„Für alle Fans von Game of Thrones“?

von | 16.04.2015 | Belletristik, Buchpranger

„Der Pfad des Zorns“ ist der erste Roman aus der Reihe „Das Buch und das Schwert“ und gleichzeitig das Erstlingswerk des französischen Fantasy-Autors Antoine Rouaud. Es erzählt von einem heruntergekommenen Helden aus alter Zeit, von Wirren und Intrigen und einer uralten Legende, nach welcher das Schicksal jedes Menschen schon vor ewigen Zeiten festgelegt worden sei.

Dun Cadal Daermon hat seine Aufgabe verfehlt. Er war ein Held gewesen und zum Schutz des Kaisers beauftragt worden. Doch der Kaiser ist schon lange tot, das Reich gefallen und ihm bleibt nichts mehr als die gefüllten Weinfässer der neuen Republik. Auch die Historikerin Viola, die ihn aufsucht, um ihn nach einem Schwert zu fragen, welches seit Generationen in der Hand der Kaiser gewesen war und Dun versteckt haben sollte, kann den früheren Helden wenig wachrütteln. Nur widerwillig erzählt er ihr die Geschichte seiner Vergangenheit, in welcher er in den Salinen-Sümpfen von einem unscheinbaren und namenlosen Jungen gerettet wurde, den er zu seinem Knappen und später zu einem fähigen und stolzen Ritter ausgebildet hat.

Die Intrigen nehmen allerdings zu und trotz aller Versuche kann er den Sturz des Kaiserreiches, für dessen Schutz er kämpft, nicht verhindern. Nun mischt sich die Gegenwart ein, die Erzählung wird weitergesponnen und entspringt nicht mehr aus Duns Erinnerungen. Er selbst ist nun wieder Teil eines großen Wandels und Umbruchs, dessen er entfliehen will. Er bemerkt, wie sehr er hereingelegt wurde, was wirklich hinter den Intrigen steckt – und dass der ihm bekannten Welt nun erneut ein Umbruch bevorsteht. Das allerdings gilt es zu verhindern. Nur: kann Dun Cadal genug vertrauen? Kann er dem Wein überhaupt entsagen und wieder zu dem werden, der er früher gewesen war? Als dann auch noch das Buch auftaucht, welches der Legende entsprungen scheint, gilt es, standfest im eigenen Glauben oder wandelbar genug zu sein, um seine Ziele trotz allem im Auge zu behalten.

Perspektiven

„Der Pfad des Zorns“ weist einige sehr interessante Perspektiven auf. Die Geschichte besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil erzählt Dun Cadal der Historikerin Viola in Rückblenden und langen Kapiteln von der Vergangenheit, die ihn zu dem gemacht hat, der er heute ist: ein Trunkenbold und mürrischer Mensch. Als der frühere Held dann bemerkt, dass seine Erinnerungen zum Teil nicht richtig oder lückenhaft sind und sich eine Person in den Vordergrund schiebt, die er schon lange für tot gehalten hat, wird aus dessen Sicht weitererzählt. Von da an mischen sich handlungsweiterführende Passagen mit den Rückblicken derselben Vergangenheit, die auch Dun Cadal erlebt hat… aber eben aus einer anderen Sicht, mit anderen Details und anderen Blickwinkeln. Das ist einerseits spannend, da neue Informationen freigegeben werden, um Klarheit zu schaffen und Lücken zu schließen, die in den Erinnerungen Dun Cadals nicht stattgefunden haben. Andererseits ist aufmerksames Lesen vonnöten, um nicht durcheinander zu kommen, wo man sich denn gerade befindet.

Schreibstil

Der Autor konzentriert sich weniger auf das Beschreiben von großen Schlachten, sondern viel mehr auf die Charakterentwicklung der Personen, das Zusammenspiel von ihnen und die Wandelbarkeit derer Gefühle und Zugehörigkeiten. Rache und Wut, Liebe und Freundschaft werden bei ihm zu Begriffen, die sich durchaus verändern können und sich stetig wandeln, ohne dabei zu harsch zu wechseln. Sein Schreibstil besticht auch durch sehr ausführliche Beschreibungen am Anfang, um sich ein gutes Bild im Kopf zu schaffen. Der Schluss wirkt dahingegen ein wenig hektisch geschrieben, so als würde der Autor schnell ans Ziel kommen wollen.

„Für alle Fans von Game of Thrones“?

Wenn man dem irreführenden Sticker am Buchcover, das besagt „Für alle Fans von Game of Thrones“ nicht allzu viel Glauben schenkt, ist es dennoch ein Buch, das sich im Fantasy-Genre sehr wohlfühlen darf. Die Geschichte ist gelungen, die Durchführung spannend, der Lesefluss bis auf wenige Passagen – falls man die Zeitsprünge nicht ganz zuordnen konnte – durchaus vorhanden. Die Erzählart wirkt etwas anders, aber dafür auffrischend interessant. Lediglich ein paar fehlende Erklärungen oder offene Stränge lassen auf eine Fortsetzung und ein Schließen dieser Lücken hoffen. Wer Fantasy mag, die mit wenig Magie, einigen Intrigen und starken charakterlichen Ausführungen und Wandlungen ausgestattet ist, ist hier genau richtig!

Elisabeth

Das Buch und das Schwert – Der Pfad des Zorns, Antoine Rouaud, Heyne, 2013

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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