Geheimnisse über Geheimnisse

von | 19.08.2017 | Belletristik, Buchpranger

In dem Buch „Das Geheimnis der Madame Yin“ von Autor Nathan Winter begleiten wir die Pinkerton Detektivin Celeste Summersteen nach London, wo sie in eine Serie grausamer Morde hineingezogen wird. Geschichtenerzähler Adrian ist der Sache auf den Grund gegangen.

Eigentlich sollte Celeste Summersteen Akten sortieren, so waren zumindest die ausdrücklichen Anweisungen von ihrem Boss, Mister Pinkerton – Gründer der berühmten, amerikanischen Pinkerton Detektei. Jedoch erhält sie, auf persönlichen Wunsch und zum Ärger Pinkertons, den Auftrag, die junge Dorothea zu ihrer Familie nach London zurückzubringen.
Was sich zuerst nach einem leichten Babysitter-Job anhört, ist aber etwas komplizierter als gedacht. Bisher wurde Dorothea immer noch im Unklaren darüber gelassen, dass ihre Freundin Estelle in London brutal ermordet wurde, was Celeste ihr „im richtigen Moment“ eröffnen soll. In London angekommen, wird Celeste von Dorotheas Mutter gebeten, noch eine Weile auf ihre Tochter aufzupassen und zu versuchen, Estelles Mörder zu finden.

Währenddessen ereignet sich ein weiterer Mord, auf dieselbe Weise wie an Dorotheas Jugendfreundin. Derselbe Mörder hat das Leben der Opium- und Bordellkönigin Madame Yin genommen und sie in die Themse geworfen. Bald sieht sich Celeste zu einer Zusammenarbeit mit Scotland Yard gezwungen, was auch dort auf großes Missfallen stößt. Vor allem bei Inspector Edwards, der den Fall der Madame Yin bearbeitet. Immer wieder versucht Edwards die lästige Amateurin loszuwerden, was diese jedoch nicht an eigenen Ermittlungen hindert. Was ist das namensgebende Geheimnis hinter der Opiumkönigin Madam Yin und wer ist der Mörder? Fragen über Fragen, welche Stück für Stück beantwortet werden.

Krimi-Wirrwarr

„Das Geheimnis der Madame Yin“ wurde von einem Deutschen, mit englischem Pseudonym, geschrieben und erzählt die Geschichte einer Amerikanerin im viktorianischen London. Dieser Satz erklärt recht gut, was es mit der Geschichte, welche dieses Buches erzählt, auf sich hat. An sich kann man es sehen wie einen deutschen Krimi, verglichen etwa mit „Tatort“ oder Ähnlichem: Zuerst passiert der Mord, von da an tröpfelt die Geschichte so vor sich hin und endet am Schluss in einem turbulenten Finale. Alles spielt sich mehrheitlich urban und teils düster ab. Jedoch nimmt die Geschichte erst ab etwa der Hälfte – um Seite 200 – richtig Fahrt auf und beginnt, die Leser zu fesseln.

Das Setting im London der 1877-Jahre und die Herangehensweise an die Ermittlungen erinnern an das typisch Englische. Zum einen die rabiate Methode von Inspector Edwards, welcher durch die Hafenkneipen zieht und durch den Londoner Untergrund wandert. Andererseits den vorerst ruhigeren und heimlicheren Weg, welchen Celeste bei ihren Ermittlungen wählt. Ebenfalls ist die Auflösung des Mordes größtenteils recht englisch. So überraschend wie „der Buttler/Gärtner war’s“ ist es nicht, doch erst im letzten Drittel des Buches wird genug Möglichkeit gegeben, dem Täter langsam auf die Schliche zu kommen.

In der Action und den schnellen Sequenzen erkennt man dann den amerikanischen Teil der Geschichte, denn – wie schon oben genannt – wird ab der Hälfte der „American way of crime solution“ gezeigt. Dies ist nicht schlecht, da Winter die positiven Aspekte der einzelnen Krimi-Gattungen recht gut getroffen hat. Zudem sind die Übergänge zwischen ihnen fliesend und nur offensichtlich, wenn man genau hinschaut.

Emanzipation im viktorianischen London

Schon ziemlich am Anfang wird klar, was den Grundstein dieser Geschichte darstellt: Die Emanzipation einer starken Frau gegenüber der vorherrschenden, chauvinistischen Männerwelt (zu dieser Zeit). Es geht sehr viel um Zwangs- und Zweckehen sowie Frauen in damals typischen Männerrollen. Diese Rollenklischees zu durchbrechen und umzugestalten, wirkt erfrischend und anders – vor allem, wenn man bei viktorianischem London eher an Sherlock Holmes oder Jack the Ripper denkt. Allerdings sind die Emanzipationsversuche und der Chauvinismus teils so offensichtlich und übertrieben dargestellt, dass es zum einen ins Lächerliche abdriftet, andererseits beinahe schon anstrengt.
So wird klar geäußert, dass Celestes Ermittlungen beachtlich sind, jedoch im nächsten Moment gleich wieder mit „sie sind nur eine Frau“-Äußerungen zunichte gemacht werden. Manchmal hatte ich beim Lesen das Gefühl, Celeste könnte vor den Augen dortiger Männer eine ganze schwerbewaffnete Armee im Alleingang niederschießen und sie würde trotzdem noch als schwache Frau behandelt.

Kein Geheimnis um ein Fazit

„Das Geheimnis der Madame Yin“ ist ein Versuch, etwas Anderes und Frisches zu bieten. Das Zusammenspiel von Figuren und Setting hat mich neugierig gemacht und war auch recht unterhaltsam. Von dieser Seite aus wurde ich nicht enttäuscht. Jedoch blühten die beiden Hauptcharakter – Celeste und Inspektor Edwards – erst richtig in den paar Szenen auf, in denen sie zusammen und nicht gegeneinander arbeiteten. Das hätte ich gerne häufiger gesehen. Auch, dass das Buch erst ab der Hälfte so richtig Fahrt aufnimmt, stieß mir etwas sauer auf. Es fiel mir wirklich schwer, das Buch vor Seite 200 nicht einfach im Regal verstauben zu lassen. Im Großen und Ganzen ist „Das Geheimnis der Madame Yin“ ganz in Ordnung. Etwas für lange Reisen oder vor dem Schlafengehen.

Das Geheimnis der Madame Yin. Natan Winter. Pro-Talk. 2017.

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