Problematische Mutproben

von | 19.07.2018 | Bilderbücher, Buchpranger

Catherine Kuhlmanns erstes Bilderbuch „DER CLUB der Mutigen“ erzählt von Mut und Mutproben und dem Wunsch, dazuzugehören. Zeichensetzerin Alexa weiß nicht recht, was sie von diesen Mutproben halten soll.

Ohne Frage: Die Illustrationen sind kreativ und phantasievoll. Kuhlmann spielt mit Perspektiven, Dynamik und Farben. Als Leitfarbe sticht Rosa hervor. Mal ist die Farbe nur dezent am Himmel erkennbar, mal markiert sie wichtige Bildelemente wie Tiere und mal sind es nur leichte Streifen. Es macht Spaß, die Details – feine Striche, kleine Muster – im Bild zu entdecken und diese in den Kontext der gesamten Seite zu setzen. „Mindestens 211 Buntstifte mussten dafür ihr Leben lassen“, heißt es in der Vita am Ende des Buches. Das ist bedauerlich (für die Stifte) und beeindruckend (für die Betrachtenden) zugleich!

Aber – das große Aber: Was soll dieses Bilderbuch auf inhaltlicher Ebene vermitteln? Schließlich geht es um Mutproben und vor allem sind solche dabei, die gefährlich sein können. Zum Club der Mutigen können aber nur Mutige gehören. Also hat Janna keine Wahl und muss die erste Mutprobe, die ihr Bruder Hannes ihr auferlegt, annehmen und auf den Baum klettern: „Und weil Janna schon immer zu einem superstreng geheimen Club gehören wollte, kletterte sie. Es fühlte sich sehr gefährlich an, aber zum Glück ging alles gut.“ Und wenn es nicht gut gegangen wäre? Immerhin wird die Aktion als „sehr gefährlich“ empfunden. Weshalb spielt das eigene Empfinden und die Einschätzung der Situation keine Rolle? Die nächsten Mutproben werden auch nicht einfacher: Sie führen durch den gruseligsten Weg, den Hannes kennt, und bestehen darin, einen Elefanten aus dem Zoo zu stehlen …

Die Mutproben werden also immer verrückter – und damit wären wir beim Aber zum Aber: Die Geschichte ist so verrückt, dass man sie nicht wirklich ernst nehmen kann. Am Ende wirken die Bedenken, die sich zu Beginn des Buches eingeschlichen haben, belanglos. Schließlich ist alles, was hier geschieht, fiktiv! Und selbst die Mutproben scheinen dem reinen Spannungsaufbau zu dienen. Dass diese (erwachsene) Sichtweise nicht deckungsgleich mit der kindlichen Wahrnehmung sein muss, sollte beim Betrachten des Bilderbuches bedacht werden. Das, was hier vermittelt wird (nur wenn Mutproben bestanden werden, können Kinder zu einer Gruppe, einem Club, gehören), wird zur Wirklichkeit. Zwar gibt der Vater der Kinder durch seinen Einwurf, dass sie nicht stehlen müssten, „um als mutig zu gelten“, Anlass zum Nachdenken, dies scheint jedoch keine Auswirkungen auf das Verhalten der Kinder zu haben. Hinterher denken sie sich weitere Mutproben aus.

Die Sache mit den Mutproben wird in „DER CLUB der Mutigen“ also etwas problematisch dargestellt. In jedem Fall bietet das Buch aber unter einer kritischen Betrachtung auseichend Diskussionsstoff: Was ist Mut? Müssen Mutproben (mit)gemacht werden? Wann ist jemand wirklich mutig? Das, was hier fehlt, ist eine differenzierte Aussage über individuellen, subjektiv empfundenen Mut und die Möglichkeit, Nein sagen zu können, wie es beispielsweise in „mutig, mutig“ von Lorenz Pauli und Kathrin Schärer der Fall ist.

Nichtsdestotrotz ist „DER CLUB der Mutigen“ ein lesenswertes Werk mit phantasievollen Illustrationen für Kinder ab 3 Jahren, das als Anlass dienen kann, über Mut zu sprechen und Mutproben zu hinterfragen.

DER CLUB der Mutigen. Catherine Kuhlmann. Bohem. 2017.

 

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