Drei Generationen

von | 02.08.2018 | #Kunterbunt, Filme, Filmtheater, Specials

In dem Film „Alle Farben des Lebens“ von Regisseurin Gaby Dellal leben drei Generationen – Großmütter, Mutter und Sohn – unter einem Dach zusammen. Dabei steht thematisch im Fokus, dass der 16-jährige Ray noch im Körper eines Mädchens lebt und eine geschlechtsangleichende Operation möchte. Geschichtenzeichnerin Celina hat sich diesen Film angesehen.

Der Film steigt sofort in die Thematik ein. Die erste Szene behandelt, dass alle drei Generationen beim Psychiater sind und klar geäußert wird, dass Ray, gespielt von Elle Fanning, im falschen Körper lebt. Seine Mutter Maggie, verkörpert von Naomi Watts, bekommt eine Einverständniserklärung in die Hand gedrückt, wo sie per Unterschrift ihre Zustimmung zur Geschlechtsangleichung geben soll, da Ray noch nicht volljährig ist. Daraufhin kommt die erste Komplikation auf, da nicht nur sie, sondern auch der Vater des Kindes unterschreiben soll. Maggie ist aber alleinerziehend und hat den Vater seit 10 Jahren nicht gesehen.

Es vergehen Tage und sie versucht, mit den Behörden zu sprechen, doch es hilft nichts, sie muss den Vater aufsuchen. Auch Großmutter Dolly, dargestellt von Susan Sarandon, versucht, sie davon zu überzeugen, zum Vater hinzufahren. Frances, gespielt von Linda Emond, ist als weitere Großmutter und Frau von Dolly auch besorgt, versucht sich aber mehr aus den Diskussionen herauszuhalten. In all den bisherigen Kinder- und Jugendjahren wusste Ray nichts von seinem Vater. Auch dass nun von ihm eine Unterschrift benötigt wird, erfährt er erst nach einem verzweifelten Zusammenbruch seiner Mutter. Was tun? Und wie damit umgehen?

So viel auf einmal

In „Alle Farben des Lebens“, wobei der englische Titel „Three Generations“ besser gewählt ist, werden den Zuschauern besonderes drei Identifikationspersonen eröffnet: der jugendliche Ray, die Mutter und die zwei Großmütter. Dadurch wird das Thema Transgender aus mehreren Perspektiven beleuchtet und weitreichend aufgegriffen. Hinzu kommt, dass alle Protagonisten eine Entwicklung durchleben, was den Inhalt des Films recht komplex werden lässt. Dies ist per se sinnvoll und gut, jedoch scheint es so, als hätte man sich für einen 89-Minuten-Film zu viel vorgenommen.

Es wirkt, als musste man das Drehbuch aufgrund der Filmlänge kürzen. Es fehlen Teilaspekte, wie zum Beispiel: Warum ist die Mutter erst so hin- und hergerissen zu unterschreiben? Man kann sich denken, dass es eventuell darum geht, dass Ray heftige Operationen bevorstehen und sie sich um ihr Kind sorgt, aber gesagt oder genauer thematisiert wird es nicht. Auch fehlen hier Hintergrundinformationen. So erscheint manches nicht ganz nachvollziehbar. Es wäre, wegen des wirklich guten Grundkonzepts, schön gewesen, diese komplexen Inhalte in einer Art Miniserie zu präsentieren. So hätte das ganze Potenzial mehr ausgeschöpft werden können.

Um das Drehbuch herumgespielt

Die Schauspielerinnen der Hauptcharaktere lassen ihre Rollen, soweit wie das Drehbuch zulässt, authentisch wirken. Elle Fanning bringt als Ray einen kaum emphatischen, recht launischen und sturen Teenager zum Ausdruck. Naomi Watts schafft es, die sich sorgende, teils leidende und zwiegespaltene Mutter Maggie authentisch darzustellen. Susan Sarandon meistert ihre Rolle als selbstsichere, gestandene und liebenswerte Großmutter Dolly, die meist einen flotten Spruch auf Lager hat. Generell bringen die beiden lesbischen Großmütter durch ihr Auftreten mehr Lockerung in den sonst recht ernsten Film. Trotz dieser enormen schauspielerischen Leistungen liegt es am Drehbuch, dass einige Lücken entstehen oder manche Handlungen nicht ganz schlüssig sind.

Ästhetik der Filmsprache

Besonderes fällt auf, dass auch Filmaufnahmen von Handkameras/Smartphones miteinbezogen werden, die Ray im Film selbst zu drehen scheint. Es sind beispielsweise verwackelte Szenen auf dem Skateboard oder Nahaufnahmen ans Gesicht zu sehen. Diese Aufnahmen schneidet sich Ray eigens für eine Art Dokumentation zusammen. Allerdings wird dabei öfters das gleiche Material benutzt und die Großmütter, mit denen er unter einem Dach lebt, sind nicht zu sehen.

Zudem fragt man sich als Zuschauer, warum Ray diese Zusammenschnitte anfertigt und wieso dann trotzdem kaum älteres Material zu sehen ist, welches den Zuschauern mehr vergangene Aspekte hätte näher bringen können. Vielleicht ist es für Ray eine Art Therapie oder Hilfe zur Bewältigung der Situation, aber man weiß es nicht genau. Als Stilmittel ist es eine durchaus positive Art, eine Nähe zum Protagonisten aufzubauen, allerdings hätte dies noch weiter ausgeschöpft werden können.

Das wäre schön: der Film als Miniserie

Die Ansätze und das Grundkonzept des Films haben ein großes Potenzial. Alle Sicht- und Lebensweisen der Generationen Großmütter, Mutter und Sohn sind spannend in Szene gesetzt, auch wenn leider hier und da einiges zu kurz kommt. Man gewinnt einen Einblick in deren Lebenswelt, aber darüber hinaus wäre es schön gewesen, noch mehr zu erfahren. Dieser Film ist eine Dramödie, was die Komplikationen der Beziehungen, aber auch die lockeren Momente miteinbezieht.

„Alle Farben des Lebens“ kann laut FSK ab 6 Jahren gesehen werden. Es wäre allerdings auch wünschenswert gewesen, heiklere Themen wie etwa die Operationen, die bevorstehen, einzubringen und den Film dann ab 12 Jahren herauszubringen. So werden zwar einige aufklärerische Aspekte eingebracht, aber manche andere kommen zu kurz.

Alle Farben des Lebens. Regie: Gaby Dellal. Schauspieler: Elle Fanning, Naomi Watts, Susan Sarandon u.a. WVG Medien GmbH. 2017.

 

Ein Beitrag zum Special #Kunterbunt. Hier findet ihr alle Beiträge.

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