Grandioser Auftakt

von | 15.10.2014 | Belletristik, Buchpranger

Wieder einmal wurde mir bewusst, wie viel Wert die Empfehlungen eines Buchhändlers haben. Als ich „Das Lied des Blutes“ in den Händen hielt und mir den Inhalt anschaute, klang dieser wie tausendmal gelesen, aufgewärmt und in den Schrank gestellt: Fantasy mit Kriegern, Könige und Adlige, Herrschaftsansprüche, Soldaten, Krieg und Liebe. Doch das Buch entpuppte sich als eine wahre Perle.

Vielen Dank auch, Herr Anthony Ryan, denn wegen Ihnen waren meine Schlafenszeiten weit unterschritten und ich wurde nicht nur unausstehlich, sondern auch unanpassungsfähig an das soziale Gefüge. Sei es, dass ich in der S-Bahn versuchte mein „Mitschnalzen“ der Charaktere zu unterdrücken oder „Ja, gleich“ zum Busfahrer sagte, als er zum wiederholten Male meinte, es sei „Endstation“. Ich kenne diesen Zustand eigentlich nur von verliebten pubertierenden Teenagern und ja, ich gestehe, ich bin verliebt.
Jetzt ist es raus.
Aber in was bin ich da eigentlich verliebt?

Es ist die Geschichte von Vaelin al Sorna, den wir bei seiner Überfahrt zu seinem letzten Kampf begleiten sollen. Ebenso als Begleitung ist ein Geschichtsschreiber, der nach kurzem Zögern zum Stift greift und dem Redeschwall von al Sorna minutiös niederschreibt. Denn wenn der berühmteste Kämpfer des Reiches seinen Aufstieg bis zu jenem schicksalhaften Augenblick zum Besten gibt, hat man einfach nur die Aufgabe, dieses Wissen für die Nachwelt festzuhalten.
Vaelin al Sorna wird von seinem Vater, ein Schwert des Königs, im zarten Alter von elf Jahren an das Tor des 6. Ordens geführt und in dessen Obhut übergeben. Mit Gleichaltrigen bildet er den Nachwuchs des Ordens. Und schnell wird klar, dass der Rohrstock und die harten Lehrmethoden der Meister sie gnadenlos auf die kommende Zukunft als Superkrieger des Glaubens und zum Wohle des Reiches vorbereiten wird. Egal zu welchem Preis. Sei es der Schwertkampf, das Fährtenlesen, das Auswendiglernen der Geschichte des Ordens oder das nackte Überleben im Wald. Alle paar Monate stehen Prüfungen an, wobei einige der Jungen auf der Strecke bleiben. Sei es metaphorisch oder wortwörtlich.
Kein Wunder, dass sich aus den Mitschülern schnell eine kleine verschworene Gemeinschaft bildet. Denn das ist das Ziel des Ordens. Er bildet Brüder aus, die sich blind auf den anderen verlassen können und um ihre Fähigkeiten wissen. Gut genug, um sich auch als Vaelin al Sorna bewusst zu sein, dass man nicht in allem der Beste sein kann und so kommt es, dass er verletzt wird, sein Hab und Gut verliert, oder gar gerade so durch eine der Prüfungen kommt, wofür er hat schwitzen müssen.

Wie es als Neuling in so einer Maschinerie üblich ist, prasseln so einige Namen und Begrifflichkeiten auf den Leser ein. Wobei ich sagen muss: Wenn ein Name mit so viel Gefühl in ein soziales Gefüge eingeflochten wird, erscheint die Diskussion um seine Berechtigung sinnlos.
So schlägt man sich zusammen mit Vaelins Brüdern durch die Prüfungen, um den Orden hinter sich zu lassen, um dann gleich in die ersten Scharmützel zu geraten, die einen nur noch mehr Ärger einbringen. Ruhm ist eine Last, die schwer bürdet. Und genau dessen wird sich auch Vaelin bewusst. Obwohl er das Talent hat, an der richtigen Stelle zu stehen, ist es ein stetiger Kampf. Nicht nur mit den Feinden, sondern auch mit seiner Moral, seinem eigenen Gewissen und der Frage, wo das hinführt.
So erzählt er munter seine Geschichte, wobei er nicht immer jedes Detail dem Schreiberling vorwirft und sich das Recht wie jeder andere gute Geschichtenerzähler herausnimmt, so manches für sich zu behalten. Nicht nur diese Ehrlichkeit macht dieses Buch so einzigartig. Es gibt Bücher, die durch ihre Story hervorstechen und es gibt Bücher, die sich mit einer Leichtigkeit durchlesen lassen. Daneben gibt es noch welche, die durch hervorragende Erzählweise bestechen. Und es gibt Bücher, die gekonnt diese drei Eigenschaften vereinen, und die tauchen nur alle paar Jahre auf. „Das Lied des Blutes“ gehört zu solchen Büchern. Ich bedanke mich huldvoll bei Anthony Ryan für die wundervollen Stunden und erwarte sehnsüchtig den nächsten Band.

Diungo

Das Lied des Blutes, Anthony Ryan, Hannes Riffel (Übersetzer), Sara Riffel (Übersetzer), Klett-Cotta, 2014

Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

6 Kommentare

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    Ich bin Querbeetleser und muss gestehen, dass eine Leidenschaft der Fantasy-Literatur gehört. Warum das so ist, wüsste ich selber sehr gerne. Ich kenne nicht viele Menschen, die sechs Jahrzehnte auf dem Buckel haben und offen zugeben, Fantasy und SF zu mögen. Jedenfalls habe ich mir nach dieser „Lobhudelei“ noch weitere Kritiken durchgelesen und, da ich nur positive finden konnte, das Buch eben auf meinen E-Reader runtergeladen. Ich war erst skeptisch, ob mein Buchhändler das auch in seinem Onlineshop führt (ich meide die Versandkrake und sein Lesemedium), aber das Buch war auch bei ihm als ebook erhältlich. Nun werde ich mir ein Glas Rotwein eingießen und bin gespannt, ob das Buch mich ebenso verschlingen wird wie Dich. Interessante Frage: wer verschlingt hier wen?
    Danke für diesen Tipp!
    Mit freundlichen Grüßen
    Elvira

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    • Bücherstadt Kurier

      Liebe Elvira, hast du das Buch mittlerweile verschlungen? Oder: es dich? Wir sind gespannt auf deine Meinung!

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        Das Netz ist voller Kritiken, die voll des Lobes sind. Und das mit Recht! Wären nicht mitunter Schlafpausen notwendig gewesen, hätte ich das Buch nicht aus den Händen legen mögen. GsD hatte ich Urlaub! Nun warte ich sehnsüchtig auf den zweiten Teil. Ich hoffe auf der einen Seite zwar, dass der Autor sich die notwendige Zeit nimmt, damit die Fortsetzung dieses hohe Niveau halten kann. Auf der anderen Seite kann ich es aber, wie gesagt, kaum erwarten, wie es mit Vaelin al Sorna und seiner Geschichte weitergeht.
        Sicherlich liegt das Leseerlebnis auch an einer sehr guten Übersetzung. Ich kenne das Original nicht, vermute aber, dass Anthony Ryan das Buch, wäre er ein deutschschreibender Autor, genau diese Wortwahl getroffen hätte.
        Das Buch kann ich jedem Leser, nicht nur dem Fantasyfan, ans literarische Herz legen!

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  2. Avatar

    Hm, das hört sich schon sehr spannend an.
    Ist schon eine Weile her, dass ich ein gutes Buch aus diesem Genre gelesen habe – werde es mir mal zu Gemüte führen.
    Vielleicht sollt ich aber auch selbst mal eins schreiben 😛

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    • Bücherstadt Kurier

      Selbst ein Buch schreiben – das klingt nach einer guten Idee! Machst du auch beim NaNoWriMo mit? 😉 Bücherstädterin Maike ist dabei:

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        ich bin ja schon Autorin und hab Bücher, Kurzgeschichten und Artikel auf dem Markt. Aber ich werd trotzdem beim nanowrimo mitmachen, um bei meinem neuen Roman besser voranzukommen 🙂

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