Helge Vogt und Hubertus Rufledt

von | 21.01.2014 | Buchpranger, Im Interview, Stadtgespräch

„Jedes Projekt, an dem man arbeitet oder gearbeitet hat, liegt einem am Herzen.“

Die Macher von „Alisik“, Hubertus Rufledt und Helge Vogt, haben uns in der Bücherstadt besucht und sich Zeit für Alexas Fragen genommen. 

BK: Bitte stellt euch kurz unseren Lesern vor.

Hubertus: Also ich heiße Hubertus Rufledt, bin genau 39 Tage jünger als Kevin Costner und 21 Tage älter als Bruce Willis und wohne in Potsdam.

Helge: Hallo, mein Name ist Helge Vogt und ich bin gebürtiger Berliner. Seit ungefähr 10 Jahren arbeite ich als Illustrator und Comiczeichner. Ich bin Co-Autor und Zeichner von Alisik, aber viele werden wohl eher eines meiner inzwischen über 80 Buchcover kennen. Auf trickwelt.com kann man einige Arbeiten sehen.

BK: Wie seid ihr zum Schreiben bzw. Illustrieren gekommen?

Hubertus: Unmittelbar nach der Wende – ich bin in der DDR geboren – fragte mich eine Bekannte, ob ich nicht Lust hätte für eine der vielen neu gegründeten ostdeutschen Zeitungen zu schreiben. Einer meiner ersten Beiträge war ein Artikel über den Berliner Comicverlag Mosaik, der auch das gleichnamige Comicheft herausgibt. Die Protagonisten dieses traditionsreichen Heftes sind die drei Abrafaxe, die jeder, der in der DDR aufgewachsen ist, kennt. Kurz und gut: Die Zeitung, für die ich arbeitete, ging irgendwann ein, aber der Kontakt zum Mosaik blieb. Ein paar Jahre später erschien dort das erste von mir konzipierte und geschriebene Abum Hollywood Pursuit. Weitere folgten. Insgesamt war ich Autor von 9 Alben, 3 Serien und vielen Ein-Seiten-Comics. sogenannten one pagers.

Helge: Es gibt noch ganz alte Bücher von mir, in die ich als Kind verschiedene Monster und Wesen mit Filzern rein gemalt habe. Naja, „Bücher“ klingt jetzt wohl etwas zu dick aufgetragen. Es sind wohl eher zusammengetackerte Zettel. 😉
Ich beschäftige mich also schon seit jeher mit dem Zeichnen. Mir war aber eigentlich nie bewusst, dass man so etwas auch beruflich machen könnte. Wie gefühlt alle Berliner, wollte ich aber auch etwas „Kreatives“ machen. Also habe ich erst mal Grafikdesign gelernt. Nebenbei hab ich im Internet ein bisschen was auf Comicportalen veröffentlicht (Inkplosion) und mich auch an Musikvideos versucht. Ach, und in einer Band hab ich auch lange gespielt und eine Zeitlang Beats für Berliner Untergrundrap produziert. Ich schweife ab… Jedenfalls sieht man: der Weg stand nie so richtig fest. Und so war dann auch mein erster Job in einer Videospielfirma, als Charakterdesigner, Konzeptzeichner und Texturierer. Dort hab ich Sascha Wüstefeld kennengelernt, mit dem ich dann ein Jahr später zusammen mit Hubertus Mad Sonja für Carlsen und später Disney entwickelt habe.

BK: Helge, du illustrierst auch für Verlage wie Carlsen und Disney – wie kann man sich die Arbeit in dieser Branche vorstellen?

Helge: Ich glaube, es ist schon recht schwer, sich in dieser Branche zu behaupten. Es gibt so viele gute Zeichner, aber nicht so viele, die davon leben können. Deutschland ist auch nicht gerade ein großes Comicland. Deshalb bin ich froh, dass ich als zweites Standbein die Buchcover habe. Es ist schon so, als ob ein Kindheitstraum wahrgeworden ist: Ich male Monster, Geister, Drachen, ???-Cover und bekomme auch noch Geld dafür. Die Kehrseite ist aber, dass man sich auch noch nach Feierabend damit beschäftigt und oft am Wochenende arbeitet.

BK: „Disney“ ist auch ein Thema, mit dem wir uns für diese Ausgabe beschäftigen – schaut ihr selbst gerne Disney-Filme? Wenn ja: welcher ist euer Lieblingsfilm? Und warum dieser?

Hubertus: Wer den Namen Disney hört, denkt natürlich als erstes an Micky Maus, Donald Duck und die vielen Zeichentrickfilme. Und unter den letzteren gibt es ja auch echte Klassiker. Mein Disney-Lieblingsfilm aber ist „20.000 Meilen unter dem Meer“. Es war Disneys erster life action movie, also Realfilm mit damals sehr bekannten Darstellern wie James Mason oder Peter Lorre. Alles, für das man sich als Junge begeistern konnte, kam darin vor: ein Tauchboot namens Nautilus, das an ein Seeungeheuer erinnerte; Abenteuer in einer blau schimmernden Unterwasserwelt, ein Riesenkrake, tropische Landschaften und eine geheimnisvolle Insel. Bestimmte Bilder hatten auf mich eine geradezu suggestive Wirkung. Zum Beispiel die Beerdigung eines bei einem Gefecht ums Leben gekommenen Besatzungsmitglieds der Nautilus, bei dem die Kameraden des Getöteten mit ihren schweren Taucheranzügen – die Unterwasseraufnahmen waren echt – über den Meeresgrund schreiten. So etwas wollte man nicht nur sehen, sondern selber erleben. Vielleicht gab mir dieser Film den ersten Anstoß dazu, später selber Seemann zu werden. Zwar nur für drei Jahre, aber immerhin. 🙂

Helge: Natürlich liebe ich Disney-Filme. Als Zeichner mag ich vor allem die alten 2D-animierten Filme und finde es sehr schade, dass nach „Küss den Frosch“ keine traditionellen Zeichentrickfilme mehr produziert wurden. Richtig cool ist aber auch die neue computeranimierte Rapunzel-Version „Neu verföhnt“. Es ist gut, dass Disney in den neueren Filmen oft mit den Klischees bricht und die Charaktere neu interpretiert. In diesem Zusammenhang fällt mir auch noch „Verwünscht“ ein, obwohl es sich dabei ja um einen Realfilm handelt. Seltsam, dass man bei Disney-Filmen immer zuerst an die Trickfilme denkt, dabei gibt es ja wahrscheinlich viel mehr Disney-Filme mit Schauspielern.

BK: Immer wieder kommt die Frage auf, ab wann eine Graphik Novelle eine Graphik Novelle und kein Comic mehr ist. Wo liegt, eurer Meinung nach, der Unterschied? Ist „Alisik“ eher ein Comic oder eine Graphik Novelle?

Hubertus: Ach, ich weiß nicht, ich halte von dieser Trennung in Comic oder graphic novel, also Graphik Novelle, nicht viel. Ich glaube, diese Trennung ist nur deshalb eingeführt worden, um potentielle Käufer, die bei dem Wort Comic nur an quietschbunte Hefte mit Superhelden denken, an den sogenannten anspruchsvollen Bildroman heranzuführen. Wogegen ja im Grunde auch nichts einzuwenden ist. Was mich nur daran stört ist diese unterschwellige Unterscheidung in höherwertiges grafisches Erzählen auf der einen und anspruchslose Bunte-Bilder-Unterhaltung auf der anderen Seite. Aber wer sagt denn, dass eine klug erdachte, grafisch hervorragend umgesetzte Spiderman-Geschichte nicht genau so gut ist wie, sagen wir mal, ein Schwarz-Weiß-Bildroman über den Nah-Ost-Konflikt? Aber gut, nehmen wir die Sache nicht wichtiger als sie ist. Alisik jedenfalls würde ich trotz des relativ hohen Textanteils als Comic bezeichnen.

Helge: Ich denke auch, dass Alisik eher ein Comic ist. Manche sagen auch Manga. Der Begriff Graphic Novel ist in Deutschland ja noch recht neu und es ist immer wieder ein beliebtes Thema unter den Zeichnern, ob diese neue Bezeichnung eher hilft oder schadet. Denn natürlich sind jetzt diese Graphic Novels in den Feuilletons der Zeitungen, aber andere Comics scheinen dadurch auch abgewertet zu werden…
Ich würde Graphic Novel jetzt als anspruchsvoller Comic interpretieren. Meist schwarz / weiss, oft biografisch und „künstlerischer“ bzw. „grafischer“ als „normale“ Comics. Man sieht schon daran, wie viele Gänsefüßchen ich benutze: Ich weiß es auch nicht so genau. Neulich auf der Buchmesse in Frankfurt meinte z. B. jemand zu mir, dass eine Graphic Novel die Comicumsetzung eines Buches sei. Der erste Band von Alisik war übrigens in den letzten Monaten schon dreimal Platz 1 in den Graphic Novel Charts. Also vergesst alles, was ich davor gesagt habe… 😉

BK: Lest ihr auch gerne Comics und Graphik Novellen? Wenn ja, welche?

Helge: Als Zeichner habe ich eine Zeit lang immer nur Comics gekauft, die gut gezeichnet waren. Diese waren allerdings inhaltlich oft nicht so. Deshalb hab ich angefangen mich auf amerikanischen Blogs und Webseiten und vor allem durch Podcasts, die ich immer schön während des Zeichnens hören kann, über Comics zu informieren. Dadurch bin ich auf Highlights wie Watchmen (nicht gerade ein Geheimtipp 😉 ), Y – The last Man, Fables, Walking Dead oder zuletzt Saga und einige Batman-Hefte, aber auch Mangas wie Death Note oder Skull Party aufmerksam geworden.

Hubertus: Wer selber Comics macht, liest natürlich auch gerne Comics, klar. Hier mal eine kleine Liste meiner Lieblings-Comics beziehungsweise Lieblings-graphic novels 😉 aus jüngerer Zeit: Fables von Bill Willingham, Northlanders von Brian Wood, Wave and Smile von Arne Jysch, Ghost World von Daniel Clowes, alles von den Berliner Zeichnern Flix und Mawil. Meine all time favorites sind Tim und Struppi, Spirou und Fantasio, natürlich Mosaik-Figuren wie Digedags und Abrafaxe, Jimmy Corrigan, Thorgal und XIII. Und natürlich Asterix. Nach dem letzten Band gibt es ja auch beim tapferen Gallier wieder einen Hoffnungsschimmer am Horizont.

BK: Hubertus, du hast Szenarien für verschiedene Verlage, darunter MOSAIK Steinchen – für – Steinchen und Disney, geschrieben und konzipiert. Kannst du uns ein wenig darüber erzählen?

Hubertus: Über Mosaik habe ich ja schon einiges erzählt (siehe oben). Obwohl mir die Arbeit im und für den Verlag sehr viel Spaß gemacht hat und der Herausgeber Klaus D. Schleiter auch wirklich ein toller Chef ist, wollte ich mal etwas anderes ausprobieren. Also schloss ich mich 2003 mit dem ehemaligen Mosaik-Zeichner Sascha Wüstefeld zusammen, später kam Helge hinzu und gemeinsam kreierten wir eine Comic-Serie mit dem Titel Mad Sonja. Zunächst interessierte sich Carlsen für die Serie, später wurde sie an Disney in Italien verkauft. Dort brachte sie es auf sechs Ausgaben, dann wurde sie leider eingestellt. Eine andere Sache, die mir großen Spaß macht, ist eine kleine Kinderbuchreihe, die ich gemeinsam mit dem Zeichner Mario Kuchinke-Hofer entwickelt habe. Zwei Bücher sind in dem Dresdner Alwis-Verlag bisher erschienen: „Lisa und der Weihnachtsrobot“ und „Lisa und die Insel der 1000 Abenteuer“. Das dritte ist gerade in Arbeit. Erstaunlich, aber wenn ich die verschiedenen Auftraggeber so vergleiche, stelle ich immer überrascht fest, dass man während der Arbeit selbst gar nicht so sehr merkt, ob man für einen großen oder kleinen Verlag arbeitet. Erst wenn das Werk erschienen ist, zeigt sich der Unterschied. Die kleinen Verlage schaffen es kaum, dein Buch in den Buchhandlungen unterzubringen; während die großen auf Grund ihrer Marketingpower dafür sorgen können, dass du auch von jedem in Frage kommenden Käufer wahrgenommen wirst und die Resonanz entsprechend ungleich größer ist.

BK: Welches eurer eigenen Projekte liegt euch besonders am Herzen und warum?

Hubertus: Jedes Projekt, an dem man arbeitet oder gearbeitet hat, liegt einem am Herzen. Man entwickelt dabei so eine Art Muttergefühl. Das jüngste Kind beziehungsweise Projekt mag man immer ein bisschen mehr als die schon etwas älteren. Also im Moment ist natürlich Alisik unser Nesthäkchen, das viel Liebe und Zuwendung braucht. 🙂

Helge: Das ist natürlich Alisik, die erste Comicserie, die ich als Zeichner und Co-Autor miterschaffen habe. Es ist schon toll, wie die einzelnen Figuren über die Jahre zum Leben erweckt wurden. Ha, ha. Die toten Protagonisten wurden zum Leben erweckt…
Das ist schon etwas Besonderes und es steckt viel von einem selbst darin. Man kann sagen, ich stehe mit Alisik zusammen auf und sie geistert noch im Kopf, wenn ich schlafen gehe, so sehr beschäftigt sie mich den ganzen Tag.
Auch ein schönes Produkt ist ein „Meine Freunde“ Buch für den Loewe-Verlag, bei dem ich mich mal im Weltall austoben konnte.
Ein sehr aktuelles Buch, welches ich mit kindlichen Zeichnungen und „Fotos“ illustrieren durfte ist „Die absolut unglaublichen und zu 113% wahren Abenteuer des Cornelius Delano Tuckerman“(Ueberreuter). Ein bisschen stolz bin ich natürlich auch auf meine Mitarbeit an den Disney und Pixar-Comics „Ratatouille“, „Oben“ und „Küss den Frosch“. Nicht zu vergessen „Percy Jackson“, was wahrscheinlich das erfolgreichste Buch ist, für das ich ein Cover malen durfte (Carlsen).
Ich hab auch ein paar T-Shirts für Adidas gemalt und einige schöne CD-Cover. Und… Ach, reicht ja erst mal… 😉

BK: Wie kam es zu der Zusammenarbeit am Projekt „Alisik“?

Hubertus: Helge und ich hatten uns bei der Arbeit an Mad Sonja kennengelernt. Er war der Colorist der Serie und hat ihr diesen unverwechselbaren Farbstil gegeben. Da er auch ein begnadeter Zeichner ist, wollte er selber mal einen Comic zu machen. Noch während der Arbeit an Mad Sonja hatte er Bilder von einem Mädchen gezeichnet, das eines Tages auf einem Friedhof erwacht. Weshalb und wie sie dahin gekommen ist, war noch völlig unklar. Das war jedenfalls die Grundidee, aus der wir Schritt für Schritt dann gemeinsam die Storyline entwickelt haben.

Helge: Ich hatte vor, einen kleinen Zeichentrickfilm zu machen. Hierfür entwarf ich Alisik und den Friedhof, die ich auch schon in kleinen Sequenzen animierte. Jochen „Virgill“ Feldkötter produzierte die tolle Musik dafür. Ich zeigte die Sachen Hubertus und wir entschlossen uns, daraus einen Comic zu machen. Viel später griff ich diese Animationen noch mal auf und daraus wurden die Trailer für Alisik.

BK: Woher kamen die Ideen zu den Protagonisten dieser Geschichte?

Hubertus: Außer Alisik hatte Helge damals auch schon einige der Figuren gezeichnet, die wir dann später in unserer Geschichte als die Postmortalen bezeichneten. Wir haben sie dann entsprechend der sich allmählich abzeichnenden Grundidee noch etwas modifiziert.

Helge: Es war wichtig, dass eine große Variation von Charakteren auf dem Friedhof haust. Sie sollten aus unterschiedlichen Epochen und Schichten stammen und sich auch visuell stark voneinander unterscheiden. Die Todesursache sollte teilweise schon in der Darstellung erkennbar sein: Da ist der General mit Loch im Bauch, der Pastor mit brennendem Kopf, ein Skelett, das den Schädel abnehmen kann… Außerdem sollte Alisik mit ihrem Alter und ihrer Art frischen Wind in die alte, verstaubte Runde bringen. Sie ist die einzige auf dem Friedhof, die in ihrem Leben schon mal ein Handy oder Facebook benutzt hat. Die anderen lebten ja z. T. vor der Erfindung des Rades… 😉 Naja, des Autos…

BK: Die Protagonisten werden als Tote anders dargestellt als zu der Zeit, in der sie gelebt haben. Der Hitzkopf z.B. hat Flammen auf dem Kopf, Frings sieht einem Artisten überhaupt nicht mehr ähnlich, während der General fast menschlich und lebendig wirkt. Wonach richtet sich die Veränderung der Protagonisten? Verwesen die Figuren über die Zeit? Warum sieht der General dann noch immer so lebendig aus?

Hubertus: Ihre materiellen Körper, also ihre früheren menschlichen Hüllen, sind sicherlich längst verwest. Die Postmortale sind jetzt so etwas wie materialisierte Seelen. Und diese sind mit dem Tod halt Gesetzen außerhalb unserer Vorstellungen von schön und hässlich unterworfen. Die jetzige Erscheinung sagt nichts über den wahren Wert eines Menschen aus; jeder Mensch – ob tot oder lebendig – ist einzigartig. Darin lag auch ein besonderer Reiz: Manche Figuren – wie zum Beispiel Frings – nämlich so zu gestalten, dass sie nicht viel mit ihrem früheren Aussehen zu tun haben und doch vom Leser als die akzeptiert werden, die sie einmal waren. Allerdings haben wir jedem von ihnen Attribute verpasst, die irgendwas mit ihrem früheren Dasein zu tun haben. Frings ist zum Beispiel sehr gelenkig, Hitzkopf hat zur Erinnerung an seinen Feuertod immer diese Flamme auf dem Kopf und so weiter. Einige sind stark verfremdet; andere, wie zum Beispiel der General, sehen – abgesehen von seinem großen Einschussloch im Bauch, noch immer so aus, wie zu früheren Zeiten. Das hat, wie gesagt, keinen besonderen Grund, jedenfalls keinen, den wir als Menschen begreifen könnten. Für die Logik innerhalb der Geschichte spielt das auch keine Rolle.

Helge: Von Anfang an war uns klar, dass wir die Todesursache der Friedhofsbewohner zeigen wollten. Dadurch bekommen die Charaktere mehr Tiefe und der Sprung in die Vergangenheit schien uns auch visuell sehr reizvoll. Bei einigen Figuren ist es eine ganz schöne Überraschung, wenn man sie zum ersten Mal „lebendig“ sieht. Z. B. die alte, knochige Oma, die auch mal ein schönes, junges und verliebtes Mädchen war. Der General dagegen sollte schon in der Totenwelt eine gewisse Autorität darstellen, die seine Uniform natürlich unterstreicht…

BK: Hat der Name „Alisik“ eine besondere Bedeutung?

Hubertus: Tja, ich weiß nicht… Helge, was meinst du? 😉

Helge: Ich sag mal „nein“. Das ist geheim…

BK: Auch Tattoo-Motive sind immer wieder zu sehen – habt ihr selbst welche?

Hubertus: Nein. Als Jugendlicher hätte ich gerne ein Tattoo gehabt, damals hieß das noch Tätowierung. Die waren aber nicht halb so schön wie die heutigen, sondern meistens krakelige, schlecht gestochene Seemannsgräber: ein Herz mit Kreuz und Anker.

Helge: Gut beobachtet. Ich bin aber auch nicht tätowiert, finde aber viele Tattoos schon sehr cool. Allerdings hätte ich mir natürlich schon ein eigenes Motiv tätowieren lassen und wenn ich mir überlege, dass ich mir vor, sagen wir mal, 10 Jahren eine Zeichnung hätte stechen lassen und mir Sachen von damals angucke, bin ich froh, dass ich das nicht gemacht habe… (das kennt sicher jeder Zeichner)

BK: Warum wird „Todt“ mit „t“ geschrieben?

Hubertus: Einfach um der Figur eine, sagen wir mal, menschliche Dimension zu geben. Bei einem Herrn Tot würden die meisten gleich an einen Sensenmann denken. So aber macht es die Figur, die wir dann ja erst im letzten Band sehen (soviel dürfen wir wohl schon verraten) alleine durch den Namen zu etwas Besonderem. Hoffe ich jedenfalls.

Helge: Wir versuchen mit Bedeutung aufgeladene Begriffe wie Himmel und Hölle zu vermeiden (Lichtwelt und Schattenreich). Genau so verhält es sich mit Herrn Todt. Man weiß zwar, was gemeint ist, hat aber einen anderen Begriff dafür.

BK: Interessant ist, dass einige Bilder in den Vordergrund gestellt werden, während andere unscharf im Hintergrund sind – was habt ihr euch dabei gedacht?

Helge: Ich habe ja bereits erwähnt, dass ich auch einige Erfahrungen mit Musikvideos und Kurzfilmen gemacht habe. Ich versuche Alisik eher filmisch aufzubauen. So kann man z. B. mit einer Schärfeverlagerung steuern, wohin die Aufmerksamkeit des Lesers gelenkt wird.

BK: Was hat es mit den Jahreszeiten auf sich? Habt ihr eine Lieblingsjahreszeit?

Hubertus: Zwei Gründe für die Jahreszeiten: Erstens strukturieren wir damit die Geschichte, geben ihr einen zeitlich überschaubaren Rahmen. Vier Hefte, vier Jahreszeiten. Wobei der letzte Band schlicht Tot heißen wird. Also: Herbst, Winter, Frühling, Tot. Der zweite Grund ist der, dass wir auf Grund der unterschiedlichen Jahreszeiten auf dem Friedhof auch unterschiedlich Stimmungen darstellen können. Dem Heft sozusagen eine abwechslungsreiche Optik verpassen. Ein Grab, das im Winter unter einer Schneedecke ruht, hat eine ganz andere Visualität als ein Grabhügel, auf dem ein paar Frühlingsblumen blühen.
Für mich hat jede Jahreszeit ihren Reiz. Klar, der November kann einem manchmal ganz schön auf’s Gemüt schlagen. Aber ein Spaziergang über eine nebelverhangene Wiese oder durch einen entlaubten Buchenwald hat doch auch seinen Zauber.

Helge: Es ist auch einfach cool zu gucken, wie die Friedhofsbewohner die einzelnen Jahreszeiten mit ihren Festen verbringen: Ein Geist sein zu Halloween? Weihnachten auf einem Friedhof? etc. Ursprünglich sollte Alisik vierteljährlich rauskommen. Das haben wir aber leider nicht geschafft…
Meine Lieblingsjahreszeit ist der Sommer. Aber arbeiten macht bei schlechtem Wetter am meisten Spaß.

BK: Ein zentrales Thema ist, neben der Liebe, der Tod. Glaubt ihr an ein Leben nach dem Tod?

Hubertus: Definitiv nein. Ich bin ein hoffnungsloser Atheist. Das bedeutet aber nicht, dass ich mich nach meinem Ableben nicht gerne überraschen lasse. 🙂

Helge: Eher nicht. Aber vielleicht werden ja meine Atome eines Tages Nährstoff für eine Blume oder so…

BK: Zu „Alisik“ gibt es auch kurze Animationsfilme. Wie entsteht so ein Film? Und wie lange dauert es bis er fertig ist?

Helge: Wie ich schon zuvor erwähnte, war Alisik ja ursprünglich als Animationsfilm geplant. Es ist schon toll, wenn den Zeichnungen auf einmal Leben eingehaucht wird und Alisik ihre Augen öffnet. Es ist allerdings sehr aufwändig. Man muss beim Zeichnen immer beachten, ob sich das danach auch bewegen lässt. Manche Gliedmaßen malt man einzeln und verschiebt sie dann am Computer, wie beim Legetrick. Sehr wichtig für die Atmosphäre sind natürlich auch die Geräusche und die Musik, die Jochen Feldkötter gemacht hat. Das eine Stück ist übrigens eine großartige Interpretation von Bachs Schlafes Bruder.
Die Produktion jedes Filmes hat ungefähr zwei Wochen gedauert.

BK: Ein Blick hinter die Kulissen: wie läuft es ab, wenn ihr an „Alisik“ arbeitet?

Hubertus: Ausgehend von der zuvor erarbeiteten Storyline konkretisiere ich zunächst die jeweilige Szene und breche sie dann auf die einzelnen Seiten und Panels – also die einzelnen Bilder – herunter. Dazu fertige ich auch schon kleine Skizzen, sogenannte Scribbles. Dann setzen wir uns zusammen und bereden gemeinsam die Szene. Wenn wir uns dazu verständigt haben, beginnt Helge mit dem Zeichnen.

Helge: Gaaaanz am Anfang haben wir uns mal zusammengesetzt und die Story entwickelt, die wir dann auf 4 Hefte verteilt haben. Bevor wir mit der eigentlichen Arbeit beginnen, besprechen wir noch mal die Szene, die dann in Seiten aufgeteilt und als „Thumbnails“ an meine Wand gehängt wird. So wissen wir immer, was als nächstes passiert. Aus den Thumbnails werden Storyboards, Hubertus entwickelt die Dialoge, ich beginne mit der Zeichnung. Jeden Dienstag kommt Hubertus zu mir ins Studio und wir besprechen alles. Die anderen Tage arbeiten wir allein, telefonieren oder schreiben uns aber.

BK: Sind weitere gemeinsame Projekte geplant?

Hubertus: Man hat ja immer was in der Schublade, aber im Moment konzentrieren wir uns erst einmal auf Alisik.

Helge: Wir haben ein paar Ideen, aber Alisik nimmt gerade schon sehr viel Zeit ein. Wahrscheinlich muss man am Ende auch noch mal gucken, ob sich das Ganze gelohnt hat…

BK: Zum Schluss unsere „Bücherstadt Kurier“-Spezial-Fragen: Wenn ihr ein Buch wärt, welches wärt ihr?

Hubertus: „Wie du dir, so ich mir“ von Woody Allen.

Helge: „Nichtlustig“ von Joscha Sauer… 😉 Ne, vielleicht „Peter Pan“?

BK: Welche Frage wolltet ihr in einem Interview schon immer mal gestellt bekommen? Und wie würde eure Antwort darauf lauten?

Hubertus: Frage: Gratulation, Sie sind unser hundertster Interviewpartner und bekommen dafür eine Reise in die Südsee. Nehmen Sie den Preis an? Antwort: Nur wenn mein Hund mitkommen darf.

Helge: Genau diese hier. Und meine Antwort wäre: Genau diese hier. Und meine Antwort wäre: Genau diese hier. Und… 😉

BK: Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für ein Interview genommen habt!

Hubertus: Gerne doch.

Helge: Und natürlich auch schönen Dank für die coolen Fragen!

Dieses Interview erschien erstmals in der 11. Ausgabe des „Bücherstadt Kuriers“. 

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