Die Rückkehr des gruseligsten Personalpronomens

von | 17.10.2017 | #Todesstadt, Filme, Filmtheater, Specials

Mit „Es“ (2017) macht sich der argentinische Regisseur Andrés Muschietti an eine erneute Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Horrorautor Stephen King. Ob der erste Teil dieses Horrorklassiker-Remakes einen würdigen Auftakt liefert, sagt euch Geschichtenerzähler Adrian.

Die Geschichte von „Es“ beginnt 1988 in der amerikanischen Kleinstadt Derry im Bundesstaat Maine. Der erkrankte Bill Denbrough – auch boshaft „Stotter-Bill“ genannt – sitzt mit seinem kleinen Bruder Georgie in seinem Zimmer und baut ein Papierboot. Dieses will Georgie im Rinnstein schwimmen lassen, da wegen eines Unwetters die Straßen von Derry vollkommen überschwemmt sind.

Durch eine unglückliche Fügung kann er jedoch nicht verhindern, dass das Boot in der Kanalisation landet. Bei dem Versuch, es im Dunkeln des Gullys doch noch zu finden, macht Georgie Bekanntschaft mit Pennywise, dem tanzenden Clown – gespielt von Bill Skarsgård – welcher in der Kanalisation zu wohnen scheint. Zuerst nett und freundlich, nutzt Pennywise schließlich einen unachtsamen Moment, um Georgie in sein nasses Heim zu ziehen.

Monate später im Jahr 1989 setzt die Geschichte wieder ein. Georgie ist nicht das einzige Kind, welches in Derry verschwunden ist. Die Rate an Vermisstenfällen ist seit Beginn der Geschichte stetig gestiegen und reißt scheinbar nicht ab. Bill, der sich selbst Mitschuld an dem Verschwinden seines kleinen Bruders gibt, ist fest davon überzeugt, dass Georgie noch lebt und versucht ihn mit allen Möglichkeiten zu finden. Er bittet seine Freunde, den Hypochonder Eddie, der dem Judentum angehörigen Stanley und die Quasselstrippe Richie mit ihm zusammen die Kanalisation zu erkunden, wo er seinen Bruder vermutet.

Am Kanalisationszugang in den Barrons – einem Fluss – treffen sie auf Ben, einen dicklichen Jungen, der gerade vor dem Stadtbekannten Schulschläger Henry Bowers und seinen Kumpanen davonläuft. Als die Freunde den blutenden Ben verarzten wollen, hilft ihnen Beverly – die in der Schule als Schlampe tituliert wird – Verbandszeug aus der Apotheke zu stehlen. Schließlich helfen sie noch dem afroamerikanischen Jungen Mike, ebenfalls einer Schikane durch Henry Bowers zu entkommen. Die Kinder schließen sich daraufhin zum „Club der Loser“ zusammen. Verbunden durch ihren Status als Außenseiter und ihren eigenen Erfahrungen mit Pennywise, wollen sie das Geheimnis hinter den Vermisstenfällen und dem mörderischen Clown aufklären. All dies scheint sich nämlich alle 27 Jahre zu wiederholen.

Einige Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Der wohl prägnanteste Unterschied zum Roman von King ist, dass die Geschichte nicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her wechselt, sondern chronologisch erzählt wird. Somit sind die Erlebnisse der Kinder nicht nur vereinzelte Erinnerungsstücke ihrer erwachsenen Gegenparts, sondern werden als eine zusammenhängende Geschichte präsentiert – welche auch nicht durch das Teilen in zwei Kapitel abgeschnitten wird, wie in der ersten Buch-Verfilmung von 1990. Man geht mit dem Gefühl aus dem Kino, eine abgeschlossene Handlung gesehen zu haben.

Ebenso anzumerken ist, dass der Zeitraum, in dem sich die Geschichte abspielt, um dreißig Jahre in die Zukunft verschoben wurde. Beginnt das Buch noch 1958, setzt der Film erst 1988 ein. Schön ist, dass der komplette Prolog – die Geschichte um Georgies Verschwinden – fast eins zu eins dem Buch nacherzählt ist. Auch die erste Begegnung zwischen Ben Hanscom und Henry Bowers ist sehr akkurat dem Buch nachempfunden. Jedoch wurden Handlungen und Kontexte einiger Charaktere abgeändert – leider auch zum Negativen. So verkommt etwa Mike, der im Buch erst den Stein des Anstoßes für die Recherche um Derrys Geschichte liefert, zu einem etwas farblosen Charakter. Seinen Part übernimmt nun Ben.

Die Sache mit der Angst

„Es“ schafft es wirklich gut, die Ängste der Kinder einzufangen und sie gegen sie einzusetzen. Jedoch schwächelt der Film in den falschen Momenten. Zwar geht die Verfilmung ganze 135 Minuten, dennoch wirkt es so, als wolle sie zu viel erzählen. So bedient sich der Film teilweise billiger Jump Scares, um Horrorsequenzen zwar effektvoll, jedoch zu abrupt zu Ende zu bringen. Er versucht damit mehr Zeit für andere Sachen zu schaffen. Einige Szenen, in denen die Kinder Horrorvisionen durch Pennywise haben, hätten gerne länger sein können, sodass sich der Horror richtig hätte entfalten können – beispielsweise Bens erste Begegnung mit Pennywise in der Bibliothek.

Auch die Musik rückt etwas zu sehr in den Hintergrund. Eigentlich tut es einem Horrorfilm ganz gut, wenn die Musik nicht zu dominant ist, sondern den Zuschauern unterbewusst ein mulmiges Gefühl vermittelt. Leider verspielt „Es“ hier etwas seine Karten, denn die Musik ist kaum bis gar nicht präsent – abgesehen von den teils etwas unpassend gewählten Pop- und Rocktiteln. Mehr zu Pennywise passende Jahrmarktsmusik, wie in der ersten Begegnung zwischen Georgie und Es, hätte vielen Szenen gut getan.

ES gucken oder ES lassen?

Trotz einiger Kritikpunkte ist das erste Kapitel der neuen „Es“-Verfilmung recht gelungen. Der Film schafft es, Horror zu erzeugen und Bill Skarsgård ist als Pennywise überzeugend – auch wenn man darüber streiten könnte, ob er an Tim Currys Performance im 1990er-Film heranreicht. Sehr positiv sind zudem die Kinderdarsteller aufgefallen, die eine glaubwürdige Performance abliefern. Wie erwähnt, geht man zufriedener aus dem Kino, da die Geschichte abgeschlossener wirkt. Alles in allem kann man sehr gespannt sein, wie Regisseur Andrés Muschietti das zweite Kapitel von „Es“ inszenieren wird – voraussichtlich wird dieser Teil 2019 erscheinen.

Es. Regie: Andrés Muschietti. Drehbuch: C. Palmer et. al. Mit u.a. J. Lieberher, F. Wolfhard, S. Lillis. Warner Bros. USA, Canada, 2017. FSK 16.

[tds_note]Ein Fund aus der Todesstadt.[/tds_note]

Illustration: Geschichtenzeichnerin Celina

 

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1 Kommentar

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    Anmerkung des Autors:
    Dieser Text ist mit der Mithilfe von Geschichtenzeichnerin Celina entstanden, welche nicht nur die Illustration für diesen Text lieferte, sondern auch als wichtige, beratende Rolle fungierte.

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Trackbacks/Pingbacks

  1. Ich glaube, ich spinne, schon wieder dieser Clown – Bücherstadt Kurier - […] 2017 der erste Teil der Neu­ver­fil­mung von Ste­phen Kings Kult­klas­si­ker „Es“ große Erfolge fei­ern konnte, kommt 2019 nun Teil…

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