Manitu trifft Rosamunde Pilcher?

von | 30.05.2020 | Buchpranger, Kinder- und Jugendbücher

„Schneetänzer“ von Antje Babendererde ist ein Liebesroman für Jugendliche, gewürzt mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen. Worteweberin Annika ist mit dem Protagonisten auf einen Schneescooter gestiegen und wurde überraschend gut unterhalten.

Als Jugendliche habe ich schon einmal einen Roman von Antje Babendererde gelesen. Damals nahm ich fast jedes Buch mit nach Hause, das in unserer örtlichen kleinen Stadtbibliothek neu angeschafft wurde. In Erinnerung ist mir neben dem Titel – „Libellensommer“ – nur geblieben, dass es darin um Indianer und die Liebe ging. Zumindest der Name der Autorin war mir aber bekannt, als „Schneetänzer“ seinen Weg zu mir fand, nachdem es den Geschmack einer Bücherstadt-Kollegin nicht getroffen hatte.

Indianer-Blut

In „Schneetänzer“ geht es um einen achtzehnjährigen Jungen, Jacob, der nach Kanada reist. Gerade erst hat er erfahren, dass dort seine Wurzeln liegen. Dass sein Vater Cree-Indianer ist und Jacob die ersten vier Lebensjahre sogar in Moosonee verbracht hat, hatte seine Mutter ihm verheimlicht. Jacobs eigene Erinnerung war nach einem Unfall verloren gegangen und kommt nun langsam in Form von Träumen zurück. Jetzt aber möchte er seinen Erzeuger kennenlernen, bevor nach den Osterferien das Abi ansteht. Doch alles kommt etwas anders als geplant. Jacob wird in Moosonee mit seiner Vergangenheit konfrontiert, von einem Bären angegriffen und begegnet einem Mädchen, das ihn in seinen Bann schlägt, bevor er überhaupt auf seinen Vater trifft.

Was die Konstruktion der (Liebes-)Geschichte betrifft, erinnert „Schneetänzer“ an gängige Schemata, die zum Beispiel auch bei Rosamunde Pilcher oder Inga Lindström wunderbar funktionieren: Jemand kommt zurück in die Heimat, trifft auf einen unnahbaren, aber faszinierenden Gegenpart, es gibt einige Verwicklungen, Annäherungen und Streitpunkte, bis am Ende das Happy End am rosaroten Horizont wartet. Antje Babendererde verlegt dieses Muster von Cornwall nach Kanada, wo es ebenso gut funktioniert – schließlich gibt es Gründe, warum sich die Damen Pilcher und Lindström im TV seit Jahrzehnten großer Beliebtheit erfreuen. „Schneetänzer“ erfüllt die Erwartungen der Zielgruppe, erzählt von wilder Romantik vor der rauen Natur, aufgepeppt mit einigen erotischen Szenen.

Fleisch, nein danke?

Dazu bringt die Autorin aber auch interessante andere Themen mit ein – und das sogar recht geschickt –, die „Schneetänzer“ zu mehr als einem Indianer-Pilcher-Verschnitt machen. Jacob ist Vegetarier, seit er die Zustände in den Ställen gesehen hat, in denen sein Stiefvater Schweine züchtet. Doch bei den Cree werden Vegetarier „schlechte Jäger“ genannt. In Kanadas Wildnis lässt sich teilweise schwer ohne Fleisch auskommen und Jacob wird mit moralischen Fragen über Konsum, Tod und Macht über andere Lebewesen konfrontiert. Seine neue Freundin Kimi zum Beispiel läuft jeden Tag ihre Fallenstrecke ab, um den Haushalt mit Eichhörnchen-, Elch- oder Karibufleisch zu versorgen.

Außerdem muss Jacob feststellen, dass die Indianer-Idylle bedroht ist. Es gibt Pläne, im Gebiet der Cree großflächig Rohstoffe abzubauen. Viele Indianer könnten dadurch Arbeit finden, um einem Strudel aus Alkohol und Gewalt zu entkommen, aber gleichzeitig würden die unberührte Natur und die Traditionen der Cree leiden. Dabei war die Seele des Indianerstammes schon einmal bedroht, als in der Generation von Jacobs Großeltern viele Cree-Kinder auf sogenannte Residential Schools geschickt und schwer misshandelt wurden. Dass auch diese Geschichte Teil von Jacob ist und sich in seinen Träumen manifestiert, gehört zum mythischen Unterbau von „Schneetänzer“ und der dargestellten Cree-Kultur.

„Schneetänzer“ ist solide Unterhaltung für Jugendliche, die sich in die wilde Natur Kanadas entführen lassen wollen. Neben einer Liebesgeschichte spricht der Roman einige interessante Themen an, durch die auch ich mich als nicht mehr jugendliche Leserin gut unterhalten gefühlt habe.

Schneetänzer. Antje Babendererde. Arena. 2019.

[tds_note]Übrigens: Am 01.06.2020 startet unser Themenspecial #BKUmwelt. Ab dann findet ihr viele weitere spannende Rezensionen und Texte zu Umweltthemen hier.[/tds_note]

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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