Über den neuen Roman von Leif Randt hieß es schon, dass alle nachfolgenden Generationenromane sich an ihm orientieren müssten, so prägend, so wichtig, so Maßstäbe setzend sei dieses Buch. Bücherstädterin Zarah hat es gelesen, um herauszufinden, was es damit auf sich hat und warum „Allegro Pastell“ auf der Longlist des Deutschen Buchpreises gelandet ist.
Eine Lovestory verspricht der Umschlag von Leif Randts „Allegro Pastell“, genauer gesagt, „Germany’s next Lovestory, die Geschichte einer fast normalen Liebe und ihrer Transformationen“ und dieser Umschlag allein macht schon etwas her: in Pastellfarben gehalten, die Lettern gülden und traditionell eingeprägt, in der Mitte das moderne Filterbild von verwaschenen Straßenlaternen. Und diese Widersprüchlichkeit, sie zieht sich durch den gesamten Roman, durch alles, was er auslöst und bietet. Denn Randt erzählt von Beginn an mit einer solchen Distanz von seinen beiden Hauptfiguren, dass kaum ein Bezug zu ihnen herzustellen ist. Sie bleiben farblos und unsympathisch – und genau damit spielt der Roman.
Lebenskonzepte wohlhabender Millenials
Er erzählt die Liebesgeschichte von Tanja Arnheim und Jerome Daimler, beide Generation Millenial, beide erfolgreich in dem, was sie tun (Tanja ist Schriftstellerin, deren Debüt große Erfolge verzeichnet und Jerome verdient als Webdesigner genug, um nicht viel über Geld nachdenken zu müssen), beide umgeben von Kunst und Kultur, von privilegierten Eltern, von Drogen, Sex, Reisen, Großstadt und Freundschaften.
So weit so gut. Keine existenziellen Probleme sind in Sicht bei diesen beiden zwei Menschen, die doch alles zu haben scheinen. Eine Fernbeziehung verbindet sie, der Roman teilt diese Beziehung in drei Phasen, mit Verliebtheit, Trennung, Neuorientierung und doch immer wieder Aufeinanderzukommen. Erzählt wird aus beiden Perspektiven, die Figuren reflektieren sich und ihr Leben sehr viel, hinterfragen alles. Der eigene Lebensstil steht so stark im Vordergrund, dass auch die Beziehung oder die anderer, Hochzeiten oder Depressionen dazugehören und also Teil vom Konzept des eigenen Lebens werden.
Viel Distanz, wenig Identifikation
Es gibt Emojis und es gibt Begriffe aus der Popkultur und zwischen all dem geistert eine Beziehung, in der zwei Menschen versuchen füreinander da zu sein und sich selbst dabei nicht aus den Augen zu verlieren. Die Erzählperspektive lässt die Figuren arrogant wirken, eine Identifikation ist fast nicht möglich, oft werden sie sogar mitsamt ihrem Nachnamen genannt. Das alles ist durchaus so gewollt, die erzeugte Fremde, die Oberflächlichkeit, die Eindimensionalität. Sie machen den Roman aus. Aber sie machen ihn auch weniger interessant. Die Probleme bleiben überschaubar, die Figuren bleiben ohne Ambivalenz. Leif Randt ist erfolgreicher Schriftsteller mit originellem Schreibstil, der weiß, was er tut. Er hat mit „Allegro Pastell“ einen Roman in einer neuen Form geschrieben, die überraschen mag und die sicherlich die Lebensrealitäten vieler junger Menschen abbildet.
Und dennoch: gleichzeitig macht die Form all das uninteressant. Politische oder gesellschaftliche Themen werden höchstens am Rand gestreift, der Kosmos der Figuren dreht sich nur um sie selbst, die Konflikte sind überschaubar, die Abgründe nicht tief. Genau darin liegt aber auch die Stärke des Buchs: sich all dem zu widersetzen, was wir von Regeln der Literatur kennen, keine Identifikation, keine Spannung zu bieten, nicht gefallen zu wollen und somit durch und durch für sich zu stehen.
Allegro Pastell. Leif Randt. Kiepenheuer & Witsch. 2020.
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