Friedrich Ani und der nackte Mann in Bremen

von | 12.10.2016 | Stadtgespräch

„Nackter Mann, der brennt“ heißt der neue Roman von Friedrich Ani, mit dem er zu Gast beim Bremer Krimifestival „Prime Time – Crime Time“ gewesen ist. Worteweberin Annika war bei der Lesung im Bremer Kriminaltheater dabei, die von der Buchhandlung Logbuch organisiert wurde.

An einem wuchtigen, alten Holzschreibtisch sitzt Friedrich Ani auf der Bühne im Kriminaltheater. Seine Lederjacke hat er, ganz unprätentiös, auf den Boden geworfen, ist ja schließlich Theaterboden. Über ihm erstreckt sich im schummrigen Licht das Gebälk einer alten Brauerei und zaubert eine rustikal-charmante Stimmung. Auf den Stühlen schart sich das gespannte Publikum. Hauptsächlich Frauen sind es, denn zeitgleich spielt Werder Fußball – so ist das halt in Bremen. Ein Haufen Krimifans hat trotzdem her gefunden, und für die kann es auch schon losgehen mit der Lesung aus „Nackter Mann, der brennt“. Mit seinem leichten süddeutschen Dialekt in der Vorlesestimme breitet Ani eine Episode nach der anderen vor dem Publikum aus, alle markiert mit kleinen grünen Klebezetteln. Langsam fügen sie sich zu einer Geschichte zusammen, die ganz anders ist, als „normale“ Krimis:

friedrich-ani_nackter-mann-der-brenntHeiligsheim ist ein süddeutsches Kaff, in dem jeder jeden kennt und Gerüchte und Geheimnisse zu Hauf verborgen liegen. Hierhin kehrt Ludwig Dragomir nach vielen Jahren zurück. Als Kind wurden er und seine Freunde hier Opfer von Missbrauch, bis er eines Tages nach Berlin floh. Noch heute quälen ihn deswegen Schuldgefühle und die Wut gegen die Täter von damals. Ist nun die Zeit für Rache gekommen? Jedenfalls verschwinden nach seinem Auftauchen mehrere ältere Männer, und so ermittelt die Kommissarin Anna Darko auch gegen Ludwig Dragomir.

Wer hier der Entführer ist, bleibt im Roman nicht lange ein Geheimnis. Doch darum und um die Ermittlung geht es auch gar nicht so sehr. Vielmehr schildert Ani sehr einfühlsam und mit einem Schuss Ironie, wie aus Opfern Täter werden. So ist Ludwig Dragomir für Ani ein „Leidensmann“, und das interessiere ihn viel mehr, als die Verbrechen, die in Heiligsheim begangen werden. Lange habe er versucht, dessen Geschichte zu erzählen, und in „Nackter Mann, der brennt“ sei es nun endlich gelungen. Wegen des Interesses am Täter (oder Opfer) spielt hier die Kommissarin nur eine Nebenrolle, erzählt wird aus der Sicht von Dragomir, ein Krimi Noir also. Auf einen Meister des Noir, Jim Thompson, spielt Ani übrigens auch mit seiner Figur der Komissarin Anna Darko an, denn Thompson stammt aus Anadarko in Oklahoma.

Schließlich plaudert Ani noch ein bisschen aus dem Nähkästchen. Er erzählt vom Leben als Autor, vom Druck, den er sich selbst mache, wenn er noch schnell ein oder zwei Drehbücher einschiebe. Davon, wie er auch jetzt auf Lesereise im Hotelzimmer schreiben würde, statt sich die Städte anzusehen, die er besucht. Aber vielleicht würde das ja im nächsten Jahr alles anders, sagt Ani augenzwinkernd. Ob man das nun glauben soll?
Und der ungewöhnliche Titel? Der kommt von einem Song namens „Naked man burning“. Den könne man aber nicht googlen, stamme er doch vom Schriftsteller selbst. Trotzdem gut zu wissen.

Nackter Mann, der brennt. Friedrich Ani. Suhrkamp. 2016.

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