Skyrim: Die Verantwortung liegt bei dir

von | 11.03.2017 | Digitale Spiele, Entscheidungsbasierte Spiele, Spielstraße

Federschreiberin Kristina hat sich in mittelalterliche Kleidung geworfen, den PC gestartet und auf eine kleine Reise durch „Skyrim: The Elder Scrolls“ (dt. Himmelsrand: Die Schriftrolle der Älteren) begeben, um sich dort mal umzuschauen. Doch noch bevor sie überhaupt richtig angekommen ist, scheint es Schwierigkeiten zu geben…

Der Karren rattert über die unbefestigten Straßen einem unbekannten Ziel entgegen. Das Klappern der Pferdehufe bringt einen gewissen Rhythmus und untermalt die Landschaft, die vorüberzieht. Als Spieler kann man die Figur erst einmal nicht bewegen und ist so gezwungen, zuzuhören und sich umzusehen. Die Figur schweigt, dafür sprechen unsere Begleiter umso mehr. Nach und nach erfahren wir, dass alle Gefangenen eines Transports der Kaiserlichen sind, die in der nächsten Stadt hingerichtet werden sollen. Kein Geringerer als der Anführer der Rebellen, Ulfric Sturmmantel, befindet sich auf unserem Transportkarren. Es scheinen unruhige Zeiten zu sein, auch wenn wir nicht wissen, was vor sich geht.

„Skyrim“ zieht die Spieler in seine Welt

Die kurze Reise auf dem Karren endet, wirft am Ende mehr Fragen als Antworten auf. Und es sieht ganz so aus, als würden wir keine mehr erhalten, denn der Scharfrichter steht schon bereit. Das Spiel scheint zu enden, bevor es wirklich begonnen hat. Auch wenn wir nicht auf der Liste stehen, sollen wir ebenfalls hingerichtet werden. Noch immer können wir uns nicht von der Stelle rühren, nur den Kopf bewegen, weiterhin schweigen, keinen Einspruch einlegen. Der Erste tritt vor und gibt einen Vorgeschmack auf das, was uns bevorsteht. Wir sind als nächstes an der Reihe… und wissen nicht einmal, warum.

Schon tritt die Figur vor, wir können es nicht verhindern. Es ist alles so nahe, die Egoperspektive lässt keinen Raum zu, sich zu entziehen. Genauso wie wir in das Spiel hineingeworfen werden, sollen wir auch wieder herausgeworfen werden? Doch dann passiert es: Ein Drache greift an! Wie wir später erfahren, ist es der erste Drache seit Jahrhunderten, aber in diesem Moment sind es andere, dringendere Probleme, die uns antreiben. Unsere Figur wird mit voller Wucht getroffen und zu Boden gerissen. Der Angriff galt uns, dem wiedergeborenen Drachenblut, dem einzigen Kämpfer, der die Seelen der Drachen einsammelt und so an Stärke gewinnt. Aber das erfahren wir erst deutlich später.

Im Moment verschwimmt der Blick. Der Ton ist gedämpft. Es fühlt sich wie nach einem realen Angriff an. Selbst mit dem Wissen, dass man eigentlich nur jemand ist, der an der Tastatur oder am Controller sitzt und jemanden steuert, spannt man sich unweigerlich an. Es bleibt keine Zeit, erst jetzt können wir uns bewegen. Die ersten Schritte rennen wir in den nächstgelegenen Unterschlupf und die Verwirrung steigert sich. Das Spiel ist gnadenlos, es treibt die Spieler und seine selbst erstellte Figur linear und, ohne viel Zeit zu verlieren, voran.

Ehe man es sich versieht, ist man mittendrin

Jetzt sind die ersten Grundsteine gelegt, die für den Spielverlauf entscheidend sind: Da wir eine Figur spielen, die ohne Hintergrundgeschichte in die Welt geworfen wurde, können wir alles Zukünftige selbst entscheiden. Ob wir uns den Rebellen, nach ihrem Anführer „Die Sturmmäntel“ bekannt, anschließen, für die Kaiserlichen kämpfen oder ganz einfach neutral bleiben, bleibt den Spielern überlassen. Wir sind nicht einmal gezwungen, das Hauptziel des Spiels zu erreichen, können es auch ganz ignorieren und unseren eigenen Weg innerhalb „Skyrim“ gehen.

Der lineare Ablauf bestimmt nur die Handlungen in der Anfangssequenz, um einen Überblick über die Steuerung, die Welt und die Figurenerstellung zu erhalten, sowie einen ersten Einblick in die politischen Wirren der fiktiv-mittelalterlichen Welt von „Skyrim“. Allerdings müssen Spieler damit rechnen, dass der herrschende Bürgerkrieg vermutlich nie endet. Seine Entscheidung wirkt sich auf den weiteren Verlauf der Geschichte von „Skyrim“ gravierend aus. Deutlich wird, dass die Entscheidung einer Seite zählt, sie hat Gewicht. Dies ist eine der wichtigsten Botschaften, die innerhalb von „Skyrim“ vermittelt werden.

Die Entscheidungen, die wir treffen, beeinflussen auch das Verhalten der NSC (Nicht-Spieler-Charakter), also der Spielfiguren, die im Spiel darauf warten, kleinere Aufträge, Quests oder Ähnliches an die Spieler zu vergeben. Manche von ihnen kann man sogar während der Quests als Begleiter rekrutieren und für sich kämpfen lassen. Viele der NSCs haben ihre eigene Hintergrundgeschichte. Dies entscheidet oftmals darüber, ob sich Spieler für diesen oder jenen NSC entscheiden, der für uns kämpfen soll. Auch bestimmen Entscheidungen im Spiel darüber, wie sich einige NSCs verhalten. Beispielsweise werden die Kaiserlichen Wachen misstrauisch, wenn man sich den Sturmmänteln anschließt oder umgekehrt, die Sturmmäntel werden sich nicht sofort öffnen, wenn die Spieler sich für die Seite der Kaiserlichen entscheiden. Oder wir bleiben neutral und kümmern uns nicht um den herrschenden Bürgerkrieg. Dann stagniert der Konflikt allerdings. Die Verantwortung für diese Welt obliegt dem Spieler.

Das Buch lesen oder ins Regal stellen?

Für welche Seite wir uns entscheiden, bleibt ganz bei uns. Das Reisen durch „Skyrim“ eröffnet die Möglichkeit durch beispielsweise Dialoge, Rätsel und Bücher, Einblick in den Konflikt zu bekommen und sich so seine Entscheidung gut zu überlegen. Insbesondere Bücher findet man sehr oft in Dungeons oder Häusern. Einige sind Bestandteile von Quests, können bestimmte Fertigkeiten erhöhen und geben Einblick in die vorherigen Teile von „Skyrim“. Andere bieten Informationen über die Geschichte, Kultur, Glauben und Philosophie, die in Himmelsrand herrscht oder geherrscht hat.
Das Besondere an den gefundenen Büchern ist, dass selbst diese Angaben zumeist unsicher, vage oder unvollständig sind. Der Spieler wird, wenn ihn die Geschichte interessiert, dazu angehalten, sich seine eigenen Gedanken zu machen und daraus Schlüsse zu ziehen. So wird auch in einigen Büchern erklärt, wie es zum Bürgerkrieg kam, der in Himmelsrand herrscht. Diese Hintergrundinformationen sind nicht unerheblich, wenn wir uns für eine Seite entscheiden wollen. Der Spieler hat auch hier die freie Wahl, ob er die Bücher tatsächlich liest oder vielleicht auch nur sammelt und die Welt von „Skyrim“ einfach so erkundet.

So bietet gerade „Skyrim“ unter den entscheidungsbasierten RPGs ungewöhnlich viele Freiheiten und fesselt unendlich viele Stunden, in denen man völlig in diese fiktiv-mittelalterliche Welt eintauchen und seine eigene Geschichte spielen kann.

The Elder Scrolls V: Skyrim. Entwickler: Bethesda Game Studios. 2011. FSK: 16. Genre: Rollenspiel. Einzelspieler.

Ein Beitrag in der Reihe um entscheidungsbasierte Spiele.

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