Seitenweise Mord und Totschlag

by Geschichtenerzähler Adrian

Zappt man am Sonn­tag­abend durch die Fern­seh­sen­der, begeg­nen einem Serien wie Tat­ort, CSI, Bones oder Monk. Kri­mi­se­rien boo­men und was den Bücher­markt angeht sieht es nicht anders aus. Beim Betre­ten einer Buch­hand­lung stellt sich schnell her­aus, wel­ches Genre domi­niert: Kri­mis und Thril­ler. Doch woher kommt diese Fas­zi­na­tion für Mord und Tot­schlag? Mit die­ser Frage hat sich Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian in ein Labor ein­ge­schlos­sen, um nach Ant­wor­ten zu suchen.

„Der Kom­mis­sar betritt den Tat­ort“ oder „Eine dunkle Gestalt folgte der jun­gen Frau, als sie nachts die Straße ent­lang­lief“, so oder so ähn­lich begin­nen die meis­ten Geschich­ten, die sich mit einer der dun­kels­ten Sei­ten der mensch­li­chen Psy­che befas­sen. Schlägt man die Sei­ten eines Kri­mis oder Thril­lers auf, so begibt man sich auf eine Reise, wel­che in den Kopf eines wahn­sin­ni­gen Seri­en­kil­lers oder eines hilf­lo­sen Opfers führt. Mög­lich ist außer­dem, einem Kom­mis­sar bei den Ermitt­lun­gen über die Schul­ter zu schauen.

Doch warum gerade Mord und Tot­schlag? Reicht denn eine Hor­ror­ge­schichte nicht mehr aus, um uns nachts nicht schla­fen zu las­sen oder die Schat­ten zu fürch­ten? Oder ver­su­chen wir ein­fach nur, mit die­sen Geschich­ten unsere eigene innere Mord­lust zu befrie­di­gen? Ich will nicht aus­schlie­ßen, dass man­che Men­schen genau des­halb diese Art von Lite­ra­tur lesen, doch ich denke nicht, dass das für die breite Masse gilt.
Für meine Über­le­gun­gen muss ich nun etwas wei­ter aus­ho­len, denn sie füh­ren mich in eine Zeit zurück, die von Aber­glaube und Sagen geprägt war. Geschich­ten erzähl­ten von Rit­tern in strah­len­der Rüs­tung, die aus­zo­gen, um Prin­zes­sin­nen vor Dra­chen und Lind­wür­mern zu erret­ten. Von Dorf zu Dorf gin­gen Legen­den von Geis­tern und Bes­tien um, die durch die dunk­len Wäl­der strei­fen. Teu­fel, die des Nachts die Kin­der aus den Häu­sern stah­len oder Mee­res­un­ge­heuer, die ganze Schiffe in die Tiefe zogen.

Nimmt man etwa die Mär­chen der Gebrü­der Grimm zur Hand, wel­che die Erzäh­lun­gen und Legen­den der dama­li­gen Zeit sam­mel­ten, so bekommt man einen guten Über­blick dar­über, was für die Men­schen zu die­ser Zeit viel mehr als nur Mär­chen waren. In den Augen vie­ler war das die Rea­li­tät. Dies ließ die Men­schen an den Lip­pen der Bar­den, Geschich­ten­er­zäh­ler und Dorf­äl­tes­ten hän­gen, wenn sie wie­der von den Krea­tu­ren berich­te­ten, die in der Dun­kel­heit auf sie lau­er­ten. Meist waren es jedoch Schau­er­ge­schich­ten, um etwa die Kin­der des Dor­fes davor zu bewah­ren, sich in den dich­ten Wäl­dern zu ver­lau­fen. Berge wur­den zu schla­fen­den Rie­sen oder Dra­chen und ver­las­se­nen Häu­sern im Wald wurde der Ruf eines Hexen­hau­ses nachgesagt.

Heut­zu­tage tum­meln sich Dra­chen, Vam­pire und andere Spuk­ge­stal­ten nur noch in Fan­tasy- und Hor­ror­ge­schich­ten. Die Neu­gierde und der Ent­de­ckungs­drang des Men­schen brachte genug Licht auch in die dun­kels­ten Win­kel die­ser Welt und zeigte auf, dass uns dort weder Ghule noch Wer­wölfe auf­lau­er­ten; jedoch zeigte es auch, dass sich dort etwas ande­res ver­barg, näm­lich der Mensch selbst. Mit dem Ver­schwin­den der aber­gläu­bi­schen Spuk­ge­stal­ten und dem Wach­sen der Groß­städte fiel das Auge auf einen viel natür­li­che­ren Schre­cken und zwar in Form von Mör­dern und Seri­en­kil­lern. Dunkle Gas­sen und ver­las­sene Indus­trie­ge­biete schu­fen Spiel­raum für neue Schau­er­mär­chen und urbane Legen­den und so begann auch das große, lite­ra­ri­sche Morden.

Grö­ßen wie etwa Arthur Conan Doyle mit sei­nen Sher­lock Hol­mes-Roma­nen oder Robert Luois Ste­ven­son mit sei­ner Geschichte über den Dok­tor Henry Jekyll und sei­ner sadis­ti­schen Kehr­seite Edward Hyde, heiz­ten die Feuer um diese neuen Mons­ter an. Wäh­rend die Whitecha­pel-Morde rund um Jack the Rip­per dem gan­zen noch Nach­druck ver­lie­hen. Jedoch bleibt jetzt noch die große Frage, warum die­ses Genre so erfolg­reich ist? Ich denke, dass die Ant­wort nicht in der Fas­zi­na­tion für das Mor­den selbst liegt, son­dern am guten, alten Happy End.

In den Sagen obsiegt der Rit­ter über den Dra­chen und ret­tet die Prin­zes­sin, oder aber: ein Jäger geht in den Wald und erschießt den gro­ßen bösen Wolf. Im Krimi wird der Mör­der schließ­lich von einem schlauen Kom­mis­sar über­führt und sei­ner gerech­ten Strafe zuge­führt und hin­dert ihn somit daran, wei­ter zu mor­den. Ein wei­te­res „Mons­ter“ wurde von einem – mal mehr, mal weni­ger – strah­len­den Hel­den zur Stre­cke gebracht. Hinzu kommt aber noch, dass man nicht ein­fach nur ein pas­si­ver Zuhö­rer oder Leser der Geschichte ist. Ein Krimi oder Thril­ler erlaubt viel mehr durch das eigene Kom­bi­nie­ren und Mit­ra­ten, Teil der Ermitt­lung zu wer­den und viel­leicht auch mit einem klei­nen Erfolgs­er­leb­nis belohnt zu wer­den, falls man mit der eige­nen Ver­mu­tung rich­tig lag.

Schließt man nun nach Abschluss des Buches den Buch­de­ckel, so hat man das Gefühl, dass etwas Gutes gesche­hen ist, indem ein Mör­der weni­ger auf den Stra­ßen her­um­läuft. Obwohl man genau weiß, dass das alles nur die auf Papier gebrach­ten Gedan­ken eines Sebas­tian Fit­zek oder Dan Brown sind, so bringt es viel­leicht auch ein Stück­chen Sicher­heit, wenn man nachts nach Hause läuft.

Ein Fund aus der Todes­stadt.

Illus­tra­tion: Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina

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