Eine unscheinbare Horrorperle

von | 27.03.2019 | Digitale Spiele, Spielstraße

Im Juni 2012 sorgte Entwickler und YouTuber Mark J. Hadley mit seinem Spiel „Slender: The Eight Pages“ für einen wahren Internethype. Zwar ist dieser Hype längst abgeklungen, doch Geschichtenerzähler Adrian wirft einen Blick zurück und findet, dass „Slender“ hinter seiner kantigen Grafik und simplen Spielmechanik noch immer eines der besten Horrorspiele seines Genres ist.

Das oberflächliche Szenario von „Slender: The Eight Pages“ ist ebenso schnell erklärt wie seine Regeln: Man startet allein in einem Wald bei Nacht, nur mit einer Taschenlampe bewaffnet muss man sich nun auf die Suche nach den im Titel erwähnten acht Seiten machen, die überall im Spielgebiet verteilt sind. Wie und warum die Spielfigur hier gelandet ist, wird nicht verraten. Doch man ist nicht allein in dem Wald, denn der namensgebende Slenderman, ein gesichtsloses, humanoides Wesen, verfolgt einen.

Same same, but different

Obwohl die Karte des Spielgebietes dieselbe bleibt – besondere Orte haben ihren festen Platz – sind die Seiten immer unterschiedlich im Wald verteilt und versteckt. Kein Spieldurchlauf ist wie der andere, obwohl die Grundprämisse stets gleich bleibt.

Hier spielt ebenso der Slenderman eine große Rolle, denn sein Verhalten und seine Position sind kaum bis gar nicht vorherzusagen. So kann es sein, dass der Spielende den Slenderman hinter einem Baum in der Ferne entdeckt und im nächsten Moment steht er direkt hinter der nächsten Ecke. Klingt zwar ein wenig nach billigem Jumpscare-Spiel, doch durch den Trick, dass sich der Gesichtslose solange nicht bewegen kann, wie ihn der Spieler anschaut, entsteht ein wenig das Gefühl von Kontrolle. Die Tatsache, dass man jedoch Stück für Stück den Verstand verliert, je länger man den Slenderman anschaut, lässt den Spielenden nicht übermächtig erscheinen. Es ist ein Wechselspiel zwischen Angst und dem Versuch, die Lage zu kontrollieren, was jedoch mal besser, mal schlechter gelingt. Hinzu kommen noch die besonderen Orte – beispielsweise eine Art Waschhaus und eine Baustelle, die ein beinahe klaustrophobisches Gefühl vermitteln.

Gekonnte Immersion

Natürlich kann man jetzt Spiele wie etwa „Alien: Isolation“ anführen, deren Story viel umfangreicher ist und nebenbei noch viel besser aussieht. Schließlich ist das gegnerische Alien ebenso unberechenbar und gar nicht zu durchschauen, doch gegen „Alien: Isolation“ hat „Slender: The Eight Pages“ einen entscheidenden Vorteil, der ebenso wichtig für ein Horrorspiel ist wie eine bedrückende Atmosphäre und Grusel: gekonnte Immersion. Immersion bedeutet: Ein Spiel oder Buch erzeugt ein so stimmiges und fesselndes Erlebnis, dass man sich als Spielender darin verlieren kann.

Zwar schafft es „Alien: Isolation“ auch, solch eine Grundstimmung zu erzeugen, bis man stirbt und stirbt und stirbt, denn das Alien ist zu unberechenbar und scheint ebenso willkürlich. Man stirbt, aber es geht weiter, denn man hat unendlich viele Leben, unendlich viele Chancen, es zu schaffen und ebenso unendlich viele Chancen, erneut getötet zu werden. Es gleicht einem Limbus, in dem jeder Versuch anders ist. Die Willkür des Aliens macht ein Planen beinahe unmöglich und so kommt irgendwann die Frustration und die Immersion, welche das Spiel so stimmungsvoll aufgebaut hat, ist für die Katz. Angespannt krampft man sich von Checkpoint zu Checkpoint und ist halb mit den Nerven fertig, wenn alles geschafft ist.

Auch in „Slender“ ist der Tod häufig, aber dann ist das Spiel aus und beginnt von vorne – was bei der kurzen Spielzeit nicht so tragisch erscheint. Jeden Spieldurchlauf baut das Spiel erneut seine Atmosphäre, seine Immersion gekonnt schnell auf und je länger durchgehalten wird, desto stärker werden diese beiden Aspekte. Natürlich ist ein kurzer Ärger da, wenn wieder nicht geschafft wurde, die acht Seiten einzusammeln, doch man ist dem Spiel nicht böse, da es nie unfair erscheint.

Immer wieder gut

„Slender: The Eight Pages“ ist ein nostalgisches Horrorerlebnis, welches auch nach Jahren noch begeistern kann. Da es kostenlos ist und niedrige Anforderungen für den PC hat, ist es für alle möglich, einen Blick zu riskieren, was ich auch empfehle. Man sollte nur über die kantige Grafik hinwegsehen, denn dahinter steckt eine echte Horrorperle.

Slender: The Eight Pages. Von: Mark J. Hadley. Parsec Productions. 2012. FSK 12.

Screenshots: Geschichtenerzähler Adrian

 

Bücherstadt Magazin

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