Pferde und andere (Wort-)Tiere

von | 21.10.2016 | Auditorium, Hörbücher

Grammatik und Rennpferde – das soll zusammenpassen? Diese Frage stellt sich auch Salli Sturm, die Protagonistin in Angelika Jodls „Die Grammatik der Rennpferde“. Worteweberin Annika hat sich den Roman von Martina Gedeck vorlesen lassen.

Salli arbeitet als Deutschlehrerin an einer Münchner Sprachschule und unterrichtet dort Sprachschülerinnen und Sprachschüler aus aller Welt. Für ihre Schützlinge zaubert sie mit Worttieren und nimmt Präpositionen und Artikeln den Schrecken. Nur an ihrem neuen Schüler Sergey beißt sie sich die Zähne aus, denn der russische Pferdefreund ist viel lieber in Ställen und auf der Rennbahn unterwegs, als sich die deutsche Syntax näher bringen zu lassen. Trotzdem ist er auf Salli angewiesen, um ein Pferd zu kaufen und einen Hof zu pachten – die beiden machen also einen Deal: Sergey lernt Deutsch, dafür hilft Salli mit dem Pferd. Ob das funktionieren kann?

Wo die Liebe hinfällt…

Dass das irgendwie funktioniert, wird schnell klar, denn die Chemie stimmt zwischen der Grammatikfreundin und dem Pferdeliebhaber. Ziemlich gut sogar verstehen sich die beiden, so gut, dass schließlich mehr aus ihnen wird, als Schüler und Lehrerin. In einer anderen Liebesgeschichte hätte Salli mit ihren über 50 Jahren höchstens noch eine Nebenrolle abbekommen, als alternde Nachbarin oder mütterliche Freundin. Hier aber spielt sie die Hauptrolle, denn wer hat gesagt, dass man sich nicht auch jenseits der 50er noch verlieben kann?

Dass das nicht nur mit Schmetterlingen und rosaroten Wölkchen verbunden ist, sondern auch mit ganz pragmatischen Aspekten, zeigt Angelika Jodl anschaulich. Auch die Bedenken und Ängste einer alleinstehenden Frau in ihren 50ern werden einfühlsam dargestellt. Was noch dazu kommt, sind Sallis Ängste aufgrund ihrer fehlenden Universitätsbildung. Denn anders als alle ihre Kollegen hat sie weder Doktortitel noch Diplom, sondern vor allem ein Gespür für Worte und Grammatik. Dass das nicht für alle ausreicht und wie viel so ein Titel doch bedeutet – auch das ist Thema in „Die Grammatik der Rennpferde“. Der Roman ist also weitaus mehr als eine Liebesgeschichte, alles andere als banal und voller Denkanstöße. Noch dazu kann man so einiges über die deutsche Sprache lernen.

Stimmenspektakel

Im Hörbuch haucht Martina Gedeck den Figuren Leben ein. Gerade in einem Roman, in dem es um Sprache und Sprechen geht, ist ein Hörbuch großartig. Die Schauspielerin verleiht den Figuren Charakter, sorgt durch ihre Stimmkünste dafür, dass Sergeys russischer Akzent sympathisch wirkt und gibt auch Salli eine ganz besondere Stimme. Dabei wechselt sie so schnell und virtuos zwischen den einzelnen Sprechweisen, dass es eine wahre Freude ist. „Die Grammatik der Rennpferde“ ist als Hörbuch wunderbar unterhaltsam!

Die Grammatik der Rennpferde. Angelika Jodl. Gelesen von Martina Gedeck. Random House Audio. 2016.

 

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