liebhaber gleich im Dorf wohnt, sorge ich dafür, dass wir häufig mal schwere Sachen zu tragen haben. Dann rufe ich einfach den Liebhaber an und sage ihm, dass er kommen und uns helfen soll.“ (S. 50)

Um das ganze Chaos ein bisschen zu ordnen und achtsamer zu werden, wie es die Therapeutin vorschlägt, beginnt die Erzählerin damit, ein Garten-Buch zu führen. Alle halten es für ihre neueste Schnapsidee, doch ein „Garten ist immer ein Kampf zwischen den eigenen Vorstellungen und äußeren Gegebenheiten“, und damit ja fast genauso wie das echte Leben. Also arbeitet sie sich ein ins Thema, mit einigen Abschweifungen zwar, aber doch lernt sie – und die Leserinnen und Leser gleich mit – immer mehr über Regenwürmer, Maulwürfe und den Japanischen Knöterich.

Geduld gefragt

Einziges Manko an diesem toll erzählten Roman: Die Erzählerin tritt auf der Stelle, da können auch Therapeutin und Analytiker nicht helfen, und die Erzählung tut es ihr gleich. Natürlich kann man fast unendlich viel schreiben über Schafe und Fruchtfolge, doch nach der Hälfte des Romans brauchte ich davon erst einmal eine Pause. Aber ich habe viel gelernt durch „Der Große Garten“ und bin nun bestens darauf vorbereitet, im nächsten Frühjahr Kartoffeln und Salat zu pflanzen und Rhabarber und Zucchini (aber davon nicht zu viele). Manchmal war ich ungeduldig mit diesem Buch, doch auch darüber konnte ich etwas lernen:

„Ungeduld ist das starke Verlangen, etwas sofort haben zu müssen. Es ist eigentlich das natürlichste Gefühl der Welt. Der einzige Grund, etwas nicht sofort haben zu wollen, könnte sein, dass man aus Erfahrung weiß, dass, wenn man es dann hat, das Glück, es zu haben, relativ schnell wieder vorbei ist und man dann wieder etwas Neues haben wollen muss.“ (S. 63)

„Der Große Garten“ ist wie ein Streifzug durch die Natur. Um den Roman zu lesen, braucht man manchmal die Geduld eines Gärtners, dafür findet man aber auch die ein oder andere Satz-Blume, Gärtnerwissen und wenn man aufpasst, keimen hinterher verblüffende Einsichten auf. Schön, dass es Lola Randl damit auf die Longlist geschafft hat.

Der Große Garten. Lola Randl. Matthes & Seitz. 2019.

 

Bücherstadt Magazin

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