Der Mensch ist ein kommunikationsfreudiges Wesen, das weiß Wortklauberin Erika aus erster Hand. Um Information von einem Sender zu einem Empfänger zu übermitteln, muss sie in Zeichen, die von beiden verstanden werden – wie etwa eine Sprache – umgewandelt werden. Christian Schön versucht mit „Die Sprache der Zeichen“ eine illustrierte Geschichte der vielen Zeichen, die uns im Laufe der Zeit umgeben haben und umgeben, darzustellen.

Was sind Zeichen?

Christian Schön beginnt in seiner Einführung ganz am Anfang. Wenngleich die Antwort auf die Frage „Was ist ein Zeichen?“ sehr einfach zu sein scheint, verbirgt sich dahinter mehr als gedacht. Ein Zeichen hat ganz allgemein mit der Vermittlung von Bedeutung zu tun. Dazu kommt, dass die Zeichen von jemand anderem verstanden werden müssen. Hierfür folgen sie bestimmten Regeln, auf die man sich innerhalb der Gesellschaft einigt. Ist dies nicht der Fall, endet die Person, die versucht, die Welt neu zu kodieren, wie der Protagonist in Peter Bichsels Erzählung „Ein Tisch ist ein Tisch“. Dieser beginnt eines Tages damit, die Dinge anders zu benennen: „Zu dem Bett sagte er Bild. Zu dem Tisch sagte er Teppich. Zu dem Stuhl sagte er Wecker.“ (S. 8)

Zwischen all den Möglichkeiten, die Zeichnen für die Menschheit eröffnen, vergisst Christian Schön allerdings nicht, gleich zu Anfang auch auf die vermeintlichen Grenzen der Zeichen hinzuweisen. „Innerhalb der Semiotik gibt es unterschiedliche Meinungen, ob und wie scharf die Grenze zwischen den Zeichen und den Nichtzeichen gezogen werden muss.“ (S. 9) Die Wissenschaft der Zeichen, auch Semiotik genannt, ist ein weitläufiges, viel diskutiertes Feld, in dem unterschiedliche Meinungen und Ansätze aufeinandertreffen. Mit dieser Bemerkung schafft Christian Schön es, dies bereits zu Anfang zu verdeutlichen.

Wir leben in einer Welt der Zeichen

Im Prinzip leben die Menschen in einer Welt, die von Zeichen bestimmt und geformt wird. Darüber denken Philosophen bereits seit der Antike nach. Dies stellt der Autor sehr deutlich dar. Während die Einführung noch mit den wichtigsten Grundbegriffen ansetzt und zu vermitteln versucht, wird schnell klar, dass es sich bei der Wissenschaft rund um die Zeichen um ein sehr komplexes theoretisches Gebilde handelt. Info-Kästen und gezielte Informationen vermitteln Zeichentheorien von Aristoteles über Wittgenstein zu Charles Pierce.

Zudem betrachtet Schön nicht nur die Zeichen im philosophischen Sinne, sondern auch Bereiche wie die Traumdeutung (Psychoanalyse) oder die Funktion von Siegeln als Zeichen der Bestätigung, dass eine Urkunde echt und unverfälscht ist, um schlussendlich auch auf den „Vater“ der Wissenschaft der Zeichen, nämlich Ferdinand de Saussure, einzugehen. Ferdinand de Saussure beschrieb mittels eines sogenannten strukturalistischen Ansatzes die Machart von Zeichen und das Verhältnis von Zeichen und Bedeutung. Für ihn gibt es einen Bedeutungsträger und eine Bedeutung, die allerdings auf vollkommen zufällige Art und Weise miteinander verknüpft sind. Die Bedeutung ist nur durch kulturellen und gesellschaftlichen Konsens an das Zeichen gebunden. Deshalb bellt ein Hund etwa in China („bau“) anders als in Deutschland („wau“).

Sie sind überall!

Nach der grob umrissenen Einführung, die die erste Hälfte der illustrierten Geschichte ausmacht, verschiebt sich der Fokus von dem historischen Überblick zur Geschichte der Zeichen hin zu Zeichenprozessen im Alltag. Damit ist zum Beispiel die Kommunikation zwischen Mensch und Tier angesprochen, aber auch die Kommunikation innerhalb der Tierwelt.

„Dass die Kommunikation nicht allein auf zwischenmenschliche Interaktionen reduziert werden kann, wird relativ schnell offensichtlich, wenn wir uns die Beziehung zwischen dem Menschen und seinen Haustieren ansehen. So kann zum Beispiel ein Hundebesitzer einem Hund über codierte Zeichen mitteilen, was er zu tun hat, und der Hund ‚versteht‘ gewissermaßen die Sprache des Menschen.“ (S. 59)

Auch rund um den Körper wirken Zeichen, etwa in Form von Mimik und Gestik. Nicht zuletzt schlagen sich Zeichen auch in der Literatur wie auch in Bildern, im Theater und im Film nieder und ermöglichen den Sprung zur Kultur. Im Großen und Ganzen scheint das Ziel von Christian Schöns „Die Sprache der Zeichen“ zu sein, nicht nur einen Überblick über die Wissenschaft und die Funktionsfelder der Zeichen zu geben, sondern auch darüber hinaus in alle möglichen Felder, welche von Zeichen durchwirkt sind, einen Einblick zu geben. So entsteht eine anschaulich erklärte, durchdacht mit Bildern illustrierte und mit Info-Kästen durchsetzte Einführung in die Semiotik.

Gelungene Einführung, aber für wen?

Es bleibt die Frage offen, ob eine Materie, die bis heute Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Philosophinnen und Philosophen beschäftigt hält, tatsächlich auf einen einzelnen Band einer illustrierten Geschichte heruntergebrochen werden kann. Der Anspruch ist hoch und das Publikum, an das sich diese illustrierte Geschichte im Endeffekt richtet, wird nicht vollkommen erkennbar. Die Materie ist zu komplex für junge Leserinnen und Leser, auch wenn Schön sein Bestes versucht, die Konzepte anschaulich darzustellen. Ältere Leserinnen und Leser könnten sich hingegen durchaus angesprochen fühlen, aber vielleicht stellt das Zeichen nicht ein zu abstraktes Thema dar.

Die Einführung in Form einer illustrierten Geschichte ist durchaus gelungen und gibt sehr detailliert Einblick in ein höchst faszinierendes Thema. Die Illustrationen sind treffend eingesetzt und genauso stellen die vielen Info-Kästen innerhalb des äußerst übersichtlich angelegten Buches eine hilfreiche Ergänzung zum Text dar. Auch wenn es nicht klar ist, für wen diese Einführung gedacht ist: Nichtsdestotrotz ist sie eine Empfehlung für Neulinge im Bereich der Semiotik.

Die Sprache der Zeichen – Illustrierte Geschichte. Christian Schön. Metzler. 2016.

Ein Beitrag zum Special #philosophiestadt. Hier findet ihr alle Beiträge.
Bücherstadt Magazin

Bücherstadt Magazin

Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir sind umgezogen!

Wir sind kürzlich umgezogen und müssen noch einige Kisten auspacken. Noch steht nicht alles an der richtigen Stelle. Solltet ihr etwas vermissen oder Fehler entdecken, freuen wir uns über eine Nachricht an mail@buecherstadtmagazin.de – vielen Dank!

Newsletter

Erhaltet einmal im Monat News aus Bücherstadt. Mehr Informationen zum Newsletter gibt es hier.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner