Schwedische Nostalgie

von | 03.06.2018 | Buchpranger, Sach- und Fachbücher

Lange schon stand der autobiographische Band „Das entschwundene Land“ von Astrid Lindgren auf der Leseliste von Zeilenschwimmerin Ronja. Mit der Neuausgabe des Oetinger Verlags hat sie sich nun einmal mehr nach Schweden gelesen.

Astrid Lindgren wuchs mit drei Geschwistern auf dem Land auf. Ihre Eltern führten einen Bauernhof, Näs bei Vimmerby, der noch heute im Besitz der Familie ist. (Direkt daneben steht mittlerweile das Astrid-Lindgren-Museum.) „Das entschwundene Land“ berichtet davon, wie die Familie Ericsson (Lindgrens Geburtsname) überhaupt nach Näs kam und wie sich ihre Eltern kennenlernten.

Der Liebesgeschichte ihrer Eltern räumt Lindgren am meisten Platz ein. Liebevoll berichtet sie von der langsamen Annäherung der beiden und zitiert aus den zahlreichen erhaltenen Liebesbriefen. Vom ersten Versprechen bis zur Hochzeit von Samuel August und Hanna vergingen einige Jahre, die sie verbrachten, ohne sich oft sehen zu können. Doch danach waren sie nie wieder getrennt.

„Christopher Polhem, ein kluger Mann, hat einmal gesagt, es täte Kindern gut, zuzusehen, wenn ihre Eltern sich herzen. Samuel August hätte seine volle Sympathie gehabt, das steht fest. Einen zärtlicheren Bauern hat es nie gegeben, zumindest war es bei småländischen Bauern unüblich, seine Gefühle so unverhohlen zu zeigen, wie Samuel August es tat. Wir Kinder waren es gewohnt, tagtäglich zuzuschauen, wie unser Vater, und sei es auch nur für einen kurzen Augenblick, unsere Mutter umarmte und sie »herzte«.“ (S. 37)

Astrid Lindgrens Kindheit war – auch wenn sie natürlich bei den anfallenden Arbeiten auf dem Hof helfen musste – von vielen Freiheiten, Albernheiten und der Liebe ihrer Eltern gekennzeichnet. Obwohl der Einblick in ihre Kindheit, den sie in drei weiteren Kapiteln gewährt, knapper ausfällt, entsteht der Eindruck einer glücklichen Zeit. Dabei schwingt viel Nostalgie für „das entschwundene Land“ mit, das Schweden von damals.

So wie Lindgren von ihrer Kindheit berichtet, ist es kein Wunder, dass ihr späteres Werk Kindern gewidmet ist. Zu vielen Gelegenheiten wies sie darauf hin, dass man Kindern mit demselben Respekt begegnen sollte wie Erwachsenen: „Schenkt den Kindern Liebe, mehr Liebe und noch mehr Liebe, dann kommen die Manieren von allein.“* Diese Philosophie macht sich auch im Kapitel „Kleines Zwiegespräch mit einem künftigen Kinderbuchautor“ bemerkbar. Dort gibt sie ein paar Hinweise dazu, wie man ein gutes Kinderbuch schreibt. Der wohl wichtigste ist: Es gibt keinen Leitfaden, wie ein gutes Kinderbuch sein muss. Zuletzt verrät Astrid Lindgren noch das Geheimnis um die Herkunft einiger ihrer eigenen Ideen, aber: Pssst! Nicht weitersagen …

„Denke am besten gar nicht darüber nach! Schreibe frisch von der Leber weg und aus Herzenslust. Denn Freiheit wünsche ich dir und allen anderen Kinderbuchautoren, die Freiheit, die einem für Erwachsene schreibenden Schriftsteller ganz selbstverständlich zugebilligt wird, nämlich zu schreiben, was er will oder wie er will.“ (S. 94)

Dieser autobiographische Band ist knapp und episodenhaft, was die Wirkung jedoch keineswegs schmälert. Astrid Lindgren wird hier persönlich, ohne dabei jedoch zu viel von ihrer Privatsphäre aufgeben zu müssen. Beim Lesen stellt sich vielmehr ein allgemeines Gefühl der Zufriedenheit und Verbundenheit ein. „Das entschwundene Land“ zeigt deutlich, wo die Inspiration und Motivation für ihr Werk herkam.

Das entschwundene Land. Astrid Lindgren. Übersetzung: Anna-Liese Kornitzky. Oetinger. 2018. Erhältlich in der Buchhandlung eures Vertrauens.

* Zitiert nach: astrid-lindgren.de

 

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