„Zu diesem Zeitpunkt bin ich zweiundzwanzig, der Umstand erwachsen zu sein, gefällt mir außerordentlich. Doch Teil dieses Erwachsenseins ist die beunruhigende Einsicht, wie schlecht ich mich im Leben auskenne. Man muss extrem viel wissen, und das Leben ändert sich ständig.“
Die Trennung von Judith bringt Julians Leben ganz schön durcheinander, und wird quasi zum Auslöser dafür, dass sich der 22-Jährige mit dem „Ernst“ des Erwachsenwerdens und des Lebens auseinanderzusetzen beginnt. Über seinen Freund Tibor, dessen „Leichtlebigkeit“ Julian einerseits fasziniert, die aber auch zu Ärger führt, erhält er für den Sommer eine Stelle als Pfleger eines Zwergflusspferdes bei Professor Beham. Die beiden – das Tier und der todkranke Mann – werden damit für eine Zeit lang zu bestimmenden Faktoren in Julians Leben, dazu kommt noch Professor Behams Tochter Aiko, in die sich Julian verliebt. So geht es im Leben des 22-jährigen Studenten drunter und drüber: das „schwierige“ Zusammenleben mit Nicki, das Heimweh nach der Kindheit, das Hin- und Hergerissen-Sein zwischen Judith und Aiko, der sterbende Professor, Lügen und Intrigen im Freundeskreis, und als Rahmen all dessen Schreckensnachrichten aus einer scheinbar immer kälter und dunkler werdenden Welt. Zum einzigen tröstenden Ruhepol wird das Zwergflusspferd, mit dem sich Julian stimmig verbunden fühlt: „…ich glaube, wir hatten unsere Verwandtschaft vom ersten Tag an erkannt, vom ersten Tag an… dass wir den realen Anforderungen, die das Leben stellt, nur bedingt gewachsen waren.“
Arno Geigers Schreibstil mag auf den ersten Blick nicht besonders flüssig und die Gedankengänge nicht immer nachvollziehbar scheinen, doch sie entsprechen so kunstvoll der Gefühls- und Gedankenwelt des Protagonisten, dass der Leser immer tiefer in dessen Welt hineingezogen wird. Die Unsicherheit, das Nicht-Wissen-Was-Tun-Und-Denken, das Verwirrt-Sein angesichts sich ständig ändernder Umstände – all das bringt Arno Geiger in vielen Äußerungen explizit ganz vortrefflich auf den Punkt, er zieht diese Fäden jedoch auch implizit so geschickt durch das ganze Buch, dass diese Gefühle auch zwischen den Zeilen nicht verloren gehen. Daher ist es kaum verwunderlich, wenn man selbst beginnt, wie der Protagonist zu denken – eine großartige Leistung des Erfolg-Autors Arno Geiger.
Selbstporträt mit Flusspferd, Arno Geiger, Carl Hanser Verlag, 2015
War auch bei Pop-Polit ein gern gesehener Lese-Gast: