LiteraTour Nord 2016/17: Ein Rückblick

von | 20.03.2017 | Buchpranger

Die LiteraTour Nord ist beendet und nun steht auch der Preisträger fest: Tilman Rammstedt konnte mit „Morgen mehr“ Jury wie Publikum überzeugen. Bevor am 04. Mai die Preisverleihung in Hannover stattfindet, blicken Erzähldetektivin Annette und Buchschatzmeisterin Rosi zurück auf die letzte Lesereise.

Bei der LiteraTour Nord begeben sich sechs deutschsprachige Autoren auf Lesereise durch die norddeutschen Universitätsstädte Oldenburg, Bremen, Lübeck, Rostock, Lüneburg und Hannover. Während sie in Lesungen das Publikum für ihr Werk einzunehmen versuchen, ist es vor allem die Jury der VGH-Stiftung, die über die Vergabe des mit 15.000 € dotierten Preises entscheidet.

Gemütliche Location und engagierte Autoren

In Bremen finden die Lesungen im Café Ambiente am Osterdeich statt. Die gemütliche Location vermittelt eine heimelige Atmosphäre, die dem Genuss der Lesungen sehr zu Gute kommt. Mit einer dampfenden Tasse Tee vor sich lässt es sich entspannt im Stuhl zurücklehnen und den Autoren lauschen. Die Lesungen bestehen dabei in der Regel aus mehreren Textausschnitten sowie einer von Prof. Axel Dunker moderierten Gesprächsrunde, während der auch das Publikum Fragen stellen darf. Je nach Gemütsverfassung der Autoren fallen die Antworten mehr oder weniger ausführlich aus.

Wer an allen Lesungen teilgenommen hat, darf schließlich eine Stimme für den Favoriten abgeben. Hin und wieder gibt diese Publikumsstimme den Ausschlag für die Entscheidung. In diesem Jahr dürften Jury- und Publikumsentscheidung nicht allzu weit auseinander gelegen haben. Lediglich die Lesung von Benedict Wells konnte eine ähnlich überschwängliche Publikumsresonanz erzeugen wie Rammstedts „Morgen mehr“. Im Anschluss an seine Lesung signierte Wells noch für gut 1 ½ Stunden die Bücher seiner Fans.

Ein breites Spektrum

Doch die Konkurrenz war stark. Neben Tilman Rammstedt waren Olga Martynova („Der Engelherd“), Teresa Präauer („Oh Schimmi“), Benedict Wells („Vom Ende der Einsamkeit“), Kathrin Röggla („Nachtsendung. Unheimliche Geschichten“) und Sabine Gruber („Daldossi oder Das Leben des Augenblicks“) nominiert. Ihre Werke erzählen dabei ganz unterschiedliche Geschichten.

So wird „Der Engelherd“ zum Fangen eben jener titelgebenden Geschöpfe verwendet, die wiederrum die Welt und im Besonderen den alternden Schriftsteller Caspar Waidegger, seine junge Geliebte und seine behinderte Tochter beobachten. „Oh Schimmi“ hingegen verknüpft Themen und Gefühle des 21. Jahrhunderts zu einem ungewöhnlichen, beinahe aggressiven Sprachteppich. „Nachtsendung“ skizziert in ebenso unheimlichen wie absurden Kurzgeschichten aktuelle Politik und Gesellschaftskritik und offenbart Risse im alltäglichen Geschehen. Auch „Daldossi oder Das Leben des Augenblicks“ befasst sich mit der Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Flüchtlingspolitik und neoliberale Moralkritik werden aus Sicht des abgehalfterten Kriegsfotografen Bruno Daldossi erörtert. „Vom Ende der Einsamkeit“ zeigt schließlich anhand dreier Geschwister, wie unterschiedlich sich Leben nach einem Schicksalsschlag entwickeln können und wie familiäre Bande doch niemals ganz verschwinden.

Und der Preisträger?

Tilman Rammstedts „Morgen mehr“ verfügt zumindest über die interessanteste Entstehungsgeschichte. Für drei Monate lieferte der Autor täglich ein nur wenige Seiten umfassendes Kapitel, das noch am gleichen Abend lektoriert und am nächsten Morgen an all jene verschickt wurde, die für 8 € ein Abonnement abgeschlossen hatten. Der auktoriale Erzähler steht 1972 kurz vor seiner erhofften Zeugung. Genauer gesagt bleibt ihm ein Tag, um seine miteinander unbekannten Eltern zusammenzubringen und seine Zeugung zu initiieren. Bei dieser unkonventionellen Geschichtsidee überrascht die Begründung der Jury kaum:

„Tilman Rammstedts Roman Morgen mehr ist zutiefst komisch und bewegend schön. Seine Figuren sind als slapstickhafte Typen angelegt und entwickeln gleichwohl Tiefe, die ihre Leser anzurühren vermag. Der Autor führt bekannte Sujets zu neuer Wahrheit, die überraschende Einsichten ermöglicht. Seine Prosa ist schlank und elegant, stets auf den Punkt erzählt. Sein Timing überzeugt dabei ebenso wie seine Textökonomie, seine Menschlichkeit ebenso wie sein Humor.“

Gerne mehr

Dass die LiteraTour Nord mit Tilman Rammstedt ihren grandiosen Abschluss fand, war ein angenehmer Zufall. Atmosphäre, Location, die Diversität des Publikums sowie die informativen Einführungen des Literaturprofessors Axel Dunker haben gemeinsam mit der abwechslungsreichen Auswahl der Werke zum Gelingen der diesjährigen LiteraTour Nord beigetragen. Erzähldetektivin Annette und Buchschatzmeisterin Rosi werden auch beim nächsten Mal wieder dabei sein.

Weitere Informationen zur LiteraTour Nord und der anstehenden Preisverleihung findet ihr hier:
www.literatournord.de, www.vgh-stiftung.de (Pressemitteilung)

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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