Die Axt im Blumenstrauß

von | 11.03.2016 | Buchpranger, Graphic Novels, Comics, Manga

Zeitgleich zum neuen Kinofilm über den Aktivismus und die Kämpfe der Suffragetten in Großbritannien nimmt sich auch die Graphic Novel „Votes For Women“ von Mary Talbot (Egmont) den Anfängen der Frauenrechtsbewegung an. Kein leichtes Thema, aber Buchstaplerin Maike findet, hier ist ein schonungsloser aber wichtiger Überblick geschaffen worden.

Votes for womenWährend sich im England zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Woman’s Social and Political Union gründet, die das Frauenwahlrecht mit zum Teil extremen Mitteln einfordert, kann Dienstmädchen Sally sich nur schwer emanzipieren. Doch es gelingt, denn obwohl ihr Bildung und soziale Stellung fehlen, brennt in ihr der Drang nach Veränderung. Sie wird bald selbst zur Kämpferin, für die Störung der öffentlichen Ordnung, Gefängnis, Hungerstreik und sogar Bombenanschläge nicht fremd werden.

Obwohl die Protagonistin Sally fiktiv ist, sind die dargestellten Ereignisse so passiert und für die Graphic Novel aufbereitet. So gleitet die Story zwischen Geschichtsstunde und persönlichem Schicksal hin und her, wobei nicht immer klar wird, worauf der Fokus liegen soll. Für einen umfassenden Blick auf die Suffragettenbewegung wird man etwas zu unvorbereitet in das chaotische Geschehen geworfen und Sallys eigener Lebensweg wirkt stellenweise plakativ. Es ist nicht immer klar, wo sie eigenen Willen zeigt und wo sie Mitläuferin ist. Dennoch wird ihre Emanzipation eindringlich geschildert und verdeutlicht die Bedeutung von Bildung und eigenständigem Denken.
An Sally, die sich ihren Platz zwischen den Widerstandskämpferinnen sucht, wird so einiges verhandelt. So bleiben Klassenunterschiede oft unhinterfragt. Und auch zwischen den Frauenrechtlerinnen gibt es Unstimmigkeiten und Zerwürfnisse. Das lässt die prominenten Figuren menschlicher wirken und deutet ebenso an, dass auch historische Erfolge mit kritischem Auge betrachtet werden müssen. Ein Appendix mit Anmerkungen hilft dabei, die Stationen der Graphic Novel besser zu verstehen und regt zu weiteren Nachforschungen an.

Die Zeichnungen stechen sofort ins Auge. Mit breiten schwarzen Konturen, reduzierten Figuren und hauptsächlich in Grautönen coloriert, wird Farbe sparsam, aber bedeutungsvoll eingesetzt. Besondere Figuren und Gegenstände treten in den Vordergrund. Natürlich ist da die Protagonistin Sally, dere001-192_5527_1A_EGN_VOTES_FOR_WOMEN.IND7n orangerotes Haar sie in jedem Panel hervorhebt. Aber auch andere Figuren werden so identifizierbar: Emmeline Pankhurst etwa ist immer blassviolett gekleidet. Die Farben der WSPU werden in Bannern oder Plaketten zur Schau gestellt, und auch Feuer und Blut bekommen ihren Platz zwischen dem typischen Londoner Grau.
Die Graphic Novel ist durchzogen von den unterschiedlichsten Medien, die neue Ebenen öffnen. Wahlplakate, Banner und Zeitungsartikel vervollständigen, was in der Figurenrede angedeutet wird. Bewegend ist, dass Sallys Zeit als Suffragette eingerahmt ist von Szenen, die sie als alte Frau im Pflegeheim zeigt. Es mischen sich Nostalgie und Hoffnung für kommende Generationen. Dass jetzt erneut auf gut hundert Jahre westliche Frauenrechtsbewegung geblickt wird, macht nicht zuletzt deutlich, dass auch heute noch ein langer Weg zu gehen ist. Ein Marsch vielleicht, doch ob mit den Mitteln der Suffragetten, muss man für sich selbst urteilen.

Votes For Women: Der Marsch der Suffragetten. Mary M. Talbot, Kate Charlesworth, Bryan Talbot.
Aus dem Englischen von Johanna Wais. Egmont Graphic Novel. 2015.

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