Gott bewahre

von | 02.06.2014 | Belletristik, Buchpranger

Doch natürlich fügt er sich dem Willen des Vaters und kehrt auf die Erde zurück, um das Wort Gottes zu verbreiten – und das ist wirklich simpel: „Seid lieb“ (Benice). Von wegen Zehn Gebote – die hat sich Moses nur ausgedacht!

Cover © Heyne

Jesus Christ Superstar

John Nivens „Gott bewahre“ mag auf den einen oder anderen wie eine Beleidigung wirken: Es ist vulgär, stößt religiösen Fundamentalisten derbe vor den Kopf und verherrlicht Drogenkonsum geradezu. Aber es ist auch unglaublich komisch – und noch viel wichtiger, über all das Gelächter vergisst man dennoch nie ganz das Nachdenken.

Die Geschichte beginnt ausgerechnet im Himmel und niemand geringeres als Gott ist gerade von einem einwöchigen Angelurlaub zurückgekehrt. Doch mit der Entspannung ist es ganz schnell vorbei. Denn ein Tag im Himmel entspricht 57 Erdenjahren. Es sind also mehrere Jahrhunderte vergangen, seit Gott das letzte Mal einen Blick auf seine Schöpfung geworfen hat. Und was er da sieht, mündet in einem Wutanfall des Schöpfers. Umweltsünden, Kriege, Hassprediger und natürlich der Kommerz haben sich auf der Erde breitgemacht. Gott sieht nur einen Weg: Er muss erneut seinen Sohn zu den Menschen schicken. Jesus Christus, von seinen Freunden JC genannt, ist von der Idee aber gar nicht begeistert, denn gerade wollte er mit Jimi Hendrix Gitarre spielen und einen Joint rauchen. Doch natürlich fügt er sich dem Willen des Vaters und kehrt auf die Erde zurück, um das Wort Gottes zu verbreiten – und das ist wirklich simpel: „Seid lieb“ (Benice). Von wegen Zehn Gebote – die hat sich Moses nur ausgedacht!

Jesus landet also in New York, wo er sich zunächst als Sänger und Gitarrist versucht. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen. Als Sohn Gottes schart er erneut Gescheiterte um sich, gibt ihnen Hoffnung obwohl die Gesellschaft sie schon längst vergessen hat. Doch die Welt hat sich in den vergangenen 2000 Jahren mächtig verändert. Um die Massen zu erreichen, greift Jesus schließlich zu härteren Maßnahmen und reist nach Los Angeles, um dort ausgerechnet in einer Castingshow den Frieden auf Erden wieder herzustellen. „American Pop Star“ ist eine bitterböse Karikatur von Sendungen wie „American Idol“ oder dem Pendant „Deutschland sucht den Superstar“. Und die Strippen zieht Steven Stelfox, ein britischer Musikproduzent, der nicht zu unrecht an Simon Cowell oder Dieter Bohlen erinnert und der in Nivens Werk „Kill Your Friends“ noch Protagonist war. Nun rechnet Niven ab, mit diesem Mann und diesem Musikbusiness, denen es nur um eins geht: Die Quote.
Und ganz am Ende überrascht Niven den Leser dann doch, nach all den derben Sprüchen und dem Fehlen jedweder politicalcorrectness, mit einem sehr berührenden Schluss, den sich keiner entgehen lassen sollte, nur weil er sich auf den Schlips getreten fühlt.

Ann-Christin

Titel: Gott bewahre
Autor: John Niven
Übersetzer: Stephan Glietsch, Jörn Ingwersen
Verlag: Heyne
Erscheinungsjahr: 2011

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

1 Kommentar

  1. Avatar

    Hab das Buch sehr gern gelesen, obwohl der partiell vulgäre Sprachgebrauch eigentlich nicht so meins ist. Aber sehr treffend das Ganze…..

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