In manchen Zauberschulen möchte man gleich zu Hause sein. Aus manchen möchte man einfach nur lebend wieder raus. Bücherstädterin Vera hat mit Naomi Noviks „Scholomance: Tödliche Lektion“ den Auftakt einer dunklen YA-Fantasy-Reihe gelesen, die durch die zynische Stimme der Protagonistin lebt.
Willkommen an der Scholomance. Hier lernen junge Hexen und Zauberer aus aller Welt ihr Handwerk, schulen ihre magischen Begabungen, und verbringen vier Jahre miteinander, bis zum Abschluss, oder bis zum Tod. Denn in dieser Schule will die Schüler*innen so gut wie alles umbringen: Das Essen, die Möbel, falsch eingesetzte Zaubersprüche und vor allem die überall in der Schule herumlungernden Monster, die Maleficaria. Ach, und auch manche Mitschüler*innen gehen über Leichen. Immerhin sind die Lehrer*innen nicht mordlustig. Es gibt nämlich keine. Gemütlich! Mit sarkastischer Stimme und rebellischem Charakter führt Protagonistin El durch den Trilogie-Auftakt.
„Wir sollen nämlich gar nicht alle überleben. Die Schule muss schließlich irgendwie gefüttert werden.“ (S. 8)
El, kurz für Galadriel (nennt sie bloß nie so!) selbst ist eine Außenseiterin, denn ihre magische Begabung ist ausgerechnet die Massenvernichtung. Damit macht man sich nicht unbedingt beliebt an einer Schule, in der man einfach nur am Leben bleiben will. Wider Willen schließt sie dennoch Freundschaft mit dem privilegierten Orion, der ihr und Hunderten anderen immer wieder selbstlos das Leben rettet. Was eigentlich nett klingt. Aber im Endeffekt bedeutet, dass die Maleficaria von Tag zu Tag hungriger werden. Was wiederum den Schüler*innen der Abschlussklasse zusetzt, denen dadurch in ihrer Abschlussprüfung ein nie dagewesenes Gemetzel droht.
„Etwa die Hälfte der Abschlussklasse – beziehungsweise die Hälfte derjenigen, die bis dahin überlebt haben – schafft es tatsächlich. Dad hat es nicht geschafft.“ (S. 21)
Auch wenn das Worldbuilding stellenweise zynisch überspitzt scheint: Was an dieser Fantasy-Welt besticht, ist, dass Novik sich die Zeit genommen hat, die Regeln der magischen Welt und das Gleichgewicht der Energie zu erklären. Durch El erzählt, kann man zwar nicht immer einfach folgen, doch nach und nach erschließen sich die Prinzipien, wie Magie und überhaupt der Alltag an der Schule funktionieren: Magie kann sowohl als „Mana“ ehrlich durch Anstrengung verdient werden, oder als „Malia“ der Lebensenergie von Tieren und sogar Menschen abgezogen werden. Wie ethisch holt man sich Magie, wenn es um Leben und Tod geht?
Novik bringt an ihrem magischen britischen Internat Kinder aus aller Welt zusammen, und gerade diese Durchmischung sorgt für spannende Konstellationen und einen diversen Gesamteindruck. Trotzdem könnte man meinen, die ständige Todesangst mache alle Jugendlichen gleich. Doch auch an der Scholomance gibt es verschiedene Gruppen und sogar privilegierte Eliten: Enklaven, um die sich viele Jugendliche reißen. Davon abgesehen lässt der Roman auch Raum für typische YA-Momente, die die dunkle Stimmung des Settings auflockern: Freund*innenschaften und Familienkonflikte, Romantik und Rivalitäten.
Einige Fragen werden noch nicht beantwortet: Woher kommen eigentlich die Maleficaria? Steckt ein tieferer Sinn hinter der Schule? Der Auftakt der Trilogie lässt durchblicken, dass es noch einige Geheimnisse zu lüften gibt.
Fazit: Dark Academia? Ja bitte! Wer sich durch Els schwierigen Charakter und ihre manchmal abgebrüht-gefühlskalte Erzählstimme nicht abschrecken lässt, kann sich mit „Tödliche Lektion“ auf ein düsteres Abenteuer einlassen.
Scholomance (Band 1): Tödliche Lektion. Nomi Novik. Aus dem Englischen von Doris Attwood. cbj. 2021.
Das klingt echt spannend und nach Abwechslung! Ich glaube, ich setze das mal auf meine Wishlist 😀