Postkarten gegen das Aussterben

von | 06.08.2019 | Bilderbücher, Buchpranger, Sach- und Fachbücher

Im Mai 2019 veröffentlichte die UN einen Bericht über die Artenvielfalt auf unserem Planeten und das Ausmaß der Bedrohung, der viele Tierarten ausgesetzt sind – durch den Menschen. Welche Arten unter anderem betroffen sind, kann man im Sachbilderbuch „Seltene Tiere. Atlas der bedrohten Arten“ von Mark Jenkins nachlesen, wie es Worteweberin Annika gemacht hat.

Fast jeder kennt wohl die Geschichte vom ausgestorbenen Riesenvogel Dodo. Zu seiner Zeit war sein von Menschen herbeigeführtes Schicksal ungewöhnlich, heute jedoch könnte es ihm eine große Anzahl an Tierarten nachtun und ebenfalls von unserer Erde verschwinden. Bedroht sind zum Beispiel der australische Numbat, der europäische Aal, der Pardelluchs aus Spanien und die koreanische Flussjungfer, eine Libelle.

Jedes der dreißig Tiere, die in diesem Atlas vorgestellt werden, wird auf einer Doppelseite genauer unter die Lupe genommen: Einem Erklärtext mit zusätzlichem Infokasten wird eine ganzseitige Illustration im Briefmarkenformat gegenübergestellt. Die Illustrationen von Tom Frost sind echte Hingucker – und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn viele der Tiere starren den Betrachtern des Buches direkt in die Augen. Beeindruckend! Die Bilder erinnern an Siebdrucke im Vintage-Look und verleihen dem Buch einen einzigartigen Charakter.

Schachtelsätze: Nicht gefährdet

Was in diesem Atlas leider weniger gut gelingt, ist es, komplexe biologische Vorgänge einfach zu erklären. Immer wieder gibt es lange Schachtelsätze mit Nominalisierungen, aus denen die wichtigen Informationen nicht ganz so leicht gefiltert werden können. Das Buch sollte man Kindern im Grundschulalter daher vielleicht besser nicht Wort für Wort vorlesen.

Etwas irritiert hat mich auch die Gestaltung der erklärenden Texte: Sie beginnen jeweils mit einer fett gedruckten Einleitung, die vielfach mit einer an die Illustration angepassten Bordüre vom Haupttext getrennt wird. Textlogisch schließen die Texte danach aber direkt an die Einleitung an, sodass man ab und zu noch einmal zurückspringen muss, um alle Informationen daraus wieder parat zu haben.

Ähnlich irritierend können die fett gedruckten Zitate wirken, die zwar für gestalterische Abwechslung im Text sorgen, teilweise aber nicht ganz an den richtigen Stellen auftauchen und so Informationen vorwegnehmen. Hier entsteht der Eindruck, als habe man bei der Textgestaltung mit den tollen Illustrationen mithalten wollen und dabei die Lesbarkeit etwas aus den Augen verloren.

Auf einen Blick

Als praktisch gestalten sich hingegen die Infokästen, in denen man auf einen Blick erfährt, wie viele Tiere der Art noch leben, wo sie verbreitet sind, und – für die besonders Interessierten – wie ihr lateinischer Name lautet. Und auch, was man in den Texten erfährt, ist sehr interessant: Es geht darum, wie es zur Bedrohung der Arten kam, und Schuld ist leider meistens der Mensch. Doch es gibt auch Hoffnung, denn oft kann Jenkins von Schutzprogrammen berichten, die erste Früchte tragen.

Besonders schön ist auch der Brief des Autors und Naturschutzbiologen Martin Jenkins an seine Leserinnen und Leser, der auf den ersten Seiten zu lesen ist. Er weist hier explizit auf die Fehler der Menschen hin und appelliert, die Eisbären und Spitzmaulnashörner, die Blauwale und Okapis dieser Welt zu bewahren. Bleibt zu hoffen, dass es funktioniert und auch noch die Enkel der jungen Leserinnen und Leser dieses Buches einen Planeten erleben können, der mit möglichst vielen der von Martin Jenkins vorgestellten Tierarten bevölkert ist.

[tds_note]Übrigens: Laut UN sind invasive Arten eines der größten Probleme der Artenvielfalt. Mehr darüber, was genau das ist, wird in „Der Dominoeffekt“, einem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Kindersachbuch, erklärt.[/tds_note]

Seltene Tiere. Ein Atlas der bedrohten Arten. Martin Jenkins. Illustrationen: Tom Frost. Aus dem Englischen von Ebi Naumann. Thienemann Verlag. 2019.

 

Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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