Eine schicksalhafte Reise durch Raum und Zeit

von | 20.07.2015 | Buchpranger, Graphic Novels, Comics, Manga

Die fünfzehnjährige Yuri Suzuki, aus Chie Shinoharas „Anatolia Story“, ist überglücklich ihren ersten Kuss von ihrem Freund bekommen zu haben. Auch sonst scheint alles im Lot: Hat sie doch im ersten Anlauf die Aufnahmeprüfung zur Oberschule bestanden. Doch plötzlich ereignen sich seltsame Dinge. Das Wasser in ihrer Nähe entwickelt ein Eigenleben und sie wird schließlich von mysteriösen Händen in die Tiefe gezogen. Yuri kann sich befreien, doch als sie die Wasseroberfläche durchbricht, befindet sie sich nicht mehr im modernen Japan…

Fremde Menschen, eine fremde Sprache und ein Ort, den Yuri nie in ihrem Leben gesehen hat. Wie sich später herausstellen soll, ist Yuri im Hattusha des 14. Jahrhunderts vor Christi Geburt gelandet, der Hauptstadt des Kaiserreiches der Hethiter im heutigen Anatolien im Herzen der türkischen Republik. Von den Stadtwachen verfolgt, stolpert Yuri über einen gutaussehenden, jungen Mann, der sie zunächst rettet, indem er sie als seine Geliebte ausgibt und vor den Wachen verbirgt – ja sogar küsst! Dass sie nun auf wundersame Weise die Sprache versteht, nimmt Yuri erneut Reißaus, nur um den Wachen doch noch in die Arme zu laufen und der Drahtzieherin ihrer Zeitreise ausgeliefert zu werden. Königin Nakia beabsichtigt, die erstgeborenen Söhne ihres Mannes durch einen Fluch zu töten und ihren eigenen Sohn auf den Thron zu setzen. Dazu bittet sie als Priesterin des Wassers die Götter um ein Opfer, das sie ihr schicken – Yuri.
Nur mit der Hilfe des jungen Mannes, der sich als Prinz Kail Mursili entpuppt und sie als seine Konkubine ausgibt, entgeht Yuri dem sicheren Opfertod. Unterrichtet über Nakias Pläne und diese zerschlagen wollend, verspricht er Yuri einen Weg nach Japan zurück zu finden.

Dies ist der Beginn eines langen, abwechslungsreichen Abenteuers, das die junge Heldin nicht nur durch die Zeit, sondern auch weit durch das hethitische Großreich bis nach Ägypten unter der Herrschaft Nofretetes führt.
Mit „Anatolia Story“ („Sora wa Akai Kawa no Hotori“) legte Chie Shinohara von 1995 bis 2002 eine 28-bändige Shoujo-Reihe vor, in der sich die Ereignisse nur so überschlagen. Hierzulande erschien die Geschichte zunächst beim Egmont Manga & Anime-Verlag kapitelweise in der Anthologie „Manga Twister“ bis sie 2005 den Sprung zur Einzelveröffentlichung schaffte. Seit 2011 liegt die Serie abgeschlossen vor.

Für das Shoujo-Segment erscheint „Anatolia Story“ recht ungewöhnlich. Schon das Setting hebt sich deutlich von denen der zahlreich erscheinenden Highschool und Romance Manga ab und orientiert sich mal mehr und mal weniger genau an historischen Fakten. Dem Leser werden die Gefahren der antiken Welt deutlich gemacht. Es wird Gewalt angewandt, Menschen werden getötet und Kriege geführt. Nicht nur einmal bangt man mit Yuri um ihr oder das Wohl ihrer neu gewonnenen Freunde. Nakia versucht ununterbrochen durch unterschiedliche politische Intrigen an ihr Ziel zu kommen. Und sie bleibt nicht die einzige Feindin.
Die Geschichte bleibt dabei abwechslungsreich und wartet mit einigen Überraschungen und dramatischen Wendungen auf. Natürlich spielt auch hier die Liebe eine große Rolle, die Yuri bald vor die schwere Wahl stellt. Soll sie bei Kail bleiben, in den sie sich langsam aber sicher verliebt, oder doch nach Hause zurückkehren?

„Anatolia Story“ ist ein unterhaltsamer Manga aus den späten 90er bis 2000er Jahren und wartet mit gut durchdachter Storyline, interessanten Charakteren und hübschen Zeichnungen auf. Wer sich auf ein großes Abenteuer mit historischen Einschlägen einlassen möchte und Abwechslung zum Shoujo Einheitsbrei sucht, ist mit diesem Titel gut beraten.

Claudia

Anatolia Story, Chie Shinohara, Egmont Verlag, 2005

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