Wenn es ums Erbe geht, gibt es nichts zu scherzen: Wortklauberin Erika hat bei Piersandro Pallavicinis „Erben auf Italienisch“ trotzdem einige Lachtränen vergossen.
Alfredo Pampaloni ist schon länger in Pension – nicht, dass ihn das daran hindern würde, sein Sechzigerjahre-Playboy-Outfit mit Mokkasins zu komplettieren oder es mit dem Trinken zu übertreiben. Der Käsefabrikant, berühmt für rosa Gorgonzola, lädt seine beiden Kinder mitsamt Enkeln in sein Sommerhaus in den italienischen Alpen ein, um ihr Erbe zu besprechen. Im malerischen Bergdorf Solària, zwischen verrosteten Skiliften und verfallenen Grandhotels, nimmt die Komödie – oder das Drama? – ihren Lauf.
Familienbande
Familie Pampaloni ist ein seltenes Glanzstück einer vollkommen dysfunktionalen Familie und daraus wird ab dem ersten Moment im Oktober, an dem sich die Erzählerin auf dem Weg zu ihrem Bruder an den vergangenen August zurückerinnert, kein Geheimnis gemacht. Carla Pampaloni Scotti, ihres Zeichens Universitätsprofessorin für Chemie, steht am „Seufzerterminal“ – so der Titel des ersten Kapitels – auf dem Weg zu ihrem Bruder Edo. Sie kann ihn genauso wenig leiden wie den Vater, von dem sie sich ihr Leben lang vernachlässigt gefühlt hat. Edo ist Gallerist in London, verheiratet mit einer Frau, die es nur auf das Familienvermögen abgesehen hat. Vater Alfredo hatte beide im August zu sich eingeladen, unter dem Vorwand, die Erbschaft zu regeln: Er lebe nämlich nicht mehr lange.
Eine Welt aus den Fugen
Dabei merkt man Alfredo von seinem nahenden Tod wenig an. Er tut lieber alles andere, wie Leserinnen und Leser Kapitel für Kapitel erfahren: Seine Leidenschaft für Alkohol und seinen Alfa Spider bringen ihn wie den Rest der Familie nicht selten in tragikomische Bedrängnis. Der Patriarch lässt keine Gelegenheit aus, um seine Kinder wie seine Enkelkinder in den Wahnsinn zu treiben. Schließlich gerät die Welt, wie die Erzählerin auf der ersten Seite des Buchs sinniert, aus den Fugen. Das müssen Carla und ihr Bruder Edo nun richten: Was für ein Schlamassel.
Piersandro Pallavicini, der für seine tragikomischen, skurrilen Romane bekannt ist, überzeugt nach „Atomico Dandy“ und „Ausfahrt Nizza“ auch mit diesem Buch, das von der prämierten Übersetzerin Karin Fleischanderl ins Deutsche übertragen wurde. Der Roman ist im Deutschen wie im Italienischen kurzweilig und komisch. Dabei kommt es nicht selten vor, dass die Komik ins Tragische abrutscht: Alfredo, das Relikt des italienischen Wirtschaftswunders der Sechzigerjahre, ist kompliziert und erliegt seinen Fantasien von Größe und hat nicht mehr lange zu leben. Die dysfunktionale Familie Pampaloni erzeugt einige skurril-spaßige Momente, die zugleich zu denken geben. Eine Empfehlung für heiße Sommertage am Strand!
Erben auf Italienisch. Piersandro Pallavicini. Übersetzt von Karin Fleischanderl. Folio Verlag. 2015.
0 Kommentare